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Unternehmensfinanzierung in Zeiten der Corona Krise

02.06.2020Artikel
Volker Hofmann
Friederika Boehme
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Unternehmen und Lieferketten sind schwer getroffen 

Die Corona-Pandemie stellt die Unternehmen in Deutschland – aber auch weltweit – vor enorme Herausforderungen. Lieferketten sind unterbrochen und Umsätze fallen aus. Je nach Branche, Geschäftsmodell und Größe sind die Unternehmen unterschiedlich stark betroffen. So sind zum Beispiel im Dienstleistungssektor die Veranstaltungsbranche oder die Tourismuswirtschaft entlang der gesamten Wertschöpfungskette beinahe zum Erliegen gekommen. Der Gesundheitssektor oder Teile des Handels hingegen arbeiten mehr oder weniger im vollen Umfang weiter. Das Ausmaß der Belastungen für die Automobilindustrie und ihre Zulieferer wird im Wesentlichen von Entwicklungen auf globalen Märkten bestimmt; zeitweilig stand die Produktion beinahe komplett still. In der Metall- und Maschinenbaubranche liegen die Herausforderungen sowohl in der stark gesunkenen Auftragsnachfrage als auch in den Störungen der Zuieferungen und Wertschöpfungsketten. Insgesamt ist die Mehrheit der Unternehmen mit schmerzhaften Einbußen konfrontiert. Auch wenn viele von den jüngsten Lockerungen der Schutzmaßnahmen profitieren können – für die meisten bleibt die Ungewissheit über die eigene Geschäftsentwicklung wie über die Gesamtsituation sehr problematisch. 

Betroffene Unternehmen stehen plötzlich vor einem deutlich erhöhten Liquiditätsbedarf. Viele, aber keineswegs alle Unternehmen können davon profitieren, dass sie über die vergangenen Jahre ihre Eigenkapitaldecke deutlich gestärkt haben: So lag die durch-schnittliche Eigenkapitalquote der Unternehmen zuletzt bei 31 %. 

Um den Auswirkungen der Krise entgegenzuwirken, müssen die Unternehmen zur Sicherung ihrer Liquidität zahlreiche Maßnahmen in den operativen Produktions- und Geschäftsprozessen als auch Entscheidungen hinsichtlich ihrer Finanzierungen und Investitionen treffen. 

Viele Unternehmen greifen auf die Möglichkeit der Kurzarbeit zurück. Angesichts der Umsatzausfälle versuchen Unternehmen, ihren akuten Liquiditätsbedarf teilweise zu verringern. Dazu haben die Unternehmen bis Ende April Steuerstundungen im Umfang von sechs Milliarden Euro in Anspruch genommen. Zudem wurden Vorauszahlungen auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer in Höhe von elf Milliarden Euro herabgesetzt.

In einem weiteren Schritt haben Unternehmen – sofern notwendig – zusätzliche Fremdmittel aufgenommen. Dabei sind für die Finanzierung einige Unterschiede über die Sektoren hinweg zu erkennen. Insgesamt ist die Nachfrage nach Krediten stark gestiegen. Viele Unternehmen mit bestehenden Linien haben diese frühzeitig vollständig gezogen, um ihren Liquiditätsbedarf zu stillen. 

Liquiditätshilfen für Unternehmen und Rolle der Banken

Um Unternehmen, Selbstständigen oder Freiberuflern, die durch die Corona-Krise in eine finanzielle Schieflage und zum Teil in existenzielle Nöte geraten sind, die dringend benötigte Liquidität zu sichern, haben der Bund und die Länder darüber hinaus umfangreiche zusätzliche Maßnahmen für die Wirtschaft in Höhe von rund 1,4 Billionen Euro beschlossen. In kürzester Zeit wurden unterschiedliche Instrumente geschaffen: Zum einen vergeben Bund und Länder an Freiberufler, Selbstständige und Kleinstunternehmen, die alle kaum über Sicherheiten verfügen, Direktzuschüsse. Nach technischen Herausforderungen am Anfang werden diese Mittel mit dem Ziel einer schnellen und unbürokratischen Hilfe inzwischen nahezu eins zu eins ausgereicht. 

Zum anderen stehen den Unternehmen Liquiditätskredite zur Verfügung, die über die staatliche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) abgesichert werden. Mit Ausweitung des Garantierahmens des Bundeshaushalts für die KfW um bis zu 550 Milliarden Euro konnte die KfW ihre Förderprogramme für Unternehmen und Selbstständige deutlich ausweiten. Das „KfW-Sonderprogramm 2020“ (seit 23.3.2020) stellt Unternehmen, die sich 2019 noch nicht in Schwierigkeiten befunden haben, Kredite zur Verfügung, mit denen Liquiditätslücken überbrückt werden sollen.

Im Rahmen der erweiterten EU-Beihilferegelung wurde die Haftungsfreistellung für die Hausbanken stark ausgeweitet: auf 80% für größere Unternehmen bzw. auf 90% für kleine und mittlere Unternehmen. Mit dem sogenannten „KfW-Schnellkredit 2020“ (seit 15.4.2020) wurde der Kreis der Unternehmen, die Hilfe beanspruchen können, erweitert: Durch eine hundertprozentige Haftungsfreistellung und den Wegfall sowohl der Kreditwürdigkeitsprüfung als auch der banküblichen Besicherung wird die beschleunigte Auszahlung von Krediten bis maximal 800.000 Euro an Unternehmen mit mindestens 10 Mitarbeitern ermöglicht.

Durch das Aufsetzen auf die bewährte Förderstruktur inklusive des Durchleitungs-prinzips (KfW/Hausbank/Endkreditnehmer) konnten die zusätzlichen Kredite bislang effizient vergeben werden. Zum schnellen und erfolgreichen Ausreichen der umfassenden Unterstützungsmaßnahmen haben maßgeblich die Banken beigetragen. Die privaten Banken arbeiten auf Hochtouren, um die Unternehmen in der Krise zu beraten und ihnen zu helfen. Sie können und wollen Teil der Lösung sein. Deshalb ist eine konsistente Ausrichtung der Förderprogramme der KfW und der Landesförderinstitute unter Einbindung der Finanzierungspartner wichtig.

Die privaten Banken haben seit Start des KfW-Sonderprogramms bis Mitte Mai rund 40.000 Anfragen erhalten, und es wurden mehr als 37.000 Kreditanträge mit einem Volumen von 40,5 Milliarden Euro bearbeitet. Diese werden von den Banken unter Hochdruck entsprechend regulatorischer Vorgaben geprüft und an die KfW weitergeleitet. Dabei haben die Banken nach dem Gesetz und nach den Vorgaben der KfW eine Sorgfaltspflicht und müssen eine Risikoprüfung der Unternehmen vornehmen. So dürfen Unternehmen, die schon vor der Corona-Krise schwach gewesen sind, aus dem Sonderprogramm nicht unterstützt werden. Letztendlich sind die KfW-Mittel Kredite, die nach der Krise zurück zu zahlen sind und die für die Unternehmen eine höhere Verschuldung und einen höheren Kapitaldienst bedeuten. 
  
In vielen Fällen zahlt sich aktuell eine seit längerem stabile Hausbankbeziehung aus. Banken haben ihren Kunden seit Ausbruch der Krise in Deutschland Kredite in erheblichem Umfang bereitgestellt – ein Vielfaches dessen, was sie seitdem an KfW-Krediten durchgeleitet haben. Zugleich aber trifft die Krise auch die Banken unvorbereitet, das heißt, die erheblich gestiegene Anzahl an Anfragen, Beratungsbedarf und Kreditanträgen der Kunden stellt die Institute operativ vor eine nicht unerhebliche Herausforderung, zumal sich viele Bankmitarbeiter ihrerseits im Homeoffice befinden. Durch den verstärkten Einsatz digitaler Lösungen können Prozesse gleichwohl beschleunigt werden. 

Liquiditätshilfen in Form von Krediten können allerdings nur vorübergehend eine Lösung darstellen. Insbesondere für Unternehmen, deren Umsatzausfall kaum oder gar nicht nachgeholt werden kann, wird die zweite Hälfte des Jahres 2020 entscheidend sein. Hier könnten weitergehende staatliche Unterstützungsmaßnahmen in Form von Mezzanine-Kapital notwendig werden. Es zahlt sich nun aus, dass die Banken ihrerseits durch den Aufbau von Liquidität und Eigenkapital während der vergangenen zehn Jahre insgesamt in einer stabilen Verfassung dastehen.

Corona-Krise erfordert Anpassungen in der Bankenregulierung 

Selbstverständlich müssen Banken die strengeren Eigenkapital- und Liquiditätsvorschriften aber auch weiterhin einhalten. Sie haben Kreditrisiken, die sie in der aktuellen Phase eingehen, sehr sorgsam zu prüfen und müssen die zuletzt gestiegenen Risiken auch wieder mit mehr Eigenkapital (zusätzlich zur gegebenenfalls höheren Risikovorsorge) unterlegen. Vor diesem Hintergrund zeigt die aktuelle Krise, dass die Finanzmarktregulierung nicht nur die Stabilität der Banken, sondern auch ihre Leistungs- und Handlungsfähigkeit im Blick haben muss. Die Rahmenbedingungen müssen hinreichend Spielraum bieten, damit Banken in einer solchen Krise nicht nur selbst stabil bleiben, sondern die Unternehmen auch effektiv durch die Krise begleiten können. 

Gesetzgeber und Aufseher haben in der Krise bereits mit ersten Maßnahmen schnell und pragmatisch gehandelt. Mit Erleichterungen bei Kreditvergabeprozessen oder Berichts-pflichten, aber insbesondere mit dem Verschieben der Umsetzung von Basel IV um ein Jahr haben die bisher getroffenen aufsichtlichen Maßnahmen freie Kapazitäten zur Krisenbewältigung und Unterstützung der Kunden geschaffen. Das Adjustieren von Rechnungslegungs-, Kapital- und weiteren Vorgaben ermöglicht es den Banken außerdem, einen Teil der aufgebauten Reserven als Liquidität an zahlreiche Kunden weiterzugeben. Weitere Anpassungen an die Krise sind zeitnah anzugehen, wie das Aussetzen der Bankenabgabe für dieses Jahr. 

Darüber hinaus sollten aber auch Lehren aus der Pandemie-Krise für wichtige, grundlegen­de Rahmenbedingungen gezogen wer­den. Hierzu zählt zum einen die Ausnahme von Förderdarlehen aus der Leverage Ratio, was eine Änderung der CRR voraussetzt. Zudem müssen Aufseher verstärkt in die Lage versetzt werden, einzelne krisenbedingte Risikoüberzeichnungen durch ansonsten funktionierende regulatorische Modelle aussetzen zu können. Zum anderen ist insbesondere die Bundesbank gefordert, die von der EZB vorgesehenen Erleichterungen im Sicherheitenrahmen zur Erweiterung und Stärkung der Refinanzierungsmöglichkeiten der Banken national umzusetzen.

Verbesserte Refinanzierungsbedingungen für Exportwirtschaft

Verbesserte Refinanzierungsbedingungen der Banken sind gerade auch bei der Finanzie­rung langfristiger Außenhandelsgeschäfte von Relevanz.Das seit Herbst 2009 bestehende KfW-Programm leistet einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Wettbewerbssituation deutscher Exporteure. Denn es erweitert das Refinanzierungsinstrumentarium jener Banken, die im deutschen Exportmarkt aktiv sind, und ermöglicht diesen, auch unter schwierigen bzw. veränderten Umständen weiterhin langfristige Exportkredite im Interesse der deutschen Exportwirtschaft zu vergeben. Das Programm ist über die letzten Jahre zu einem integralen Bestandteil der Außenwirtschaftsförderung des Bundes geworden. Der globale Wettbewerb wird sich nach der Corona-Pandemie deutlich verschärfen. Aus seinem wettbewerbspolitischen Interesse heraus sollte Deutschland das Programm daher weiterentwickeln.