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Wirtschaft kühlt sich zum Jahresende ab –  Unsicherheit herrscht vor

01.12.2021Artikel
Dietmar Schwarz
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Die aktuelle Dynamik bei den Infektionszahlen sowie die neue Virusvariante Omikron lässt düstere Erinnerungen an den vergangenen Winter wach werden: Drastische lokale Einschränkungen sowie eine allgemein wachsende wirtschaftliche Unsicherheit dominieren erneut unseren Alltag, die Hilfsmaßnahmen für Unternehmen sind konsequenterweise bis Ende März 2022 verlängert worden. Vorbei sind die aus heutiger Sicht fast schon sorglosen Sommermonate, die aufgrund voller Auftragsbücher, ausreichend großer Mengen an Impfstoffen und solider Wachstumsperspektiven gänzlich andere Aussichten verheißen haben als der Blick in die kommenden Wintermonate.

Wirtschaftslage und -ausblick verschlechtern sich zum Jahresende 

Doch nicht allein die vierte Corona-Welle treibt einigen Unternehmern gegenwärtig Sorgenfalten auf die Stirn: Materialknappheiten und Lieferengpässen führen in der Industrie weiter zu Produktionseinschränkungen, die sich kurzfristig nicht auflösen dürften. Hinzu kommen sprunghafte Preissteigerungen z. B. für Energie, die branchenübergreifend eine Bremswirkung auslösen. Im November wurde in Deutschland sogar eine Inflationsrate von 5,2 % erreicht; eine ähnliche Rate ist auch für den Dezember zu erwarten. Im kommenden Jahr dürfte es aber vor allem wegen statistischer Effekte (Mehrwertsteuereffekt und CO2-Abgabe) zu einem spürbaren Rückgang der Inflation kommen. Gleichwohl wird erwartet, dass die Inflationsrate auch 2022 über der mittelfristigen Zielmarke der Europäischen Zentralbank (EZB) von 2 % liegen dürfte. Der Preisdruck könnte durch die im kommenden Jahr anstehenden Lohnverhandlungen sogar noch zunehmen, da diese ebenfalls deutlich höher ausfallen dürften – nicht zuletzt da die künftige Bundesregierung eine deutliche Anhebung des Mindestlohns plant. Angesichts dieser Veränderungen im Preisumfeld erscheint es dringlich, dass die EZB die europaweit gestiegenen Preisrisiken ernst nimmt. Sie sollte das zunächst bis Ende März 2022 befristete Pandemieaufkaufprogramms (PEPP) nicht verlängern und eine Perspektive für den Ausstieg aus der Negativzinspolitik aufzeigen. 

(Noch) Kein Grund zur Sorge, aber Ungewissheit steigt…

Selbst wenn insbesondere die mittelständische Industrie überwiegend gut durch die vergangenen 20 Krisenmonate gekommen ist, steigt auch hier die Ungewissheit. Einzelne Branchen, wie die Gastronomie oder die Kultur- und Veranstaltungswirtschaft, stehen aufgrund der teilweise bereits eingeführten Einschränkungen erneut vor schwierigen Monaten. Entsprechend konsequent erscheint die jüngst beschlossene Verlängerung der Corona-Wirtschaftshilfen, mit deren Hilfe die Liquidität betroffener Unternehmen gestärkt bzw. Zahlungsausfälle verhindert werden können. 

Bisher konnten im Rahmen dieser Hilfen über 126 Milliarden Euro an betroffene Unternehmen ausgereicht werden, davon knapp 58 Milliarden Euro über Bundeszuschüsse (Sofort- und Überbrückungshilfen) und mehr als 54 Milliarden Euro mittels der über die Hausbanken durchgeleiteten KfW-Sondermaßnahmen. Bei Letzteren kommt privaten Banken eine wichtige Rolle zu: Seit Beginn der KfW-Hilfsprogramme haben diese knapp 37 % des Gesamtvolumens bei 16 % der Anträge im Durchleitgeschäft vermittelt. Die privaten Institute waren und sind besonders stark bei großvolumigen Krediten und Konsortialprogrammen, haben aber auch knapp jeden dritten Schnellkredit ausgegeben.

Weiterhin niedrig bzw. rückläufig sind die Unternehmensinsolvenzen: Laut aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes sind die Antragszahlen um -2 % zum Vormonat bzw. -15,8 % im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zurückgegangen. Dies lässt sich immer weniger mit der bis Ende April dieses Jahres ausgesetzten Insolvenzantragspflicht, sondern vielmehr mit verlängerten Bearbeitungszeiten in den Gerichten bzw. insgesamt rückläufigen Gewerbeanmeldungen erklären. Entwarnungssignale sind zusätzlich seitens der Banken zu vernehmen, wo keine negativen Veränderungen bei den Volumen ausfallgefährdeter Kredite ersichtlich sind. Zudem haben die meisten Kreditinstitute ihre Kapitalpuffer bereits zu Beginn der Krise deutlich erhöht und sich durch eine höhere Risikovorsorge für mögliche künftige Ausfälle gewappnet.

…mit entsprechenden Auswirkungen auf die Kreditvergabe und -nachfrage 

Wenig verwunderlich werden angesichts der gegenwärtigen Perspektiven Unternehmensinvestitionen geschoben – im Vergleich zum Vorjahr ein Rückgang um 
14 % – und entwickelt sich die Nachfrage nach Unternehmenskrediten weiterhin schleppend. Immerhin ist das Kreditvolumen laut aktuellen Bundesbank-Zahlen sowohl im Vergleich zum Vorjahr als auch zum Vorquartal zuletzt angestiegen. Grund für die zaghafte Nachfrage ist, dass sich viele Unternehmen zu Beginn der Krise mit Liquidität vollgesogen bzw. Corona-Hilfen in Form von KfW-Krediten oder Zuschüssen in Anspruch genommen haben und somit der Bedarf nach Fremdkapital gegenwärtig (noch) gering ist. 

Der Blick nach vorn: Transformationsfinanzierung und Rahmenbedingungen im Fokus

Auch wenn die oben beschriebenen Herausforderungen aktuell dominieren, darf die dringendste Aufgabe, die Finanzierung der wirtschaftlichen Transformation, nicht aus dem Blick verloren werden. Um die Pariser Klimaziele erreichen und die Digitalisierung erheblich voranbringen zu können, bedarf es zusätzlicher Investitionen in Milliardenhöhe, die zu einem großen Teil über Bankkredite finanziert werden, allerdings nicht ausschließlich. Daher ist ein Finanzierungsmix aus Krediten, Kapitalmarktfinanzierung und öffentlichen Mitteln wie z. B. Förderprogramme oder Zuschüsse notwendig, um diese Herkulesaufgabe gemeinsam bewältigen zu können. 

Banken sind prädestiniert dafür, auch bei der Bekämpfung des Klimawandels eine zentrale Rolle zu spielen: Sie wenden schon heute umfangreiche regulatorische Vorgaben wie z. B. die EU-Taxonomie an, können ihre Kunden entsprechend beraten. Zudem steigt die politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Erwartungshaltung an die Kreditinstitute, ihr Geschäft so auszurichten, dass es mit den nationalen und internationalen Klimazielen in Einklang steht. Auch deshalb haben Banken ein starkes Interesse daran, wachsende Anteile ihres Geschäfts mit Krediten bzw. Anlagen in nachhaltigen Vermögensgegenständen darzustellen. 

Seitens der Unternehmen ist das Thema Klimawandel und Transformation schon heute überaus präsent und wird von deren Kunden, Zulieferern und Geschäftspartnern aktiv eingefordert. Gleichwohl existiert eine große Unsicherheit, was künftig noch finanziert werden kann (Stichwort Brückentechnologie) und welchen Verpflichtungen Unternehmen schon heute entsprechen müssen. Demgegenüber steht allerdings die Chance auf erhebliche Wettbewerbsvorteile, die durch solch eine Transformation entstehen können. 

Somit liegt es an den politischen Richtungsentscheidungen und richtigen Rahmenbedingungen, wie schnell der notwendige Umbau der Wirtschaft an Fahrt aufnehmen wird. Hier ist nicht zuletzt auch die neue Bundesregierung in der Pflicht, die Weichen richtig zu stellen: Dies reicht von einem angemessenen CO2-Preis und regulatorischer Klarheit bzw. Verlässlichkeit (Stichwort anstehende Verhandlungen des EU-Bankenpakets) bis hin zu einer Beschleunigung der Verwaltungsaktivitäten wie z. B. der Planfeststellung. 

Eine ausführliche Analyse zu diesen Punkten finden Sie im jüngsten Bericht des Bankenverbandes „Unternehmensfinanzierung AKTUELL“ sowie bei der Veranstaltung „Banken on Screen: Unternehmensfinanzierung: Aktuelle Lage, Perspektiven und die Auswirkungen des neuen EU-Bankenpakets“.