Das traditionelle Wertpapier
Nach deutschem Recht ist ein Wertpapier eine Sache, die Rechte verkörpert. Zentral für das Entstehen eines Wertpapiers ist demnach das Erfordernis einer physischen Urkunde – also das Papier als Anknüpfungspunkt für das Sachenrecht. Historisch gesehen ist dies die technisch sicherste und rechtlich einfachste Möglichkeit, die Berechtigung über bestimmte Rechte nachzuweisen und rechtswirksam an eine andere Person zu übertragen. Nur wer die Urkunde vorlegen kann, kann die Rechte daraus geltend machen. Und jeder Erwerber des Papiers kann sich darauf verlassen, vom Berechtigten zu erwerben. Diese elementare Eigenschaft des Wertpapiers spiegelt sich dabei in einer Vielzahl von Rechtsvorschriften des allgemeinen Zivilrechts, des Schuldverschreibungs-, Gesellschafts- und Depotrechts wider.Durch technologische Entwicklungen werden in der Praxis aber heute keine Wertpapierurkunden mehr ausgetauscht, sondern auf den Depots der Anleger verbucht.
Neue Technologie schafft neue Möglichkeiten
Die aktuellen technischen Entwicklungen, wie z. B. die Distributed-Ledger-Technologie (DLT), führen dazu, dass die bisher wichtigste Eigenschaft eines Wertpapiers (die Urkunde) nicht mehr erforderlich ist. So ermöglicht die DLT den Nachweis der Berechtigung durch Eintragung in ein digitales Register. Dabei hält jeder vernetzte Rechner eine Kopie aller erfolgten Eintragungen, so dass das gesamte Register auf allen vernetzten Rechnern vorhanden ist. Daher spricht man auch vom „verteilten Register“ (distributed ledger). Technisch gesehen ermöglicht die DLT auf diese Weise nicht nur die sichere Übertragung von Informationen, sondern auch von Werten. Die DLT bietet somit völlig neue Möglichkeiten, wertpapierbezogene Geschäftsprozesse vollständig zu digitalisieren und damit effizienter zu gestalten.
DLT-Wertpapiere
Die Nutzung von DLT könnte zu grundsätzlichen Prozessänderungen in der Wertpapierabwicklung führen. Dazu bedarf es jedoch zunächst der Möglichkeit, Wertpapiere nicht nur technisch, sondern auch rechtlich mittels DLT emittieren und übertragen zu können. Eine grundlegende Änderung regulatorischer Anforderungen muss damit nicht zwangsläufig verbunden sein. Im Gegenteil: Regulatorische Vorschriften bedürfen lediglich dort einer Anpassung, wo sie wegen der veränderten DLT-Prozesse überflüssig oder sinnlos werden. Daneben ist auch der Einsatz von DLT für die Umsetzung neuer regulatorischer Vorgaben vorstellbar.
Position des Bankenverbandes
Um die neuen technologischen Möglichkeiten nutzen zu können, müssen die Reformen des Aufsichts- und des Zivilrechts unter dem Leitbild der Technikneutralität stehen. Im Wertpapierbereich bedeutet dies, dass urkundenbasierte Emissionen gleichberechtigt neben urkundenlosen Emissionen stehen müssen. Grundlage ist hier ein sicherer Rechtsrahmen für Wertpapiere in DLT-Systemen und ihre Übertragung. Weitere Details zu Reformüberlegungen hat der Bankenverband in einem Diskussionspapier veröffentlicht.