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Digitales Geld – Sorgfalt vor Schnelligkeit

06.10.2020Artikel
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Ist Bitcoin Geld? Wird Libra den Zahlungsverkehr revolutionieren? Verschwindet das Bargeld und wird durch digitales Zentralbankgeld ersetzt? Dies sind nur einige der Fragen, die zeigen, dass Digitalisierung und technologischer Fortschritt auch vorm Geld, dem unverzichtbaren Schmiermittel der Marktwirtschaft, nicht Halt machen.

Während wir in der allgemeinen Digitalisierung einen unvermeidbaren und auch wünschenswerten Strukturwandel erkennen, der uns – Stichworte „Smart Home“, „autonomes Fahren“, „Internet of Things“, „Datenökonomie“ – auf ein bequemeres Leben in der Zukunft hoffen lässt, scheinen Chancen und Risiken beim Thema „digitales Geld“ in einem weniger eindeutigen Verhältnis zueinander zu stehen. Die auf diesem Gebiet erkennbaren Innovationen werden sowohl von den Noten- als auch von den Geschäftsbanken nicht zuletzt als Eingriff in eine effizient austarierte und funktionierende Infrastruktur der Marktwirtschaft wahrgenommen.

Und das nicht ohne guten Grund: Zwar ist es stichhaltig, dass die verschiedenen Innovationen mit erleichterten Bezahlvorgängen, einer Vertiefung der finanziellen Inklusion oder gar als Voraussetzung für die Fabrik der Zukunft – Stichwort programmierbarer Euro – beworben werden. Die möglichen tiefergehenden Auswirkungen auf unsere bestehende Geldordnung sind aber allenfalls oberflächlich bekannt. Sie zu verstehen, wird noch ein erhebliches Maß an Forschung und Analyse erfordern. Gerade vor dem Hintergrund, dass die EU-Kommission im September einen Regulierungsentwurf für Stablecoins vorgelegt hat und die EZB Anfang Oktober in einer Veröffentlichung das Potenzial von digitalem Zentralbankgeld (CBDC) ausgelotet hat, bildet ein tieferes Verständnis der Grundlagen unserer Geldordnung eine wichtige Voraussetzung dafür, digitales Geld in die Praxis umzusetzen.

Digitales Geld: Neue Wettbewerber – aber welcher Wettbewerb?

Bislang gehen die Initiativen für digitales Geld von Unternehmen der Privatwirtschaft aus, nicht zuletzt auch von den global tätigen Plattform-Unternehmen. Sie haben Geld und Währung als Wettbewerbsfeld entdeckt. Das ist nicht unbedingt überraschend, denn Wettbewerb zwischen Währungen und verschiedenen Zahlungsverkehrsmitteln hat es immer schon gegeben und gehört zum wirtschaftlichen Alltag. Mit dem Vordringen der Distributed Ledger Technologie (DLT) in die Sphäre von Geld und Währung entstehen jedoch neue, bisher nicht gekannte Formen des Wettbewerbs. Die mit dieser Technologie möglichen Geldformen konfrontieren Politik und Wirtschaft mit komplexen regulativen und praktischen Herausforderungen.

Unbestritten ist, dass die Bewertung der innovativen Herausforderungen und die zu findende regulatorische Antwort zuallererst davon abhängen werden, ob die digitalen Geldformen eine eigenständige Währung bilden. Dann entstünde ein Währungswettbewerb im klassischen Sinne zwischen der digitalen Währung und den etablierten Papiergeld-Währungen. Dies wäre dann schlussendlich ein Wettbewerb um die für das Wirtschaftssystem relevante Recheneinheit.

Die Bereitstellung einer Währung wird in unserem heutigen globalen Wirtschaftssystem als die ureigenste Aufgabe nationaler Regierungen erachtet. Das mag oberflächlich betrachtet ineffizient erscheinen, zumal heutige Währungen nicht mehr über einen Anker im klassischen Sinne, wie zum Beispiel Gold, verfügen, sondern in aller Regel reine Papiergeld-Währungen sind. Regierungen sehen in der nationalen Währung aber ein zentrales Instrument, um Finanzstabilität, Sicherheit und Effizienz der Zahlungssysteme, fairen Wettbewerb und Währungssouveränität garantieren zu können.

Bestrebungen privater Unternehmen, eigene digitale Währungen mit einem die nationalen Grenzen überschreitenden digitalen Währungsraum und unter Umgehung des bestehenden Bankensystems zu schaffen, mussten deshalb zwangsläufig energischen Widerstand auslösen, und zwar weltweit. Sowohl nationale Regierungen als auch internationale Organisationen einschließlich der EU-Kommission sind entschlossen, den Status Quo zu verteidigen. Der neue Entwurf der EU-Kommission zur Crypto Asset Regulierung einschließlich Stablecoins dürfte ein klares Signal gegen einen Währungswettbewerb mit privaten Anbietern sein.

Allerdings ist nicht auszuschließen, dass sich der „klassische“ Währungswettbewerb intensiviert. Wenn einzelne Länder digitale Formen ihrer nationalen Währung einführen – also digitales Zentralbankgeld (CBDC) –, andere aber nicht, dann erringen erstere womöglich einen Wettbewerbsvorteil. Diesen könnten sie nutzen, indem sie ihre Form von CBDC für den Zahlungsverkehr auf globalen Plattformen bereitstellen. Die Digitalisierung könnte dann ein mächtiges Werkzeug darstellen, um einzelne Währungen als Tauschmittel zu internationalisieren und somit ihre globale Bedeutung zu stärken. Die EZB hat in ihrer Veröffentlichung in großer Klarheit auf die Risiken einer international nicht abgestimmten Einführung von CBDC hingewiesen.

CBDC: Digitalem Zentralbankgeld fällt eine wichtige Rolle zu

Deshalb ist es wichtig, dass sich die Notenbanken dem innovativen Prozess nicht entziehen. Die EZB hat diesen Aspekt bereits deutlich hervorgehoben. Erst CBDC stellt sicher, dass staatliches Geld die relevante Recheneinheit bleibt und Notenbanken ihre geldpolitische Unabhängigkeit erhalten können. Auch gilt es zu bedenken, dass die Bürger in einer digitalen Welt die Möglichkeit haben müssen, mit staatlichem Geld zu bezahlen.

Es bestehen also gute Gründe dafür, ein CBDC für Bürger und Unternehmen einzuführen. Die notwendige Debatte um die Ausgestaltung von CBDC und der „richtigen“ Geldarchitektur ist allerdings sehr vielschichtig; die Notenbanken sind daher zurecht zurückhaltend in vorschnellen Bewertungen und betonen sehr dezidiert die vielfältigen Risiken einer solchen Innovation. Die EZB hat nun nachdrücklich bekräftigt, dass die Einführung von CBDC die Funktionsfähigkeit der bestehenden Geldordnung, insbesondere aber des zweistufigen Bankensystems von Geschäftsbanken und Notenbanken, nicht beeinträchtigen darf. Dies wird nur dann möglich sein, wenn die Emission von CBDC nicht in den Händen der Notenbanken selbst liegen, sondern Aufgabe der Geschäftsbanken sein wird.

Fazit zur digitalen Transformation des Geldes

Die digitale Transformation des Geldes wird nicht aufzuhalten sein. Beide Geldformen – privates wie auch öffentliches – werden sich dieser Entwicklung nicht entziehen können. Dabei gilt in Gelddingen ganz besonders, dass Genauigkeit Vorrang vor Schnelligkeit haben muss. Allerdings darf dies keine Ausrede für das Verschleppen von Entscheidungen sein. Denn andere Länder, insbesondere in Asien, sind Europa zum Teil um Jahre voraus.

Gleichwohl gilt: Wer sich von den verschiedenen Ausprägungen eines digitalen Geldes eine goldene Zukunft verspricht, ist nur dann ehrlich, wenn er zuvor die Auswirkungen auf die Geldordnung analysiert und offengelegt hat. Digitales Geld, insbesondere auf Basis der Distributed Ledger Technologie, mag eine technologische Herausforderung sein, die bewältigt werden wird. Digitales Geld darf jedoch nicht zu einer ordnungspolitischen Zumutung werden, die die Funktionsfähigkeit der Marktwirtschaft beeinträchtigt.

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Juliane Weiß

Pressesprecherin für Regulierung der Finanzmärkte, Einlagensicherung, Finanzbildung, Steuern, Geldwäsche und Finanzfritzen/Instagram

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