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Künstliche Intelligenz – Wird die Maschine der bessere Banker?

14.06.2018Artikel
Christian Jung
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10. Februar 1996: „Deep Blue“, ein von IBM entwickelter Schachcomputer schlägt erstmals in einer Partie unter Turnierbedingungen einen amtierenden Schachweltmeister. Damals eine Sensation. Eine Maschine hatte mit bloßer Rechenkraft über den menschlichen Geist triumphiert. 13. Juni 2018: Medien berichten über ein Experiment an der Universität Heidelberg, in dem ein Rechner bei der Früherkennung von Hautkrebs anhand von Hautverfärbungen mehrere Dutzend praktizierende Dermatologen in den Schatten stellt. – Ist es nur eine Frage der Zeit, bis Künstliche Intelligenz (KI) den Menschen ebenso in vielen anderen Bereichen, etwa bei der Finanzberatung, übertrifft?

Die Teilnehmer des gestrigen Gesprächs in der Burgstraße, das sich diesem Thema widmete, waren sich jedenfalls darin einig, dass Künstliche Intelligenz (KI) zu den größten Treibern des digitalen Wandels gehört. „KI ist der nächste bedeutende Entwicklungsschritt in unserer zunehmend datengetriebenen Welt. Er wird viele Branchen umkrempeln und auch das Banking nachhaltig verändern, sagte Andreas Krautscheid, Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes, der zur Veranstaltung geladen hatte.

Wachstumstreiber KI – noch mit Vorbehalten in der Bevölkerung

In der Bevölkerung wird das Thema allerdings noch skeptisch beurteilt, wusste Krautscheid anhand einer aktuellen Umfrage des Bankenverbands zu berichten. Zwar hätten drei Viertel der Deutschen den Begriff „Künstliche Intelligenz“ schon gehört, und viele könnten sich auch vorstellen, KI-Anwendungen zu nutzen – immerhin auch 40 Prozent Voice-Banking per Sprachassistent. Doch knapp zwei Drittel der Befragten (63%) sehen überwiegend Risiken in KI, nur für 37 Prozent stehen die Chancen im Vordergrund.

Es sei wichtig, so Krautscheid, Unbehagen gegenüber KI ernst zu nehmen. Wer der neuen Technologie Akzeptanz verschaffen wolle, müsse sich mit den teilweise kritischen, und auch berechtigten Fragen auseinander setzen. Die privaten Banken wollten dies tun, aber mit einer optimistischen, positiven Grundhaltung. „Denn wir wollen vorne mit dabei sein, wenn es darum geht, die Chancen der neuen Möglichkeiten für die Banken und ihre Kunden zu erschließen.“ In der Finanzindustrie stehe mit der Anwendung von KI auch das wichtigste Gut der Banken vor einer Prüfung: das Kundenvertrauen.

In der Diskussionsrunde, die sich der Begrüßung Krautscheids anschloss, und von Thomas Kuhn, Technologie-Reporter Innovation & Digitales bei der Wirtschaftswoche, moderiert wurde, kamen vier Experten aus Politik, Wissenschaft, Banken und von der Börse zu Wort. Dr. Danyal Bayaz MdB, Bündnis90/Die Grünen, betonte die Notwendigkeit, KI so zu gestalten, dass es dem Allgemeinwohl diene. Dabei gab er zu bedenken, dass die ökonomische Realität den Möglichkeiten, regulierend Einfluss zu nehmen, oft weit vorauseile. Die Politik müsse darauf auch mit Veränderungen in ihren Entscheidungsprozessen reagieren. Schnelligkeit sei nicht alles, meinte er, aber gleichwohl wichtig, wenn man rechtzeitig eigene Standards setzen und durchsetzen wolle. „Hier müssen wir das Rennen aufnehmen.“

Bessere Kundenerlebnisse schaffen

Aus Sicht der Banken stehen nach Ansicht von Dr. Sven Deglow, Co-Deputy-CEO und Chief Customer Officer bei der Consorsbank, bei KI zwei Dimensionen im Vordergrund: zum einen bessere Kundenerlebnisse zu schaffen, um damit die Kunde-Bank-Beziehung zu stärken, zum anderen die Prozesse innerhalb der Bank effizienter zu gestalten, was letztlich ebenfalls den Kunden zugutekomme. Mit Krautscheid, der dies bereits zuvor angemerkt hatte, unterstrich Deglow, dass KI schon heute im Hintergrund vieler Paymentprozesse eine wichtige Rolle spiele, wenn es um Geldwäschebekämpfung, Aufdeckung von Terrorismusfinanzierung oder allgemeine Betrugsbekämpfung gehe.

Zentrales Thema der Diskussion war die Verantwortung für KI-induzierte Inhalte. Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Maaß, Wissenschaftlicher Direktor, Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI), wies auf das Problem hin, dass die Verarbeitung großer Datenmengen mittels Algorithmen einer Art Black Box gleiche. Die Datenqualität beurteilen zu können und die verwendeten Algorithmen zumindest im Groben zu durchschauen, das unterstrich auch Grünen-Abgeordneter Bayaz, seien aber wichtige Voraussetzungen, um Verantwortung für die Güte der abgeleiteten Produkte übernehmen zu können. Dies sei gerade vor dem Hintergrund der sensiblen Daten im Finanzsektor von besonderer Bedeutung.

Vertrauen und Kundenbindung

Konrad Sippel, Head of Content Lab bei der Deutsche Börse AG, betrachtete das Thema auch unter dem Aspekt der Kundenbindung. Für sein Unternehmen, das aus der Analyse und der Verwendung von Rohdaten versucht, neuen, interessanten Content abzuleiten, spiele die Transparenz und Erklärbarkeit der Modelle gerade im B2B-Geschäft eine wichtige Rolle. Wenn der Anbieter dem Kunden nicht erklären könne, warum Ergebnisse, Anforderungen oder Preise so sind, wie sie sind, dürfte der Kunde die längste Zeit Kunde gewesen sein, meinte er.

Zum Thema Kundenvertrauen im Zusammenhang mit Datensouveränität lieferte Wissenschaftler Maaß diesen interessanten Denkanstoß: Das aktuell gängige von den großen US-Konzernen etablierte Cloud-Computing, wonach alle Daten des Kunden erst einmal zentral erfasst würden, um ihm dann auf deren Basis neue Dienstleistungen anzubieten, sei nicht alternativlos. An seinem Institut würden Modelle verfolgt, die die Software mit den notwendigen Algorithmen dezentral zum Kunden bringe, um dort lokal entsprechende Services anzubieten. Der Kunde könne dann selbst entscheiden, ob er das Angebot nutzen und welche Daten er dem Provider dafür zur Verfügung stellen wolle.

Wie sieht die Zukunft mit KI aus?

Doch haben wir in Deutschland und Europa überhaupt die richtigen Köpfe, um in der Konkurrenz mit Asien und den USA mitzuhalten? Die Antworten auf diese Frage des Moderators fielen durchweg skeptisch aus. „Nicht genug, und wir können sie auch nicht halten. Sie werden von den Apples und Amazons dieser Welt ‘weggekauft‘“, meinte etwa Professor Maaß. Da müsse mehr getan werden, auch in der schulischen und universitären Ausbildung. Zugleich plädierte er dafür, die Zusammenarbeit der führenden KI-Spezialisten zu bündeln, um Parallelforschung zu vermeiden und mit den vorhandenen Ressourcen und Kompetenzen möglichst alle Potenziale auszuschöpfen. „Wir müssen eine kritische Masse bilden!“, meinte er und warnte: „Mitunter kommen technologische Schlüsselereignisse ganz plötzlich – und dann müsse alles viel schneller gehen, als man sich das heute vorstellen kann.“  

Wie sieht die Zukunft von und mit KI in fünf Jahren aus? Für den KI-Fachmann Sippel steht fest: „Bis dahin haben wir mithilfe von KI eine hochgradige Automatisierung bei einfachen Aufgaben, ohne dass es in der Summe weniger Arbeitskräfte geben wird.“ Damit zeigte er sich mit dem Politiker Bayaz einig, dass selbst mit KI die menschliche Arbeit nicht ausgehe.

Auch für den Banker Deglow wird KI in fünf Jahren weitgehend selbstverständlich und akzeptiert sein. „Es werden neue Rollen und Berufsbilder entstanden sein, und KI wird viele Standardaufgaben übernehmen, was Menschen mehr Raum und Zeit für kreative und produktivere Tätigkeiten geben wird.“ Er teile auch nicht die Sorge, dass Banken dann gegen die großen KI-Player aus den USA oder Asien gar keine Chance mehr hätten. Wenn diese Wettbewerber mit ihren Angeboten auf den europäischen Markt drängten, unterlägen auch sie den gleichen regulatorischen Bedingungen, denen europäische Anbieter schon heute unterliegen. Technische Kompetenz allein, so Deglow weiter, reiche auch nicht aus. Man müsse schon auch über die für Bankgeschäfte relevanten Kundendaten verfügen. Da seien die heimischen Banken noch deutlich im Vorteil.

„Vielleicht aber“, ergänzte Konrad Sippel und goss damit am Ende des Gesprächs doch noch etwas Wasser in den Wein, „wird KI in fünf Jahren gar nicht alle Erwartungen erfüllt haben, die wir heute in sie setzen.“ Partielle Enttäuschungen nicht ausgeschlossen? Die Zukunft wird es weisen. – Nach Kräften daran mitzuarbeiten, dass es eine erfolgreiche wird, dazu sollten sich aber alle aufgerufen fühlen.