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Der digitale „Bürger-Euro“ braucht das Vertrauen der Menschen

01.08.2023Artikel
Christian Jung
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Jede Währung lebt von dem Vertrauen derjenigen, die sie nutzen sollen. Vom Mehrwert, den ein digitaler Euro der Bevölkerung bringen soll, weiß diese aber bislang noch recht wenig, wie eine repräsentative Umfrage des Bankenverbandes zeigt. Soll das Projekt Erfolg haben, bedarf es einer sorgfältigen Ausgestaltung ebenso wie einer kommunikativen Kraftanstrengung.

Mit ihrem kürzlich vorgelegten Gesetzesvorschlag hat die Europäische Kommission faktisch die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die Europäische Zentralbank (EZB) mit den Vorbereitungen zur Einführung eines digitalen Euros bald beginnen könnte. Digitaler Euro – damit ist in erster Linie digitales Zentralbankgeld für die Bürgerinnen und Bürger gemeint, das Banknoten und Münzen zwar nicht ersetzen, aber ergänzen soll. Es könnte etwa auf dem Smartphone in einer digitalen Geldbörse, einem sogenannten Wallet, aufbewahrt und von den Verbraucherinnen und Verbrauchern zum Bezahlen in Geschäften ebenso wie im Online-Handel genutzt werden.

Noch viele Fragen offen

Je konkreter die Pläne für eine Einführung eines digitalen Euro werden, desto stärker treten aber auch mögliche Fallstricke eines solchen Projekts in den Vordergrund. So könnte sich der digitale Euro, der im Wesentlichen aus den Einlagen der Bürgerinnen und Bürger bei Kreditinstituten gespeist wird, unter Umständen negativ auf die Stabilität des Finanzmarktes auswirken. Das wäre dann der Fall, wenn Bankkunden massenhaft ihre Einlagen abziehen und diese in digitaler Währung etwa auf einem Konto bei der EZB anlegen würden. Dies würde die Liquidität der Finanzinstitute und damit die Möglichkeiten zur Vergabe von Krediten erheblich verringern. 

Ein anderes Problem stellt die Mehrfachrolle der Europäischen Zentralbank dar. Schon heute übt sie eine Doppelfunktion als unabhängige Notenbank sowie als Aufseher der Kreditwirtschaft aus. Mit dem digitalen Euro würde sie dann zusätzlich auch noch ein Bezahlverfahren betreiben. Damit würde sie direkt in Wettbewerb mit den Banken treten und die bislang bewährte Rollenverteilung zwischen Zentralbanken und Banken aufgeben.

Projekt „digitaler Euro“ bislang kaum bekannt

Jenseits der fachlichen und technischen Fragen besteht die große Herausforderung, das Projekt den Bürgerinnen und Bürgern nachvollziehbar zu vermitteln. Denn bislang haben selbst von dem allgemeinen Begriff „digitaler Euro“ erst 43% der Deutschen gehört. Und fragt man bei diesen noch einmal nach, stellt sich heraus, dass weniger als ein Drittel (29%) der Befragten eine annähernd konkrete Vorstellung davon haben, was der digitale Euro ist und was er bringen soll. Das macht die Dimension der kommunikativen Aufgabe deutlich, die bis zu einem möglichen Start des digitalen „Euro-Zwillings“ noch zu leisten wäre. Dabei sind die Deutschen ohnehin nicht die größten Anhänger des digitalen Bezahlens. Mit 56 Prozent gibt noch immer die Mehrheit der Bevölkerung an, in Geschäften am liebsten bar zu bezahlen. Immerhin: Vier von zehn Befragten (41%), darunter vor allem Jüngere und Gutverdienende, zahlen inzwischen lieber digital.

Noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten

Und dann wären die Bürgerinnen und Bürger noch dringend vom Nutzen des neuen Zahlungsmittels zu überzeugen. Denn bislang stehen sie einem digitalen Euro noch überwiegend kritisch gegenüber. Drei Viertel der Befragten (76%) stimmen etwa der Aussage „sehr“ oder „eher“ zu, dass ein digitaler Euro nicht notwendig sei, weil die heute schon bestehenden Zahlungsmöglichkeiten vollkommen ausreichten. In der Tat gibt es bereits viele Angebote zum Bezahlen online mit girocard, Kreditkarte oder unter Nutzung von entsprechenden Zahlungs-Apps. Mehr als die Hälfte der Befragten (58%) findet digitale Zahlungen deshalb nicht gut, weil sie nicht anonym sind und damit die Privatsphäre einschränken. Und lediglich ein Fünftel der Befragten (21%) ist schließlich davon überzeugt, dass ein digitaler Euro das Bezahlen tatsächlich einfacher machen würde. 

Natürlich würde es noch einige Jahre dauern, bis es den digitalen Euro gibt. Bis dahin müsste dann allerdings nicht nur die notwendige Infrastruktur geschaffen, sondern insbesondere auch eine breite gesellschaftliche Debatte geführt werden, die die Menschen auf den Gebrauch der neuen Währung vorbereitet. 

Der digitale Euro muss bürgernah sein

Aber wie kann das Vertrauen der Bevölkerung in einen digitalen Euro spätestens bis zu seiner Einführung gewonnen werden? Im Unterschied zum ebenfalls angedachten digitalen „Geschäfts-Euro“ für den Zahlungsverkehr zwischen Unternehmen und Banken, den sogenannten Wholesale CBDC, müsste der „Bürger-Euro“ (Retail CBDC) jedenfalls viel stärker auf Befindlichkeiten der Bürgerinnen und Bürger Rücksicht nehmen. Dazu gehört vor allem auch, dass die Ausgabe des digitalen Euros und die Abwicklung aller mit ihm verbundenen Zahlungen weiterhin über die Banken läuft. Darauf legen die Deutschen jedenfalls großen Wert: Drei Viertel (76%) wünschen sich laut Umfrage des Bankenverbands die Ausgabe des digitalen Euro nicht etwa über die EZB, sondern über ihre Hausbank, und vier Fünftel (81%) wollen, dass Zahlungen ebenfalls über ihre eigene Bank abgewickelt werden. 

Der Euro ist das Rückgrat unseres Wirtschafts- und Finanzsystems. Wenn seine digitale Variante auch ein Beitrag zur Sicherung der digitalen und währungs-politischen Unabhängigkeit Europas werden soll, muss die Akzeptanz bei den Bürgerinnen und Bürgern im Zentrum der Überlegungen stehen. Letztlich werden die Verbraucherinnen und Verbraucher über die Nutzung und damit den Erfolg des digitalen Euro entscheiden.

Christian Jung
Christian JungDirector