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Venture Capital in Deutschland – noch viel Luft nach oben

10.01.2020Artikel
Christoph J. Stresing
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Etwas nachzuweisen, was es nicht gibt, ist gemeinhin ein schwieriges Unterfangen. Auf den Mangel an Wagniskapital in der Wachstumsphase trifft das – zumindest im Grundsatz – nicht zu. Nach dem Deutschen Startup Monitor 2019 ist etwa die Anzahl der Startups, die eine Venture Capital-Finanzierung bevorzugen, knapp dreimal so hoch wie die Anzahl der Startups, die tatsächlich eine solche Finanzierungsform vorweisen können. „Tal des Todes“ – dieses plakative Bild steht für die Finanzierungslücke von Wachstumsunternehmen in Deutschland. Betroffen sind Startups, die nach einer erfolgreichen Gründung und ersten Finanzierungsrunde, oftmals mit Beteiligung öffentlicher Gelder, die ersten Herausforderungen gemeistert haben, denen aber zur Bewältigung des Wachstumskurses weiteres Kapital fehlt, auch weil für sie eine klassische Bankfinanzierung (noch) nicht in Frage kommt. 

Wachstumshindernis für Startups

Dieses Defizit an Venture Capital (VC) ist neben den schlechten Rahmenbedingungen für Mitarbeiterkapitalbeteiligungen ein entscheidendes Wachstumshemmnis für Startups in Deutschland und wirkt sich gleich dreimal negativ aus: für das Startup selbst, weil ohne Finanzierung die Weiterentwicklung des Unternehmens nicht gestaltet werden kann; für die öffentliche Hand, weil die öffentliche Anschubfinanzierung in der Frühphase nicht zu den angestrebten Effekten führt; und letztlich für die Volkswirtschaft im Ganzen, weil Entwicklungspotenziale junger, innovativer Unternehmen nicht genutzt werden. 

Doch ist die weit verbreitete Annahme, es gebe einen Mangel an Wagniskapital in der Wachstumsphase, überhaupt noch aktuell? Schließlich häufen sich in jüngerer Zeit die Meldungen über große Finanzierungsrunden mit hohen Millionenbeträgen. Alles übertrieben also? Richtig ist, dass insbesondere einzelne Deals, wie z.B. bei GetYourGuide, N26 oder Flixbus, zu einem erfreulichen Anstieg an Venture Capital-Investitionen im letzten Jahr geführt haben. Doch an dem strukturellen Venture Capital-Mangel ändert das nichts. Hinzu kommt, dass bei den genannten Finanzierungsrunden deutsche Venture Capital-Gesellschaften vergebens gesucht werden. Auch wenn die betroffenen Unternehmen dank des frischen Geldes ihren Expansionskurs erfolgreich gestalten können, findet die Wertschöpfung aus den hierzulande entwickelten Innovationen häufig anderswo statt. Für eine ressourcenarme Volkswirtschaft wie Deutschland ist das ein alarmierendes Signal.

Zu wenig große Fonds in Deutschland

Die Ursachen für dieses Dilemma liegen auf der Hand: Es mangelt an heimischen großvolumigen Venture Capital-Fonds, die in der Lage sind, hohe Millionenbeträge in wachstumsorientierte Startups zu investieren. Das geringe Fondsvolumen führt seinerseits dazu, dass die entsprechenden Fonds für große institutionelle Investoren nicht in Frage kommen. Anders – und stark vereinfacht - formuliert: Deutsche VC-Fonds sind so klein, weil sie so klein sind. Auch wenn in den vergangenen Jahren eine wachsende Anzahl von großvolumigen Fonds, d.h. Fonds mit einem Volumen von einem mittleren bis hohen dreistelligen Millionenbereich, zu verzeichnen ist, besteht dringender Handlungsbedarf. 

Nationaler Digitalfonds

Der im Koalitionsvertrag angekündigte „große nationale Digitalfonds“ muss daher schnellstmöglich in Angriff genommen werden. Die Idee dahinter ist, dass institutionelle Investoren, zum Beispiel Versicherungen oder Versorgungswerke, in einen – vorzugsweise privat gemanagten – Dachfonds investieren, der dann wiederum in Venture Capital-Fonds investiert. Dadurch würde unter anderem die beschriebene Problematik der zu kleinen „Ticketgröße“ geringvolumiger VC-Fonds beseitigt werden. Weitere Anreize für Investoren könnten gesetzt werden, wenn verbleibende Risiken der Investoren staatlicherseits mit Renditezusagen abgefedert würden. Im Gegenzug würde der Staat profitieren, wenn die tatsächlich erzielten Renditen über den Zusagen liegen. So besteht die Möglichkeit einer Win-win-Situation für sämtliche Beteiligte. Das „Tal des Todes“ könnte somit überwunden werden und die deutsche Volkswirtschaft von einem großen Erneuerungsschub profitieren.