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EZB-Klimastresstest: Ein weiterer Meilenstein im Kampf gegen den Klimawandel

06.07.2022Artikel
Torsten Jäger
Stefan Götz
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Welche Strategie verfolgt Europa im Kampf gegen den Klimawandel? Nicht nur Verbraucherinnen und Unternehmen verlieren derzeit ab und an den Überblick. Auch manche Nachhaltigkeitsfachleute in Banken fragen sich, welche Maßnahmen für mehr Klimaschutz gerade aktuell sind. 

Was steht auf der Prioritätenliste ganz oben? 
Welche Regelungen kommen wann? 
Wie hängt welche Ausgestaltung von welcher übergreifenden Vorgabe ab? 
Und: Wie passt am Ende alles zusammen? 

Klimawandel erfordert fokussiertes Vorgehen

Der europäische Gesetzgeber, die Kommission und die nachgeordneten europäischen und nationalen Aufsichtsbehörden diskutieren derzeit zahlreiche Klimaschutz-Initiativen, die sämtliche Teilbereiche des Bank- und Kapitalmarktrechts betreffen. Zudem sollen sie möglichst schnell, teilweise gleichzeitig, auf den Weg gebracht werden. Das verlangt allen Beteiligten Nervenstärke und Durchhaltevermögen ab, um nicht den Überblick zu verlieren. Dabei sind alle – vor allem aber die Banken – auf ein überzeugendes Gesamtkonzept angewiesen. Nur so können sie eine schlüssige Implementierung gewährleisten. Eine Implementierung, die sie auch glaubwürdig vertreten können – gegenüber ihren Kunden und Geschäftspartnern sowie gegenüber allen anderen Stakeholdern, die in der einen oder anderen Form betroffen sind.  

Die Menge der gleichzeitig initiierten Gesetzes- und Regelungsinitiativen ist eine logische Folge der Größe, Bedrohlichkeit und Komplexität des Klimawandels. Die Uhr tickt. Die Transformation unserer Wirtschaft ist und bleibt das drängendste Thema unserer Zeit. Es wird stetig und vor allem immer schneller wärmer auf der Welt. Europa will dagegenhalten und der erste klimaneutrale Kontinent werden – das ist das erklärte Ziel. Dieser Ehrgeiz ist richtig und wichtig. Umso mehr müssen wir uns auf die dringendsten Maßnahmen festlegen und diese nach Kräften umsetzen. 

Was ist vom EZB-Klimastresstest zu erwarten?

Klimarisiken zu managen ist ein zentrales Thema im Bankensektor. Dabei wird diese Aufgabe besonders herausfordernd durch den langen Zeithorizont, fehlende historische Daten und die bislang noch mangelnde Datenverfügbarkeit und -qualität von Nachhaltigkeitsinformationen. Risikomanagement und ausreichend Kapital bleiben insofern wichtig, sind aber möglicherweise nicht die entscheidenden Hebel. Denn wenn Banken allzu konservativ Vorsorge betreiben, schränkt das ihre Handlungsfähigkeit über Gebühr ein. Helfen würde dann nur der Blick nach vorne auf die strategische Ausrichtung von Instituten und Unternehmen. Umso wichtiger ist es für die Banken, Nachhaltigkeit in der Strategie und im Kreditprozess zu verankern. Denn eines ist völlig klar: Für einen kurzen, absehbaren Zeitraum lassen sich Banken mit mehr Kapital schützen. Auf lange Sicht hilft aber nur ein angemessenes und funktionierendes Geschäftsmodell. 

Genau bei dieser Fragestellung könnten die Ergebnisse des EZB-Klimastresstests nun endlich einen entscheidenden Fortschritt bringen. Rückblickend wirkt völlig unerheblich, dass sich insbesondere die technische Plattform der EZB zum Stresstest erneut als wackelig präsentiert hat. Potenzial gibt es in Zukunft sicherlich auch noch bei schnell funktionierenden Kommunikationskanäle für dringende Abstimmungen. Zählen könnte am Ende eines: Werden die rechnerischen Ergebnisse der Banken so unauffällig sein, wie derzeit erwartet wird? Dann würde sich ein ähnliches Bild wie beim Klimastresstest der Bank of England und anderer Stresstests zuvor ergeben. Insgesamt wären die Verluste für den Bankensektor demnach verkraftbar.

Freiraum für Finanzierung der Transformation 

Eine ehrliche Bestandsaufnahme der Bankenaufseher vorausgesetzt, könnten die Banken ihre Kräfte dann auf die Finanzierung der Transformation konzentrieren. Sie könnten als Teil der Lösung ihre Kunden bei der Transformation begleiten und ihrer Rolle als Hebel für mehr Klimaschutz gerecht werden. Die Europäische Kommission schätzt, dass allein für das Ziel, die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 55 Prozent zu senken, ein zusätzlicher Investitionsbedarf von 390 Milliarden Euro erforderlich ist – und das pro Jahr. Hinzu kommen jährlich 130 Milliarden Euro für weitere Umweltziele wie Biodiversität und Kreislaufwirtschaft. Banken müssen und wollen das zum großen Teil finanzieren. Die Aufsicht hat es in der Hand, den notwendigen Freiraum für Finanzierungen zu geben: indem aus dem “Lernpfad Klimastresstest“ wichtige Daten, aber keine Kapitalanforderung abgeleitet werden.