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EU-Taxonomie: Kulturwandel im Kreditgeschäft?

28.01.2021Artikel
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„EU-Taxonomie läutet Kulturwandel ein“ oder auch „Warnung vor Belastung durch Sustainable Finance“ – dies sind nur zwei Überschriften, die beispielhaft zeigen, dass die Diskussion um die Finanzierung ökologisch nachhaltiger Wirtschaftsaktivitäten auch medial an Fahrt aufgenommen hat. Von zentraler Bedeutung bei den gesetzgeberischen Aktivitäten ist dabei die EU-Taxonomie: Sie definiert, was künftig als nachhaltige wirtschaftliche Aktivität klassifiziert werden kann und ist Kerninstrument des EU-Aktionsplans „Sustainable Finance“. Die Taxonomie gilt für Markteilnehmer, die Finanzprodukte als ökologisch nachhaltige Investitionen anbieten. Auch sind Unternehmen und Finanzinstitute betroffen, die für die nicht-finanzielle Berichterstattung Klima- und Umweltdaten veröffentlichen müssen. Mit anderen Worten: Gerade auf die Banken kommt mit der Taxonomie einiges zu. Aber was heißt das für das Kreditgeschäft?

Die sechs Umweltziele der EU 

Zunächst eine kurze Einordnung: Die Taxonomie definiert eine Wirtschaftsaktivität dann als ökologisch nachhaltig, wenn sie einen positiven Beitrag zu einem der sechs EU-Ziele 

  • Klimaschutz,
  • Anpassung an den Klimawandel,
  • nachhaltige Nutzung und Schutz der Wasser- und Meeresressourcen,
  • Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft,
  • Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung sowie Schutz und Wiederherstellung der biologischen Vielfalt und der Ökosysteme 

leistet, keines der fünf anderen Umweltziele erheblich beeinträchtigt („Do No Significant Harm“) und soziale Mindeststandards einhält.

Aus unserer Sicht positiv: Die Taxonomie ist ein flexibles Instrument, denn sie berücksichtigt technologischen Wandel, Wissenschaft sowie neue Wirtschaftstätigkeiten und Daten. Sie ist keine verpflichtende Investmentliste und bietet grundsätzlich auch keine abschließende Aussage über das Risiko einer Investition. Doch steht für die EU-Kommission auch der Prüfauftrag im Raum, die Taxonomie um eine sogenannte Brown-List zu erweitern. Aus Sicht des Bankenverbandes sollten der Wirtschaft gegenüber eher Anreize wirksam und die Idee nicht weiterverfolgt werden. 

Studie von UNEP FI und EBF zur EU-Taxonomie

Ungeachtet ihrer Flexibilität: Die komplexe, zum Teil als sperrig bezeichnete EU-Taxonomie in der Praxis anzuwenden wird eine Herausforderung darstellen. Weitere konzeptionelle Arbeiten sind unabdingbar, um sie an das Kreditgeschäft von Banken anzupassen. Erste Umsetzungsprojekte geben aber Orientierung und zeigen Chancen sowie Herausforderungen.

Für den Finanzsektor besonders interessant ist der jüngst veröffentlichte Abschlussbericht eines Projekts der United Nations Environment Programme Finance Initiative (UNEP FI) und der European Banking Federation (EBF). Von Januar bis August 2020 haben 25 europäische Banken die Taxonomie in über 40 live bzw. kurz zuvor abgeschlossenen Transaktionen in Kernbereichen der Institute erprobt. 

Nach den dabei gewonnenen Erkenntnissen liegen die Hauptvorteile der Taxonomie darin, 

  • den Kunden Orientierungshilfen zu geben; je besser dies gelingt, umso mehr Vertrauen kann aufgebaut werden, 
  • eine homogene Bewertung der Umweltperformance und Übergangspfade der Kunden zu ermöglichen, 
  • die Verfügbarkeit und Qualität von Unternehmensdaten für Nachhaltigkeit zu verbessern, 
  • gleiche Wettbewerbsbedingungen in der Bankenbranche zu schaffen
  • und last but not least das berüchtigte „Greenwashing“ zu reduzieren, wenn nicht sogar zu verhindern. 

Das Projekt benennt zudem eine Reihe von operativen Herausforderungen und Empfehlungen für die weitere Arbeit mit der Taxonomie. Aktuell startet die Phase 2 des Projekts. Jetzt geht es an die Umsetzung der Empfehlungen für den Bankensektor. Im Blickpunkt stehen dabei die Möglichkeiten methodischer Datenerhebung für Taxonomie-relevante Informationen sowie die Ausarbeitung von Branchenrichtlinien für die Umsetzung und Anwendung der EU-Taxonomie auf Kernbankprodukte. Daran arbeiten neben EBF und Bankenverband auch verschiedene Branchengremien.

Für den Immobiliensektor etwa hat die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen die Anwendung der Taxonomie anhand bereits existierender Gebäude geprüft. Im Kern geht es um die Frage, wie die Anwendung der Taxonomie den Bewertungsprozess von Finanzinstitutionen und Investoren beeinflusst und welche ganz konkreten Nachweise für die Einhaltung der quantitativen und qualitativen Schwellenwerte erbracht werden können. Studienergebnisse werden für Februar 2021 erwartet. 

Anwendungsfragen der Taxonomie im Kreditgeschäft 

Grundsätzlich liegt der Fokus der Taxonomie auf Investitionen und damit auf der Geldanlageseite, dafür ist sie gebaut. Die Anwendung der Taxonomie im Kreditgeschäft ist freiwillig. Immer mehr Unternehmen wollen jedoch wissen, welchen Einfluss die Taxonomie auf den Kreditprozess hat. Zudem wird die EU-Taxonomie weltweit wahrgenommen, weitere Länder verabschieden eigene Taxonomien. Es ist also sinnvoll, Beratungskompetenz zu entwickeln – um auf Fragen der Kunden vorbereitet zu sein und aktiv an der Sustainable-Finance-Diskussion teilzunehmen, anstatt vom Spielfeldrand aus zuzuschauen. 

Da die Taxonomie ursprünglich für den Kapitalmarkt entwickelt wurde, ist eine Eins-zu-Eins-Übertragung auf das Kreditgeschäft nicht ohne weiteres möglich. So lassen viele Kreditprodukte keine klare Verbindung zu den finanzierten Aktivitäten zu. Unternehmensdarlehen beispielsweise sind häufig nicht mit einer bestimmten Wirtschaftstätigkeit verbunden. Diese Verknüpfung gibt es nur bei zweckgebundenen Darlehen oder Projektfinanzierungen.

Zudem fehlt es Banken grundsätzlich meist an Daten aus der Realwirtschaft etwa zu CO₂-Emissionen als Basis für eigene Einschätzungen und Aktivitäten. Vor allem größere Unternehmen messen bereits ihre Emissionen und stellen diese Informationen bereit. Bei kleinen Unternehmen ist die Datenlage hingegen schwieriger. Ein Projekt der Mittelstandsinitiative „Energiewende und Klimaschutz“ zeigt jedoch, dass es grundsätzlich auch für kleinere Unternehmen möglich ist, ihre CO₂-Emissionen zu erheben. 

Um Datenlücken zu schließen, kann es helfen, Methoden zu entwickeln, die eine Nutzung sektorspezifischer Schätzungen oder von Proxy-Werten ermöglichen. Auch brauchen Anwender der Taxonomie mehr Klarheit und Unterstützung, etwa durch die konkretere Benennung der Erwartungen bei der „Due Diligence“ zu den Do-No-Significant-Harm-Kriterien, der Einhaltung der sozialen Mindeststandards sowie der Umsetzung des Proportionalitätsgedankens. 

Ausblick zur Entwicklung der Taxonomie

In den nächsten Monaten sind im Bereich Sustainable Finance viele neue Entwicklungen zu erwarten. Der Bankenverband unterstützt das Ziel der EU-Kommission, mit der Taxonomie ein Klassifizierungssystem mit einheitlichen Begrifflichkeiten für nachhaltige wirtschaftliche Tätigkeiten zu schaffen und auszubauen. 

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Torsten Jäger

Themengruppenleiter, Director

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