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Unternehmen und Banken: erste Welle, zweite Welle, Blick nach vorne

30.11.2020Artikel
Dr. Hendrik Hartenstein
Dietmar Schwarz
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Rückblick 

Viele Unternehmen in Deutschland sind mit hohen Eigenkapitalquoten und zugleich günstigen Fremdfinanzierungskonditionen in die Corona-Krise gestartet. Insgesamt konnte die deutsche Wirtschaft die bisherigen Einbrüche gut abfedern. Der in der Krise bei vielen massiv gestiegene Liquiditätsbedarf wurde mit Hilfe von Bankkrediten und Förderprogrammen weitgehend gedeckt. Börsennotierte Unternehmen nutzten zudem den Kapitalmarkt und emittierten zwischen März und Juli 2020 in hohem Maße Anleihen (Zuwachs des Gesamtvolumens in diesem Zeitraum um 16 %). 

Im August ist die Nachfrage nach Liquidität wieder zurückgegangen. Bis Ende September 2020 hatten Unternehmen – sofern es ihnen möglich war – einen großen Teil der zuvor aufgenommen Liquidität wieder zurückgegeben und damit aktiv zu ihrer Entschuldung beigetragen. Auch die im Rahmen des KfW-Sonderprogramms 2020 beantragten Kredite stagnierten nahezu. Das von der KfW zugesagte Volumen liegt seit Ende August bei rund 45 Mrd. Euro. Zudem wurden hiervon nur rund 50 % von den Unternehmen auch abgerufen. Dazu beigetragen haben auch die mit den KfW-Krediten verbundenen Auflagen – vor allem das Gewinnausschüttungsverbot. Zugleich blieb die Nachfrage nach Investitionskrediten auch im 3. Quartal 2020 sehr verhalten.

Obwohl die Insolvenzantragspflicht für zahlungsunfähige Unternehmen seit dem 1. Oktober 2020 wieder gilt (nur für überschuldete Unternehmen bleibt sie bis Ende des Jahres aufgehoben), stieg die Zahl der gemeldeten Insolvenzanträge auch im Oktober 2020 nicht an. Dies mag teilweise mit Kapazitätsengpässen bei den Amtsgerichten zu tun haben, dürfte aber überwiegend daher rühren, dass die meisten Unternehmen noch hinreichend liquide sind.

Es gibt unterschiedliche Schätzungen, wann und in welchem Umfang mit steigenden Insol-venzen zu rechnen ist. Die privaten Banken sehen sich für die aus heutiger Sicht zu erwartenden Kreditausfälle gewappnet.

Zweite Welle 

Im Zuge der zweiten Infektionselle und erneuter Einschränkungen in Teilen der Wirtschaft könnte der Liquiditätsbedarf zum Jahresende wieder zunehmen. Es wurde beschlossen, den EU-Beihilferahmen (EU Temporary Frame-work) für Unterstützungsmaßnahmen und auf dieser Grundlage das KfW-Sonderprogramm 2020 bis Ende Juni 2021 zu verlängern. 

Der sogenannte Schnellkredit (mit 100 % Haf-tungsfreistellung) wurde Anfang November 2020 auch für Unternehmen mit bis zu zehn Mitarbeitern geöffnet. Allerdings müssen bei der Ermittlung des jeweiligen Maximalbetrags die vom einzelnen Unternehmen bereits erhaltenen Zuschüsse (Soforthilfe, Überbrückungshilfe, Novemberhilfe) berücksichtigt werden. 

Strukturelle Herausforderungen

Mit dem – im kommenden Jahr – absehbaren Ende der Pandemie und den damit verbundenen Einschränkungen geraten die strukturellen Herausforderungen der deutschen und europäischen Wirtschaft wieder in den Blick: Die Transformation in eine nachhaltige und digitale Wirtschaft, die global wettbewerbsfähig bleibt. Insbesondere mittelständische Firmen verfügen nicht immer über ausreichend Eigenkapital, um die Finanzierung erforderlicher Investitionen tragen zu können. Es darf allerdings nicht sein, dass nun aus Unsicherheit die (teilweise bilanziell geschwächten) Unternehmen die notwendigen Investitionen weiter zurückstellen. Dadurch würde wertvolle Zeit verloren gehen.

Um mit einer sinnvollen Kombination von privatem und öffentlichem Kapital Investitionen von Unternehmen in transformative Schlüsseltechnologien zu fördern, sollte (jenseits der aktuellen Nothilfen und der damit verbundenen Auflagen) der Baustein „Risikoteilung“ (Haftungsfreistellung) zwischen Bank und Förderbank zumindest übergangsweise stärker als Option genutzt werden.

Insgesamt müssen die gesetzlichen Rahmen-bedingungen – Bankenregulierung und -aufsicht, Steuern, Förderprogramme, Ausbau der Kapitalmarktunion – konsequenter darauf ausgerichtet werden, zukunftsfähige Projekte und Unternehmen zu mobilisieren und zu unterstützen. 

Rahmenbedingungen für Banken

Gesetzgeber und Bankenaufsicht haben in der Krise umsichtig und flexibel reagiert. So hat beispielsweise die EBA den Handlungsspielraum der Kreditinstitute im Umgang mit gesetzlichen ebenso wie privaten Kreditstundungen erweitert: Sofern die Moratorien bestimmte Bedingungen erfüllten, wurden die prozyklische Effekte einer solchen Stundung (in den Bilanzen der Banken) verhindert. Der Bankenverband hatte auf dieser Basis private KreditMoratorien (sowohl für Privat- als auch Unternehmenskunden betreffend) erarbeitet, die die Banken ihren Kunden bei Bedarf anbieten konnten.

Wie schon im ersten Halbjahr 2020 gilt auch weiterhin, dass Banken selbst zu Betroffenen der Krise werden können und zum Beispiel ihre eigene Liquiditätsversorgung leidet. Zum einen, wenn Unternehmen und institutionelle Investoren in großem Umfang fällig werdende Termin- in Sichteinlagen umwandeln oder ganz abziehen. Zum anderen, wenn Unternehmen bei einer Verschlechterung ihres Ratings aus dem Besicherungsrahmen der Bundesbank herausfallen (d. h. Banken können diese Kredite nicht mehr als Sicherheiten gegen Zentralbankliquidität hinterlegen). 

Um in der Folge die Kreditvergabe nicht unnötig zu verschärfen, sollte der auf europäischer Ebene bereits geschaffene und in vielen Ländern angewandte Rahmen für Zentralbanken (Additional Credit Claims, ACC) auch von der Bundesbank voll ausgeschöpft werden. 

Die regulatorischen Maßnahmen der vergangenen Jahre (deutlich höhere Eigenkapital- und Liquiditätsanforderungen) haben die Banken stabiler gemacht – könnten aber zu einer übervorsichtigen Kreditvergabe in oder nach der Krise führen. 

Banken brauchen ein regulatorisches Umfeld, das ihnen – gerade in der Aufschwungsphase und zur Finanzierung der Transformation der Wirtschaft – den notwendigen Freiraum zur Kreditvergabe lässt. 

Die geplante Umsetzung von Basel IV in EU-Recht wird erhebliche Auswirkungen auf die Kreditinstitute haben. Bereits mit der Veröffentlichung des entsprechenden Gesetzesentwurfs würden Banken zu ersten Reaktionen und Anpassungen gezwungen. Der Legislativentwurf sollte daher zurückgestellt werden, bis die mit der Krise verbundene Unsicherheit abgeklungen ist und eine aktuelle Auswirkungsstudie (Impact Study) mit belastbaren Erkenntnissen auch für das Jahr 2020 vorgelegt werden konnte.