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Banken ON SCREEN: Auf dem Weg zum digitalen Euro?

26.02.2021Artikel
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Auch wenn über die Einführung eines digitalen Euros noch nicht final entschieden wurde, beflügelt er schon heute die Fantasien vieler Menschen und hat zu intensiven Diskussionen angeregt. Die Europäische Zentralbank hat sich der Frage verstärkt angenommen und will bis Mitte des Jahres klären, ob und wann sie einen digitalen Euro einführen wird. Die Zeit drängt, in China ist man schon mindestens zwei Schritte weiter. Doch ungeachtet der lebhaften Debatte: Viele Fragen rund um das Thema „Digitaler Euro“ sind nach wie vor offen, es besteht noch erheblicher Klärungsbedarf. 

Hier können Sie die Aufzeichnung unserer Veranstaltung sehen:

Struktureller Wandel: digitales Zahlungsmittel statt Bargeld?

„Auf dem Weg zum digitalen Euro?“ – unter diesem Titel hatte der Bankenverband gemeinsam mit dem Ostdeutschen Bankenverband am Dienstag zu einer Diskussionsveranstaltung in der Reihe „Banken ON SCREEN“ eingeladen. Etwa 350 Teilnehmerinnen und Teilnehmer verfolgten online die Debatte zwischen Ulrich Bindseil, dem Generaldirektor für Marktinfrastrukturen und Zahlungsverkehr bei der Europäischen Zentralbank (EZB), Serkan Katilmis, Geschäftsführer beim Fintech-Unternehmen Cash-on-Ledger, und Siegfried Utzig, Volkswirt und Experte zum Thema „Digitale Währungen“ beim Bankenverband. Moderiert wurde die Veranstaltung von Katarina Adam, Professorin an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin. Achim Oelgarth, geschäftsführender Vorstand beim Ostdeutschen Bankenverband, führte in die Diskussion ein und skizzierte das Themenfeld: Es finde ein struktureller Wandel hin zum digitalen Bezahlen statt, während Bargeld zunehmend an Bedeutung verliere.  Mit fortschreitender Digitalisierung setzten sich vollautomatisierte, durch sogenannte Smart Contracts gesteuerte Geschäftsprozesse durch, bei denen die Distributed Ledger Technology (DLT) eine Schlüsselrolle spiele. „Dieser Trend ist weltweit zu beobachten und berührt selbstverständlich auch die Notenbanken. Sie sind gezwungen, über eine digitale Form  des Zentralbankgelds nachzudenken“, meinte Oelgarth.

Das Wesen von digitalem Zentralbankgeld

Die Diskussion beginnt mit einer naheliegenden Frage: Was genau ist eigentlich „digitales Zentralbankgeld“? Antwort von Ulrich Bindseil: Bei Zentralbankgeld handele es sich um direkte Verbindlichkeiten der Zentralbank. In diesem Sinne gebe es bereits digitales Zentralbankgeld, nämlich die bei den Notenbanken digital verbuchten Reserven der Geschäftsbanken. Das Ziel eines digitalen Euros aber sei es, dass ihn auch Bürger und Firmen benutzen könnten – gerade wenn die Verwendung von Bargeld weiter zurückgehe. Einschränkend fügte Bindseil allerdings hinzu, dass ein für alle unlimitiert zugänglicher digitaler Euro zu Verwerfungen des Finanzsystems führen könnte. Giralgeld solle daher nicht durch digitales Zentralbankgeld verdrängt werden.

Digitales Geld und seine Einsatzmöglichkeiten

Serkan Katilmis wies auf die praktischen Einsatzmöglichkeiten des digitalen Geldes hin und schilderte das Geschäftsmodell von Cash-on-Ledger. Das Unternehmen arbeite an einer Brückenlösung, die den konventionellen Zahlungsverkehr mit dem Grundgeschäft auf Basis der Blockchain-Technologie verknüpfe. Dadurch könnten programmierbare, von der Blockchain „getriggerte“ Zahlungen auch im konventionellen Zahlungsverkehr ausgeführt werden. Beispiel aus der Praxis: Ein Landwirt mietet einen Traktor mit Schneepflug, dessen Miete nutzungsabhängig abgerechnet wird. Durch Sensorik und datengetriebene Steuerung zahlt der Landwirt für die Maschine nur dann, wenn sie tatsächlich genutzt wird. Es handle sich dabei um ein vollautomatisiertes Geschäftsmodell, das durch programmierbare Zahlungen ermöglicht werde. Mittels der Brückenlösung werde eine technologische Plattform geschaffen, um Zahlungen mit Smart Contracts automatisch abzuwickeln. Dies ziele zunächst darauf ab, den Bedarf der Industrie zu bedienen, später, so Katilmis, seien auch Anwendungen im Retail-Bereich denkbar. 

Siegfried Utzig sieht hier Ansatzpunkte und Chancen für die Banken, gehe es doch darum, das stetig größer werdende Potenzial von Automatisierungs- und Vernetzungsvorgängen in der Wirtschaft auszuschöpfen. Die Industrie werde, so Utzig, weiterhin Giral- und kein Zentralbankgeld benutzen. Deshalb sei es die Aufgabe der Geschäftsbanken, programmierbares Geld (sogenannte Giralgeldtoken oder tokenized commercial bank money) bereitzustellen. Die Herausforderung bestehe aber darin, diese neue Geldform so zu gestalten, dass die Verbindung zwischen Giral- und Zentralbankengeld nicht abreißt. Denn allein diese im heutigen Zahlungsverkehr still im Hintergrund wirkende Verbindung ermögliche den reibungslosen Zahlungsverkehr wie wir ihn kennen. Ohne diese Verbindung entstünden lediglich Forderungen an eine einzelne Bank, die nicht ohne Weiteres übertragbar wären. 

Internationale Bedeutung des digitalen Euros

Die Dynamik der Diskussion um digitales Zentralbankgeld hänge womöglich mit ersten praktischen Erfahrungen und Testversuchen in anderen Ländern zusammen – diese These stellte Katarina Adam in den Raum. Geht es also auch und vor allem darum, im Wettlauf der Zentralbanken den globalen Anschluss nicht zu verlieren? Ulrich Bindseil räumte zumindest ein, dass die Motive jener Zentralbanken, die sich mit dem Gedanken tragen, digitales Zentralbankgeld einzuführen, durchaus ähnlich seien. Auch der digitale Euro könne tatsächlich ein Mittel sein, um die internationale Rolle der europäischen Währung zu stärken. Wenn es eines Tages weltweit mehrere digitale Zentralbankwährungen geben sollte, wären gemeinsame Regeln für ihre grenzüberschreitende Verwendung notwendig. Zunächst aber blicke man nur auf den eigenen Währungsraum. 

Datenschutz und digitaler Euro

Ohnehin dürften sich, so Bindseil, die Funktionalitäten der unterschiedlichen Währungen voneinander unterscheiden, da auch die Wünsche der Menschen verschieden seien. Bindseil verwies auf die öffentliche Konsultation, die von der Europäischen Zentralbank durchgeführt wurde und die 8.000 Antworten erbrachte. Ergebnis: Wenn es um den digitalen Euro geht, haben die Themen Datenschutz und Privacy in Europa einen besonders hohen Stellenwert. Um diesem Wunsch der Bürger gerecht zu werden, könne eine Lösung sein, geringfügige Zahlungen bis zu einer bestimmten Höhe möglichst anonym zu gestalten. Ein Problem seien hierbei allerdings nicht nur Geldwäschebestimmungen, die die Anonymität von digitalen Zahlungen begrenzten. Generell hinterließen, wie Bindseil und Utzig betonten, digitale Zahlungen immer auch Spuren, die zurückverfolgt werden könnten und Anonymität wie beim Barzahlen somit nicht gewährleistet sei.  

Digitaler Euro – ein Blick in die Zukunft

Wie wird es nun weitergehen? Wenn es nach Bindseil geht, könnte ein digitaler Euro zunächst in „minimalistischem Design“ erscheinen und müsste nicht unbedingt die Funktionen von tokenisiertem Giralgeld, etwa die Programmierbarkeit, haben. Auch verwies er auf den EZB-Report zum digitalen Euro, demzufolge die Notwendigkeit eines digitalen Euros noch nicht endgültig belegt sei. Es gäbe allerdings Szenarien, etwa die weiter abnehmende Nutzung von Bargeld, die seine Einführung plausibel machten. Diese Szenarien könnten schnell eintreten. Im Juni will sich die EZB hinsichtlich der Emission eines digitalen Euros entscheiden. Dann könnte eine zweijährige Investigationsphase beginnen und anschließend eine Entwicklungsphase, die unter Umständen noch einmal zwei Jahre dauere.

Abschließend betonte Siegfried Utzig, dass sich die Bankenindustrie auf die Veränderungen einstellen müsse, die mit der Distributed Ledger Technologie für die Erscheinungsformen des Geldes und den Zahlungsverkehr verbunden seien. Er forderte dazu auf, die Herausforderung optimistisch anzugehen, denn sie eröffne für die Banken neue Handlungsoptionen und biete Gelegenheiten für innovative Finanzdienstleistungen. Die Finanzbranche müsse vorbereitet sein, auch wenn längst noch nicht klar sei, welche technologischen Möglichkeiten die Zukunft eröffnen.

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Dr. Henrik Meyer

Director

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