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Finanzbildung

Ausländische Fachkräfte sollen leichter nach Deutschland kommen

06.09.2022Artikel
Dr. Henrik Meyer
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Der Arbeitskräftemangel wird zunehmend im Alltag spürbar – nicht nur das Chaos an vielen Flughäfen während der Sommermonate zeugte davon. Industriebetriebe und Handwerker müssen Aufträge ablehnen, weil Personal fehlt. Kitas, Bäckereien und Gaststätten sind zum Teil gezwungen, früher zu schließen, als sie es gewohnt sind. Auch Personalausfälle durch Corona-Erkrankungen mögen hierzu beitragen. Doch das eigentliche Problem ist ein anderes: Insgesamt waren in Deutschland zuletzt gut 1,7 Millionen Stellen unbesetzt, wie das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) ermittelt hat. 

Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz

Umso dringender weisen Unternehmen und Arbeitsmarktforscher auf die Notwendigkeit hin, den Fachkräftebedarf durch Zuwanderung aus dem Ausland zu decken. Die gesetzliche Weichenstellung hierfür ist auch schon mit dem vor zwei Jahren in Kraft getretenen Fachkräfteeinwanderungsgesetz vorgenommen worden. Grundidee des Gesetzes: Arbeitskräfte von außerhalb der EU, die über eine anerkannte Berufsausbildung verfügen und einen Arbeitsvertrag haben, dürfen nach Deutschland kommen und hier arbeiten. Unternehmen sollten damit nicht mehr nur Akademiker, sondern auch beruflich qualifizierte Fachkräfte aus Ländern von außerhalb der EU anwerben können. 

Gesetz wird nachgebessert

Was einfach klingt, ist es in der Praxis allerdings nicht. Vor allem die Anerkennung der Berufsabschlüsse gilt als große Hürde für die Zuwanderung von beruflich qualifizierten Fachkräften. Das liegt daran, dass die deutsche duale Ausbildung international einzigartig ist – einen gleichwertigen Abschluss vorzulegen ist oft nahezu unmöglich. Angesichts des enormen Fachkräftebedarfs sieht sich die Bundesregierung daher gezwungen, das Gesetz nachzubessern. Eckpunkte für einen Gesetzentwurf sollen im Herbst vorliegen, erste Ansätze wurden aber schon skizziert. Fachkräfte sollen demnach künftig auch dann einreisen und arbeiten dürfen, wenn ihr Berufsabschluss in Deutschland noch nicht anerkannt ist, sie aber Berufserfahrung und einen Arbeitsvertrag haben. Die Anerkennung sollen sie dann mit Unterstützung ihres Arbeitgebers nachholen. Es soll aber noch an weiteren Stellschrauben gedreht werden, um die Hürden zu senken. So sollen Fachkräfte mit einem anerkannten Abschluss künftig nicht mehr nur in ihrem erlernten Beruf arbeiten, sondern jede qualifizierte Beschäftigung aufnehmen dürfen. 

Doch nicht nur die hohen Hürden bei der beruflichen Anerkennung sind nach Meinung der DIHK (Deutscher Industrie- und Handelskammertag) ursächlich dafür, dass im ersten Halbjahr 2021 nur rund 1.300 Menschen mit einem Aufenthaltstitel für eine anerkannte Berufsqualifikation zugewandert sind. Die langen Verfahren und die fehlende Zusammenarbeit der unterschiedlichen Behörden – Ausländerbehörden, Anerkennungsstellen, Arbeitsagenturen, Botschaften –, die die Vorgaben auch noch unterschiedlich auslegten, seien ein weiterer Grund. 

Praktische Schwierigkeiten

Eine neue Analyse der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitsgeberverbände (BDA), die sich auf Erfahrungen von Mitgliedsbetrieben stützt, kommt zu ähnlichen Ergebnissen. Hat ein Unternehmen in seiner Personalnot passende Bewerber an der Hand, scheitert deren Weg nach Deutschland oftmals auch daran, dass bei der zuständigen deutschen Auslandsvertretung kein Termin zu bekommen ist. Ein anderes Problem sei die „uneinheitliche Rechtsanwendung der beteiligten Behörden“. So hätten die deutschen Botschaften je nach Bundesland unterschiedliche Vorgaben, welche konkreten Unterlagen man für Visaanträge einreichen müsse; hier seien einheitliche Regeln nötig. 

Ein Teil des Problems bestehe auch darin, dass eine Digitalisierung der Verfahren mit kompatiblen Schnittstellen bei den Bundes-, Landes und Kommunalbehörden auf sich warten lässt. Dokumente müssten ständig per Post hin- und hergeschickt werden – zwischen den Ämtern ebenso wie zwischen dem Arbeitgeber und seinem Bewerber im Ausland. Schnellere, schlankere und serviceorientierte Verwaltungsverfahren seien daher dringend notwendig.