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So können Banken ihre digitalen Angebote für Ältere verbessern

13.08.2020Artikel
Agnieszka M. Walorska
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Die Corona-Pandemie bewegt mehr Menschen dazu, online zu gehen, und zwingt sie quasi, ein breiteres Spektrum an Aufgaben digital zu erledigen. Das zeigt sich auch im Finanzsektor: Die digitalen Angebote der Banken wurden weltweit bereits in der Anfangsphase der Pandemie um 11 Prozent häufiger aufgerufen als zuvor. Auch die Nutzung der FinTech-Apps ist in die Höhe geschossen. Gleichzeitig haben Banken auf der ganzen Welt Filialen geschlossen oder die Öffnungszeiten beschränkt, um die Verbreitung des Virus zu drosseln.

Diese Entwicklung sieht nach einer guten Chance aus, bisher „analoge“ Zielgruppen abzuholen und sie dauerhaft für das digitale Banking zu gewinnen. Allerdings ist diese Herausforderung alles andere als trivial. Zur analogen Zielgruppe zählen nämlich – wenig überraschend – vor allem ältere Menschen, von denen viele bislang kaum oder gar keine Erfahrungen mit dem Netz haben: Die Hälfte der über 70-jährigen nutzt immer noch kein Internet. Von denen, die es nutzen, gibt es zudem viele, die nur in einem sehr begrenzten Umfang davon Gebrauch machen. Und selbst diejenigen, die Online-Dienste wie Nachrichten, Spiele und E-Mail bestens kennen, schrecken häufig noch vor digitalem Banking zurück.

Folglich betrug der Anteil der Onlinebanking-Nutzer*innen bei den über 65-Jährigen im vergangenen Jahr lediglich 21 Prozent. Viele Kund*innen sahen bis dahin auch gar nicht die Notwendigkeit, digitales Banking auszuprobieren. Jetzt aber ist der Bedarf da; denn auch wenn viele Filialen inzwischen wieder geöffnet haben, dürften gerade ältere Menschen soziale Kontakte weiterhin beschränken wollen. Zudem ist absehbar, dass der Trend zum flächendeckenden Filialabbau auch künftig anhalten wird.

Selbst wenn der Anteil älterer Menschen, die Online-Banking nutzen, nach aktuellen Zahlen des Bundesverbandes deutscher Banken coronabedingt gestiegen ist: Der fehlende Internetzugang und eine – zumindest subjektiv so empfundene – hohe Komplexität der Beantragung und Nutzung des Online-Bankings stehen einem erfolgreichen Einstieg in die digitale Bankenwelt häufig noch im Wege. Dadurch laufen Banken Gefahr, den Kontakt zu ihren eigentlich treusten Kunden zu verlieren bzw. ihnen deutlich weniger Service anbieten zu können, als es möglich wäre. Nun ist der Eindruck nicht falsch, dass besonders die ältere Generation eine sehr geringe Bereitschaft aufweist, das Institut zu wechseln. Daher legen Banken sowohl bei Marketinginitiativen als auch bei der Entwicklung digitaler Produkte den Fokus meist auf andere, wechselwilligere und stärker auf digitale Angebote ausgerichtete Zielgruppen. Aber auch die älteren Menschen haben Bedürfnisse, die sich zum Teil digital erfüllen lassen.

Was können Banken also tun, um ihre digitalen Angebote attraktiv für Senioren zu gestalten?

  1. Eine inklusive Bildwelt und eine klare, verständliche Sprache verwenden. Das Problem fängt häufig schon bei der Werbung bzw. Präsentation der Angebote auf den Websites vieler Banken an: In der dort dargestellten Bildwelt finden ältere Menschen oftmals gar nicht statt. Kein Wunder, wenn sie dann die Produkte für sich selbst als weniger relevant wahrnehmen. Die Häufung von Anglizismen und Fachbegriffen, die einem geübten Nutzer gar nicht auffallen, verstärkt diese Wahrnehmung noch. Beispiel: Der Satz „Mit smarten Services wie dem digitalen Postfach, photoTAN-Verfahren und dem FinanzPlaner mit MultiBanking haben Sie Ihre Finanzen immer im Blick“ verschreckt möglicherweise nicht nur Senior*innen. Eine inklusive Bildwelt und eine klare, verständliche Sprache kommen Kunden aller Altersgruppen zugute
  2. Neue Zugangskanäle identifizieren. Auch ältere Personen müssen dort abgeholt werden, wo sie sich befinden. So gibt es beispielsweise Initiativen wie „Wege aus der Einsamkeit“, die Senior*innen beim Umgang mit Technologie unterstützen. Warum nicht in Zusammenarbeit mit den Trägern solcher Initiativen den Einstieg ins digitale Banking ermöglichen? Auch Kooperationen mit Internet- und Mobilfunkanbietern sind denkbar. Diese bieten bereits eine breite Palette an technischer Unterstützung vom Initialsetup von Smartphones und Tablets bis zu Schulungen und Workshops für Senior*innen. Auch hier könnte der erste Berührungspunkt mit dem Online- oder Mobile-Banking geschaffen werden.

  3. Angehörige einbeziehen. Kinder und Enkelkinder sind für die ältere Generation häufig die ersten Ansprechpartner in Sachen Digitalisierung. Von ihnen bekommen Senior*innen das erste Smartphone oder Tablet (oder zumindest die Kaufempfehlung), auch werden sie meist zurate gezogen, wenn die Technologie Probleme bereitet. Daher adressieren Anbieter von Produkten und Dienstleistungen, die auf ältere Menschen ausgerichtet sind, häufig vorrangig die unmittelbaren Angehörigen. Das muss sich beim Digitalen Banking aber keineswegs auf die Kundenakquisition beschränken. Möglichkeiten des gemeinsamen Zugriffs auf ein Konto, zum Beispiel über Co-Browsing, können den Kund*innen die Angst nehmen, etwas falsch zu machen, und ihnen die Möglichkeit geben, sich langsam an das digitale Angebot heranzutasten.

  4. Vertrauenswürdigkeit und Verlässlichkeit betonen. Für viele Senior*innen ist das Internet eine immer noch neue Technologie, der mit einer großen Dosis Misstrauen begegnet wird – vor allem wenn es um Finanzen geht. Die Themen „Vertrauenswürdigkeit und Verlässlichkeit“ sollten daher nicht nur proaktiv angesprochen, sondern auch gelebt werden. Helfen können zum Beispiel unverbindliche Online-Demonstrationen, die zunächst keine Eingabe der persönlichen Daten erfordern. Auch verständliche Erklärungen (etwa als Video), warum persönliche Daten erfasst werden und wie die Sicherheit von Zahlungen gewährleistet wird, können Hemmschwellen senken.

  5. Das Gefühl von Kontrolle vermitteln. Die Kontrolle ihrer Ausgaben ist vielen Senior*innen wichtig. Das zeigen zum Beispiel die Statistiken aus dem Mobilfunkbereich recht deutlich: Während der Anteil der Prepaid-Verträge bei der Gesamtbevölkerung mittlerweile auf unter 25 Prozent gesunken ist, liegt er bei den über 60-Jährigen bei mehr als 45 Prozent. Gleichzeitig werden ältere Menschen häufiger Opfer von Betrug und Abo-Fallen. Benachrichtigungen über Transaktionen, die transparente Darstellung von regelmäßigen Abbuchungen sowie einfache Möglichkeiten der Kündigung (etwa von Zeitschriften), wie sie einzelne FinTechs anbieten, geben den Kund*innen das Gefühl, die Oberhand über ihre Finanzen zu behalten.

  6. Nicht auf Papier verzichten. Während die Millennials am liebsten auf jegliche gedruckte Kommunikation verzichten würden, ist diese für ihre Eltern und Großeltern weiterhin wichtig. Auch dies hat mit dem Wunsch nach Kontrolle und mit dem Faktor Vertrauen zu tun. Rechnungen und Kontoauszüge können so entsprechend den Angewohnheiten dieser Zielgruppe überprüft und abgeheftet werden.

  7. Kompatibilität mit älteren Browsern und mobilen Betriebssystemen sicherstellen. Ob Laptop, Tablet oder Smartphone – die neueste Technik zu nutzen, steht bei älteren Kund*innen nur äußerst selten weit oben auf der Prioritätenliste. Oft wird ein gebrauchtes Gerät von technikaffineren Mitgliedern der Familie übernommen, wenn diese auf ein neueres Modell umsteigen. Auch beim Neukauf wird häufig auf ältere Modelle zurückgegriffen; meist nutzen Senior*innen die Geräte obendrein über einen sehr langen Zeitraum. Hinzu kommen Berührungsängste mit Software-Aktualisierungen, weswegen ältere Versionen von Betriebssystemen und Browsern verwendet werden. Deswegen sollten Banken sowohl für ihre mobilen als auch für ihre Web-Angebote testen, ob die Kompatibilität auch mit älteren Geräten und Browsern sichergestellt ist.  

  8. Auf barrierefreie bzw. barrierearme Gestaltung achten. Nur der Vollständigkeit halber sollte an dieser Stelle auch die Barrierefreiheit erwähnt werden, die zwar längst in ein Gesetz gegossen, trotzdem vielerorts noch nicht adäquat umgesetzt worden ist.

  9. Plan B anbieten. Auch wenn das Problem der ständigen Suche nach Zugangsdaten und Passwörtern bei weitem nicht nur die Älteren betrifft (etwa 40 Prozent der Kundenserviceanfragen bei den Banken beziehen sich auf verlorene Zugangsdaten), werden diese davon besonders überwältigt. Von klar kommunizierten Wegen zur Wiederherstellung des Zugangs und schnellen Lösung des Problems – sei es mittels SMS-Validierung oder biometrischer Daten – profitieren alle Kunden, nicht nur die Ältesten.

  10. Unterstützung anbieten. Service-Center der Banken sollten auf Gespräche mit Senior*innen vorbereitet sein; die Mitarbeiter*innen müssen entsprechend sensibilisiert werden. Wie erwähnt, stellen Anglizismen und technisches Vokabular häufig eine Hürde da – auch Worte wie „Browser“, „Download“ oder „Button“ werden nicht von allen verstanden. Zudem tun sich viele mit Sprachdialogsystemen schwer, was leicht zu Frustration und Überforderung führen kann.

  11. Mit der Zielgruppe regelmäßig testen. Gute Produkte für Senior*innen müssen nicht notwendigerweise solche sein, die ausschließlich für diese Zielgruppe entwickelt wurden. Auch bestehende Angebote, die ein breites Spektrum an Kund*innen adressieren, sind für die ältere Generation häufig interessant. Wichtig ist aber, diese Angebote auch mit den älteren Menschen regelmäßig zu testen, um ihre spezifischen Probleme mit dem Produkt zu identifizieren.

Auch wenn hier der Einfachheit halber pauschal von „Senior*innen“ die Rede ist, sollte nicht der Eindruck entstehen, es handle sich dabei um eine monolithische Gruppe. Je nach Definition umfasst die Zielgruppe Personen ab 60 oder 65 Jahren; die Altersspanne kann mittlerweile also 30 bis 40 Jahre betragen. Das Alter ist auch nicht das einzige Differenzierungsmerkmal. Die Lebenswelten der „Senior*innen“ sind sehr vielfältig, und der Grad der digitalen Teilhabe reicht von Tech-Experten bis zu entschiedenen Online-Verweigerern. Nicht verwunderlich – es handelt sich hier immerhin um 17,5 Millionen Menschen (über 65 Jahre). Eine ganze Menge potenzieller Kunden für digitale Bankangebote!