Wasserzeichen
FinanzbildungWirtschaftDigitalisierung

Fachkräfte dringend gesucht

24.03.2022Artikel
Julia Topar
Dr. Henrik Meyer
background
hero

Die Bauvorhaben der neuen Bundesregierung für die kommenden Jahre sind immens: Die Zahl der jährlich zu errichtenden Windräder – derzeit 450 – soll verdreifacht, marode Brücken müssen saniert, immer noch fehlende Glasfaserkabel verlegt werden. Nicht zuletzt will die Ampelkoalition 400.000 neue Wohnungen im Jahr schaffen, ca. 100.000 mehr als gegenwärtig – und alle mit Solaranlagen auf dem Dach. Problem an der Sache: Für all das braucht es Fachkräfte, die aber sind bereits jetzt knapp. Und die demografische Entwicklung wird diese Tendenz noch verstärken.

Fehlende Arbeitskräfte im Baugewerbe

Verbände und Experten warnen davor, dass schon die 100.000 zusätzlichen Wohnungen im Jahr an zu wenig Personal scheitern könnten. So geht der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) davon aus, dass allein für dieses Vorhaben 45.000 Fachkräfte fehlen – insbesondere in den Bereichen Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik sowie in der Bauelektrik. Noch nicht eingerechnet in diesen Schätzungen ist die energetische Gebäudesanierung, für die ebenfalls zusätzliches Personal benötigt wird. Die Gewerkschaft IG Bau geht nach ersten internen Schätzungen sogar davon aus, dass für die Wohnungsoffensive im Bauhaupt- und Ausbaugewerbe zwischen 80.000 und 100.000 Erwerbstätige zusätzlich gebraucht werden. Auf diese Größenordnung kommt auch das Bundesinstitut für Berufsbildung in einer Ende 2021 veröffentlichten Analyse: Demnach würden im Jahr 2025 in den Bauberufen rund 94.000 Arbeitskräfte zusätzlich gebraucht.

Aber ist es realistisch, dass diese fehlenden Beschäftigten in den kommenden Jahren eingestellt werden? Gerade im Baugewerbe und in den vorgelagerten Zulieferindustrien dürfte der Fachkräftemangel in den kommenden Jahren besonders zuschlagen: Einer Statistik der Bundesagentur für Arbeit zufolge gehören auf Fachkraftebene fast ausschließlich Berufe aus diesen Bereichen zu den 15 Berufen mit den größten demografiebedingten Engpässen. Demnach fehlen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor allem im Tiefbau, in der Energietechnik, im Rohrleitungsbau und der Baustoffherstellung. Ansonsten schaffen es nur die Alten- und die Krankenpflege in die Rangliste der Knappheiten. 

IT-Fachkräfte gesucht – auch in den Kommunen

Doch nicht nur Fachkräfte in Bau- und Handwerksberufen sind gefragt, auch Expertinnen und Fachkräfte in Elektro- und Energieberufen sowie Informatiker werden gesucht – nicht zuletzt mit Blick auf die anstehende Dekarbonisierung und Digitalisierung der deutschen Wirtschaft. Befragungen des IW Köln haben Ende November ergeben, dass rund 60 Prozent der größeren Unternehmen für die Entwicklung klimafreundlicher Produkte und Technologien in den kommenden fünf Jahren einen steigenden Bedarf an IT-Experten erwarten. Schon Ende 2021 hätten aber rund 40.000 Informatiker gefehlt und dazu viele beruflich qualifizierte Fachkräfte in den Elektroberufen.

Engpässe könnten aber auch dort entstehen, wo die Ziele der Bundesregierung in die Tat umgesetzt werden müssen: in den Kommunen. Wie das IW vorrechnet, ist die Zahl der Beschäftigten im Bereich räumliche Entwicklung und Planung in den vergangenen fünf Jahren nahezu konstant geblieben. Die Dauer von Planungsverfahren soll sich aber laut Koalitionsvertrag halbieren, wofür mehr Personal nötig sei. Da im öffentlichen Dienst – und ganz besonders in den Kommunen – allerdings überdurchschnittlich viele Beschäftigte kurz vor der Rente stehen, könnte dieses Unterfangen schwierig zu realisieren sein. Hinzu kommt: Gut qualifizierte IT-Mitarbeiter zieht es wegen der attraktiveren Verdienstchancen oft eher in die Privatwirtschaft als in den öffentlichen Dienst.

Maßnahmen gegen Fachkräftelücke

Die Bundesregierung selbst warnt in Gestalt ihres Wirtschaftsministers vor einer dramatischen Fachkräftelücke und spricht sich für mehr Zuwanderung etwa mittels eines Punktesystems aus. Außerdem verweist der Bundeswirtschaftsminister auf die 10 Prozent der jungen Leute, die die Schule ohne einen Abschluss verließen. Laut Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) liegen die meisten Berufe, bei denen sich Knappheiten abzeichnen, im mittleren Qualifikationsspektrum. Deshalb müsse die berufliche Ausbildung gestärkt werden, die über Jahre an Attraktivität verloren habe. Kleine und mittelgroße Unternehmen sollten mit Blick auf ihre digitale Ausstattung und Lehrtechniken eine spezielle Unterstützung bekommen.