Am Kern vorbei diskutiert
Blockchain, ICO, Kryptowährungen – die Diskussion mit diesen Schlagworten ist in vollem Gange. Dabei werden technologisches Potenzial sowie konkrete Anwendungsmöglichkeiten vermischt und häufig verkürzt betrachtet. Das allgemeine Bild ist unvollständig, was zur Folge hat, dass im Zusammenhang mit ICO und Kryptowährungen der Fokus grundsätzlich auf spekulative Übertreibungen gerichtet und bezüglich Blockchain-basierter Aktivitäten häufig nur die Frage nach dem rechtlichen Graubereich gestellt wird.
Die digitale Wertmarke
Im Kern beschreibt ein ICO (Initial Coin Offering) oder besser TGE (Token Generating Event) die Begebung einer digitalen Wertmarke. Dieser Token oder Coin kann durch seine Art der Codierung bestimmte Rechte und Pflichten darstellen, deren Ausübung durch den enthaltenen Code digitalisiert abgebildet wird. Die Basis dafür bildet häufig eine Blockchain. Diese ist dadurch gekennzeichnet, dass in sich unveränderliche Informationsblöcke wie eine Kette verbunden sind und für jede neue Information ein neuer Block der „Kette“ hinzugefügt wird. Gebräuchlich, wenn auch nicht offiziell definiert oder abschließend, sind drei Arten von Wertmarken: Cash-Token (reine Kryptowährungen), Utility-Token (Zugang zu einer digitalen Nutzung oder Dienstleistung) und Anlage-Token (repräsentieren Vermögenswerte wie bspw. schuldrechtliche Forderungen gegenüber Emittenten). Im Kern steht die Tokenisierung als konsequenteste Form der Digitalisierung. Es ist die Möglichkeit, prinzipiell jede vertraglich geregelte Austauschbeziehung mit einem Token und damit automatisiert abzubilden.
(Nahezu) unerschöpfliches Potenzial
Jede politische und regulatorische Befassung, die etwa (wie aktuell die BaFin) unter Verbraucherschutzaspekten völlig zu Recht Leitplanken einzieht, sollte gleichzeitig das Potenzial dieser Technologie nicht verkennen. Ein Blick nach vorne braucht nicht allzu viel innovative Vorstellungskraft, um zu erkennen, dass Tokenisierung in eine Vielzahl von Lebensbereichen Einzug halten wird: Wertpapiertransaktionen, Eigentumsübertragungen (z. B. im Immobilienbereich), Steuerzahlungen, Versicherungen, Handel mit digitalen Gütern – keinem der Beispiele sind Grenzen gesetzt.
Position des Bankenverbandes
Im vorliegenden Koalitionsvertrag hat das Thema Blockchain zu Recht Eingang gefunden, greift jedoch zu kurz. Um die Chancen der Tokenisierung zu nutzen, heißt es jetzt zügig zu handeln, denn der internationale Wettbewerb um die besten Lösungen ist bereits in vollem Gange. Es bedarf politischer wie auch regulatorischer Aufmerksamkeit, um die globale Wettbewerbsfähigkeit Europas durch die Schaffung von notwendigen Standards und zukunftsgerichteten rechtlichen Rahmenbedingungen zu sichern.