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Einzelhandel und Corona: Herausforderungen so vielfältig wie die Branche

11.12.2020Artikel
Ulrich Binnebößel
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Die Corona-Krise hat eines deutlich gemacht: Handel ist nicht gleich Handel. Die Vielfalt der Sortimente, die unterschiedlichen Betriebstypen und Standorte, die verschiedenen Vertriebskanäle zeigen, wie vielfältig der Handel heute ist. Alteingesessene Unternehmer, die ihr Geschäft in enger Verbundenheit mit der Region und ihren Kunden führen, stehen im Wettbewerb mit E-Commerce Händlern, die ihr Geschäft zu 100 Prozent digitalisiert haben. Der Lebensmittelhandel sieht sich einer extremen Nachfrage gegenüber, gleichzeitig bricht das Geschäft bei Textilien ein. Noch nie war es herausfordernder, die Entwicklungen im Handel in seinen unterschiedlichen Ausprägungen zu verstehen und zu erklären wie in diesen Corona-Zeiten.

Das liegt selbstverständlich auch an den sehr unterschiedlichen Auswirkungen der Corona bedingten politischen Maßnahmen auf die Handelsunternehmen. Aber auch ein sich veränderndes Kundenverhalten wirkt sich auf einzelne Branchen sehr unterschiedlich aus. Gemeinsam ist aber allen Unternehmern das Bewusstsein, dass schnelle Reaktionen und Anpassungen ihrer Geschäftsprozesse essentiell sind. Politische Vorgaben müssen befolgt, neue Kundenansprüche erfüllt werden. Das Sprichwort „Handel ist Wandel“ beschreibt die Herausforderungen in diesen Zeiten einer kaum vorstellbaren Dynamisierung treffender denn je.

Erster Lockdown: zwischen Stillstand und Umsatzrekord

Der erste Lockdown im Frühjahr kam überraschend. Viele Händler mussten von heute auf morgen durch Anordnung ihr Geschäft schließen und blieben auf ihrer Ware sitzen. Andere Händler konnten hingegen die enorme Nachfrage nur mit allergrößten Anstrengungen erfüllen, Stichwort Hamsterkäufe. Entsprechend unterschiedlich waren die zu bewältigenden Herausforderungen. Während die einen um ihre Geschäftsgrundlage bangen und auf Hilfen angewiesen sind, müssen die anderen die Versorgung aufrechterhalten und sehen sich einer nie dagewesenen Nachfrage gegenüber – nicht nur nach Toilettenpapier. Konsumenten saßen nun im Homeoffice und bestellten plötzlich vermehrt online. 

Die Hilfen für die Lockdown-Händler mussten in dieser Situation einerseits auf die direkten Liquiditätsbedürfnisse der Unternehmen abgestimmt werden, andererseits aber auch eine Perspektive für die Zukunft bieten. Überbrückungshilfen waren die politische Antwort, aber auch Angebote und Hilfestellungen zur Digitalisierung der Geschäftsprozesse und zur Verbesserung der Wahrnehmbarkeit im digitalen Raum. 

Ganz andere Themen wurden im Lebensmittelhandel relevant. Um die Regale gefüllt zu halten, wurden beispielweise Sonn- und Feiertagsfahrverbote gelockert und Lenk- und Ruhezeiten flexibler gestaltet. Insgesamt wurde an allen Stellen dafür gesorgt, dass die Logistik stabil bleibt. Mit Erfolg. 

Der Sommer: zwischen Hoffen und Bangen

Nach einem holprigen Wiederanlauf der Wirtschaft und des Handels – man erinnere sich an die seltsame 800 qm-Regelung – zeigten sich ab Mai zunächst Normalisierungstendenzen. Nachfragespitzen glätteten sich, Nachfrageschwund egalisierte sich. Dennoch war die Zeit zwischen Mai und Ende September nicht ohne Herausforderungen, auch in der Kommunikation mit Blick auf die schwierige Lage im Handel. Denn die Nachwirkungen des Shutdowns großer Teile des Handels bleiben weiterhin deutlich spürbar: Umsatzausfälle lassen sich nicht mehr aufholen, viele Händler waren und sind nach wie vor auf Hilfen angewiesen. Dies zeigt nicht zuletzt auch die Diskussion um die Lastenteilung bei Gewerbemieten, die aus Handelssicht bis heute nicht zufriedenstellend geklärt ist.

Lockdown 2.0: alles bleibt anders

Ende Oktober wurde deutlich, dass eine zweite Corona-Welle bevorsteht, Einschränkungen des gesellschaftlichen Lebens zeichneten sich ab. Auch wenn der Handel nicht zu den direkt von den neuen Verordnungen betroffenen Branchen zählte, waren die Auswirkungen deutlich und mussten gegenüber Politik und Öffentlichkeit erläutert werden. Denn wo Kunden die Läden meiden, also keine Frequenzen zu erwarten sind, wird auch kein Umsatz gemacht. Diese einfache Formel muss sich allerdings auch in den Überbrückungshilfen wiederfinden. Das verständlich zu machen, war und ist eine wichtige Kommunikationsaufgabe in Richtung Politik, da das Anliegen bei vielen Entscheidern nur widerwillig aufgenommen wurde. 

Auch das wichtige Weihnachtsgeschäft, das in vielen Bereichen einen Großteil des Jahresumsatzes ausmachen kann, läuft nur langsam an. Kein Wunder, wenn einerseits der Appell an die Bürger lautet, zu Hause zu bleiben, andererseits aber der Handel besucht werden will. Im Ergebnis konnte aber vermittelt werden, dass es vorbildliche Hygienekonzepte in allen Unternehmen gibt, die den Einkauf auch in Pandemiezeiten sicher machen. 

Ein Corona-Zwischenfazit: Handel behauptet und entwickelt sich

Die Krise ist nicht zu Ende. Virologen warnen, Politik reguliert nach, Verbrauchergewohnheiten ändern sich im Schnellverfahren. Der Handel wird sich an alle Änderungen anpassen, auch wenn es ‚den Handel‘ als solchen nicht gibt. Handelsunternehmen werden sich weiterentwickeln und Handelsunternehmen werden verschwinden. Neue Handelsformen werden entstehen, neue Technologien werden neue Kundenbedürfnisse erfüllen. Im Zentrum des Handels steht der Kunde, eine Erkenntnis, die so alt ist wie der Handel selbst, nie in Vergessenheit gerät und dennoch häufig bemüht wird, um neue Entwicklungen anzustoßen.

Es bleibt weiterhin Aufgabe zu verhindern, dass durch die Corona-Krise ansonsten gesunde Unternehmen in große Bedrängnis geraten. Eine vielfältige Handelslandschaft, stetiger und intensiver Wettbewerb, effiziente Prozesse und funktionierende Lieferketten sind das Rückgrat eines florierenden Handels und müssen erhalten bleiben. Denn nur so können Kunden das finden, was sie suchen: vielfältige Produkte zu guten Preisen, in hoher Qualität und mit kompetenter Beratung.