Wasserzeichen
UmfrageGesellschaftOnlinebanking

Online ist Trumpf – und hilft über den Lockdown

11.11.2020Artikel
Christian Jung
background
hero

Die Digitalisierung der Gesellschaft schreitet unaufhörlich voran – in Zeiten der Corona-Pandemie noch schneller und tiefgreifender als zuvor. Wie die ARD/ZDF-Online-Studie 2020 zeigt, weisen nahezu alle internetbasierten Anwendungen eine deutliche Zunahme auf. Gerade in Zeiten des Lockdowns hilft das Internet offenbar, die Einschränkungen der sozialen und beruflichen physischen Kontakte ein Stück weit zu kompensieren.

Nahezu alle Online-Anwendungen im Aufwind

Was das Online-Banking betrifft, hatte schon im Frühjahr eine repräsentative Erhebung des Bankenverbandes einen sprunghaften Anstieg der Nutzerzahlen auf fast zwei Drittel (64 Prozent) der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland gezeigt. Nun liefert eine aktuelle Studie von ARD und ZDF weitere Daten zu Online-Anwendungen, die eine ebenfalls hohe Dynamik aufzeigen. Nicht nur die Zahl der Internetnutzer insgesamt stieg deutlich an, auch die Zugriffe speziell auf digitale Medien, auf Social Media und bei der Individualkommunikation haben zugelegt.

Ältere Zielgruppen holen beim Internetzugang auf

Nachdem der Anteil der Bürger mit Internetzugang seit 2017 bei rund 90 Prozent – und damit schon auf einem hohen Niveau – verharrte, ist es sehr bemerkenswert, dass er nun offenbar im Zuge des ersten im März verhängten Lockdowns auf 94 Prozent angewachsen ist. Das entspricht immerhin einem Zuwachs von rund dreieinhalb Millionen Menschen. Zu diesem Plus tragen vor allem die älteren Zielgruppen bei: Von den über 70-Jährigen gehören inzwischen drei Viertel zu den Onlinern; gegenüber 2019 wuchs der Anteil in dieser Altersgruppe um ganze 17 Prozentpunkte. Es spricht einiges dafür, dass gerade viele ältere, durch Corona gesundheitlich besonders gefährdete Menschen über das Internet vermehrt alternative Kontaktmöglichkeiten zur Außenwelt gesucht und gefunden haben. Der Chat mit den eigenen Kindern und Enkeln, der gelegentliche Online-Einkauf oder auch Online-Banking sind als gesundheitlich unbedenkliche Varianten vielfach an die Stelle des physischen Kontakts getreten.

Einfluss der Corona-Krise auf den Medienkonsum

Die Erhebung der Online-Aktivitäten fiel zwar größtenteils in die Zeit des im Frühjahr verhängten ersten Lockdowns. Gleichwohl können längst nicht alle Veränderungen gegenüber früheren Studien auf die Pandemie zurückgeführt werden. Gesichert ist allerdings, dass viele Internetangebote während des ersten Lockdowns an Nutzern und Reichweite gewonnen haben. Überdurchschnittlich nachgefragt waren unter anderem aktuelle Nachrichten, insbesondere auch Onlineangebote zu Wirtschafts- und Finanzthemen.

Ergebnisse belegen, dass der Lockdown für weite Teile der Bevölkerung nicht nur große Veränderungen in ihrem Tagesablauf bedeutete, sondern sich auch auf deren Medienverhalten auswirkte. Viele der Befragten konsumierten in dieser Zeit mehr Bewegtbild-, Radio- oder Audioangebote, lasen mehr oder kommunizierten stärker über das Internet.

Mediale Nutzung und individuelle Web-Kommunikation gestiegen

Insbesondere die Bewegtbild- und Audio-Nutzungen im Internet konnten zulegen. So ist die Tagesreichweite der sogenannten medialen Internetverwendung, also beispielsweise die Nutzung von YouTube, Mediatheken, Videoplattformen wie Netflix, Amazon oder Maxdome sowie der Konsum von Podcasts oder Musikstreaming-Dienste wie Spotify, 2020 gegenüber dem Vorjahr von 44 auf 50 Prozent angestiegen. Die altersabhängige Range ist dabei allerdings recht breit und reicht bei den aktuell gemessenen Werten von lediglich 14 Prozent bei den über 70-Jährigen bis zu 89 Prozent bei den 14- bis 29-Jährigen. Die Dauer, die die Deutschen allein mit diesen Formen des Internets täglich verbringen, stieg im gleichen Zeitraum von 99 auf 120 Minuten, was bei den Älteren einem Durchschnitt von 23 Minuten, bei den Jungen von 257 Minuten – und damit einer Dauer von über vier Stunden – entspricht.

Trotz ebenfalls steigender Tendenz etwas weniger zugenommen hat demgegenüber die Individualkommunikation im Web. Eine große Rolle spielt dabei WhatsApp, das inzwischen drei Viertel der Bevölkerung mindestens einmal wöchentlich und zwei Drittel sogar täglich nutzen. Im Vergleich zu anderen Kanälen sozialer Medien konnte es mit fünf Prozentpunkten auch am deutlichsten zulegen. Erst mit großem Abstand folgt Facebook, das rund ein Viertel der Befragten (26%) mindestens einmal in der Woche nutzt, das aber Einbußen gegenüber 2019 (31%) hinnehmen musste. Die vor allem bei Jüngeren beliebten sozialen Medien Instagram (20%) und Snapchat (9%) weisen ebenso wie Twitter (5%) und die beruflichen Netzwerke XING (4%) oder LinkedIn (4%) Steigerungsraten von ein bis zwei Prozentpunkten auf, was im Falle von LinkedIn allerdings ungefähr einer Verdoppelung der Nutzerzahl innerhalb eines Jahres entspricht.

Bemerkenswert ist, dass Corona zumindest in einem Online-Segment zu einem erkennbaren Rückgang führte, nämlich der Onlinenutzung „unterwegs“. Sie hat gegenüber 2019 bei der täglichen Nutzung von 37 auf 31 Prozent und bei der mindestens einmal wöchentlichen Nutzung von 58 auf 55 Prozent abgenommen. Doch das kann bei einer Epidemie, die die gesellschaftliche Mobilität so stark einschränkt, wie das mit Covid-19 der Fall war und ist, nicht wirklich überraschen. Erwerbstätige, die auf Homeoffice umsteigen oder aufgrund von Kurzarbeit zu Hause bleiben mussten, aber auch Schüler, Auszubildende und Studierende, deren Lehr- und Lerneinrichtungen zeitweise geschlossen waren, haben ihren Teil zu diesem besonderen „Corona-Effekt“ beigetragen.

Eine ausführliche Darstellung der Ergebnisse der ARD/ZDF-Onlinestudie 2020 geben Natalie Beisch/Carmen Schäfer, „Internetnutzung mit großer Dynamik: Medien, Kommunikation, Social Media“, in: MediaPerspektiven 9/2020, S. 462 – 481.