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Rente und Inflation

31.01.2022Artikel
Dr. Henrik Meyer
Julia Topar
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Seitdem die Inflation nach einer langen Phase der relativen Preisstabilität wieder deutlich angezogen hat, stellt sich unter anderem die Frage, inwieweit die staatliche Alterssicherung davon betroffen ist. Im System der gesetzlichen Rente wird der Inflationsanstieg nicht automatisch mitberücksichtigt, das heißt, grundsätzlich ist die staatliche Alterssicherung nicht gegen Kaufkraftverluste gefeit. Zu „besseren“ Zeiten war dies kein Problem, denn im Grundsatz folgt die Rente der Lohnentwicklung, sodass Rentnerinnen und Rentner von der steigenden Produktivität der Wirtschaft profitieren, die sich in den Lohnerhöhungen widerspiegelt – ein Vorteil im Vergleich zu einem System, das nur die Kaufkraft erhält. Durch zahlreiche Reformen im System der gesetzlichen Rente, die aufgrund des demografischen Wandels notwendig wurden, hat sich die Entwicklung der Rentenhöhe allerdings ein Stück weit von der Entwicklung der verfügbaren Arbeitsentgelte abgekoppelt; der grundsätzliche Zusammenhang allerdings bleibt bestehen.

Rentenanstieg höher als Preissteigerung

Was bedeutet das nun für den Anstieg der Rente im Vergleich zur Inflation? Waren die Rentenerhöhungen der vergangenen Jahre hoch genug, um einen Realeinkommensverlust zu verhindern? Zahlen der Deutschen Rentenversicherung (DRV) für den Zeitraum 2000 bis 2020 belegen: Ja, sie waren es. Während die Verbraucherpreise zwischen 2000 und 2020 um 32,4 Prozent gestiegen sind, erhöhte sich die sogenannte Brutto-Standardrente im Westen um 37,6 Prozent und im Osten um 53,8 Prozent. Bei der Berechnung der Standardrente wird unterstellt, dass eine fiktive Person 45 Jahre lang jedes Jahr durchschnittlich verdient und entsprechend Rentenbeiträge zahlt. Die Standardrente beläuft sich derzeit in den westlichen Bundesländern auf 1.538,55 Euro und in den östlichen („neuen“) Ländern auf 1.506,15 Euro, vor Abzug der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung und vor Zahlung von Steuern. Von den errechneten Steigerungen profitierten laut DRV aber auch die Rentner, die weniger als 45 Beitragsjahre haben.

Unterschiedliche Jahrzehnte

Laut Auswertung der Rentenversicherung verliefen die beiden Jahrzehnte allerdings höchst unterschiedlich: Von 2000 bis 2010 war die Inflation höher als der Anstieg der Renten. In diesem Zeitraum legte die Inflation den Angaben zufolge um 16,6 Prozent zu. Die Standardrente erhöhte sich von 2000 bis 2010 im Westen hingegen nur um 9,5 Prozent und im Osten um 11,7 Prozent. Dies habe nicht zuletzt an den Rentenreformen nach der Jahrtausendwende und der Finanzkrise mit der darauffolgenden Rezession gelegen, beide Faktoren drückten direkt oder indirekt (Löhne) auf die Rentenanpassungen.

Umgekehrt sah es laut der DRV-Auswertung im zurückliegenden Jahrzehnt aus: Von 2010 bis 2020 wuchs die Inflation um 13,5 Prozent. Die Standardrente stieg in dieser Zeit im Westen um 25,7 Prozent und im Osten um 37,7 Prozent. In dieser Phase lief die Konjunktur in Deutschland prächtig, die Anzahl der Beschäftigten und Beitragszahler wuchs deutlich, und damit entwickelten sich auch die Löhne und die Renten positiver. 

Sinkendes Rentenniveau

Diese auf den ersten Blick erfreulichen Resultate können allerdings nicht verbergen, dass das Rentenniveau im gleichen Zeitraum 2000 bis 2020 um fast 9 Prozent gesunken ist, allein zwischen 2010 und 2020 um knapp 7 Prozent. Unter dem Rentenniveau versteht man die Höhe der nach Abzug des Kranken- und Pflegekassenbeitrags verfügbare Standardrente im Verhältnis zum Durchschnittslohn nach Abzug des Arbeitnehmeranteils zur Sozialversicherung. Die Bundesregierung will das Rentenniveau bis 2025 konstant halten, anschließend könnte es weiter sinken. Das bedeutet nicht, dass die Rentenbeträge sinken, sondern dass sie weniger stark steigen als die Löhne der Beschäftigten. So rechnet die Bundesregierung damit, dass die Renten bis 2035 um durchschnittlich etwa 2,3 Prozent zulegen werden. 

2021: Renten haben an Kaufkraft verloren

Und die Inflation? Nimmt man den Wert aus dem vergangenen Jahr als Maßstab (3,1 Prozent) würden die Renten real weniger werden. Für das Jahr 2021 gilt das allemal, gab es doch für West-Rentner eine Nullrunde, für Ost-Rentner ein Plus von lediglich 0,72 Prozent. Dies ist auf die Lohnentwicklung im Jahr 2020 zurückzuführen: Die Löhne brachen wegen der Corona-Krise stark ein, was auch die Renten drückte. Folge: Die Rentnerinnen und Rentner haben somit 2021 deutlich an Kaufkraft verloren. 

2022 könnte es den Prognosen zufolge schon wieder besser aussehen: Ökonomen erwarten, dass die jährliche Inflationsrate im neuen Jahr wieder auf unter 3 Prozent fallen wird. Und die Bundesregierung rechnet in diesem Jahr nach vorläufigen Berechnungen mit einer Rentenerhöhung von 4,4 Prozent.