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Klimabericht: Treibhausgasemissionen 2021 wieder gestiegen

31.05.2022Artikel
Julia Topar
Dr. Henrik Meyer
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Auf den letzten Metern ist es Deutschland Ende 2020 gelungen, seine Klimaziele doch noch einzuhalten, nachdem es lange Zeit anders ausgesehen hatte: Im Vergleich zum Referenzjahr 1990 wurden 2020 tatsächlich – wie angestrebt – 40 Prozent weniger Treibhausgase ausgestoßen. Doch zu diesem Erfolg hatte zuletzt vor allem ein Faktor stark beigetragen: Corona. Denn da das erste Jahr der Pandemie das Leben besonders gravierend einschränkte, sank die Wirtschaftsleistung und mit ihr der CO₂-Ausstoß. 

Es ist daher keine große Überraschung, dass die Treibhausgasemissionen 2021 wieder deutlich gestiegen sind, wie das Umweltbundesamt (UBA) vor Kurzem in seinem Klimabericht bekannt gegeben hat. In Deutschland wurden im vergangenen Jahr demnach 762 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente ausgestoßen – hauptsächlich Kohlenstoffdioxid, aber auch andere Gase, deren Klimawirkung in die von CO₂ umgerechnet wird. Das sind rund 33 Millionen Tonnen oder 4,5 Prozent mehr als 2020. Insgesamt sind die Emissionen seit 1990 in Deutschland damit nur noch um 38,7 Prozent gesunken. 

Klimaschutzgesetz

Dabei sind die klimapolitischen Ziele im vergangenen Jahr noch einmal ehrgeiziger geworden. Nach einem wegweisenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts hatte die alte Bundesregierung das Klimaschutzgesetz im vergangenen Juni verschärft: Deutschland muss nun schon bis 2045 klimaneutral werden, fünf Jahre früher als bis dahin vorgesehen. Auf dem Weg zur Klimaneutralität sollen und müssen die Emissionen kontinuierlich sinken. Das Ziel für 2030 ist ein Minus von 65 Prozent, 2040 sollen die Emissionen mindestens 88 Prozent niedriger liegen als im Jahr 1990. Außerdem definiert das Klimaschutzgesetz für sechs Sektoren, wie stark der CO₂-Ausstoß jedes Jahr sinken muss.

Die verfügbaren Daten zeigen übrigens, dass seit 2010 vor allem die Energiewende zur Reduktion der Emissionen beigetragen hat. Alle anderen bedeutenden Sektoren stagnieren seit 2010 mehr oder weniger. 2021 gab es in nahezu allen Bereichen Emissionssteigerungen gegenüber dem Vorjahr.

Energie

Der Anstieg im letzten Jahr ist insbesondere im Energiesektor zu verzeichnen: Dieser weist ein Plus von 27 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente auf (12,4 Prozent mehr als 2020), da wegen gestiegener Stromnachfrage, geringerer Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien und des gestiegenen Gaspreises verstärkt Kohle zur Stromerzeugung genutzt wurde. Die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien sank vor allem aufgrund schlechter Windverhältnisse um sieben Prozent. Mit rund 247 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente lagen die Emissionen aber noch gut 11 Millionen Tonnen unter denen des Vor-Corona-Jahres 2019. 

Trotzdem ist für die Energiewirtschaft kein Sofortprogramm aufgrund der Klimadaten zu erwarten. Denn für den Sektor gibt es zwar verbindliche Minderungsziele für 2030 und 2022, aber sonst keine jährlichen Zwischenziele wie in anderen Sektoren. Das liegt daran, dass der Treibhausgas-Ausstoß des Energiesektors über den Handel mit CO₂-Zertifikaten auf europäischer Ebene geregelt ist. Die Bundesregierung will ohnehin, dass bis 2030 80 Prozent der deutschen Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen stammen. Geht man davon aus, dass die Emissionen des Sektors bis dahin jedes Jahr gleich stark sinken müssten, liegt der Wert für 2021 aber deutlich über dem Soll.

Verkehr

Im Verkehr wurden im Jahr 2021 rund 148 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente ausgestoßen. Damit liegen die Treibhausgasemissionen dieses Sektors sowohl 1,2 Prozent über dem Wert von 2020 als auch rund 3 Millionen Tonnen über der im Bundesklimaschutzgesetz für 2021 zulässigen Jahresemissionsmenge von 145 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente. Ein Grund dafür ist der Straßengüterverkehr, der auf den Autobahnen wieder auf ein Niveau leicht oberhalb des Jahres 2019 angestiegen ist. Der PKW-Verkehr dagegen ist weiter niedriger als vor der Corona-Pandemie (2019), was in Absatzzahlen für Kraftstoffe und Daten von Zählstellen an Autobahnen und Bundesstraßen deutlich wird.

Industrie

Im Sektor Industrie stiegen die Emissionen gegenüber dem Vorjahr um gut 9 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente an (plus 5,5 Prozent). Mit rund 181 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalenten lagen sie damit wieder fast auf dem Niveau von 2019, aber knapp unter der im Bundes-Klimaschutzgesetz festgeschriebenen Jahresemissionsmenge von 182 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalenten. Hier spielen aufholende Konjunktureffekte in Folge der Corona-Krise und ein vermehrter Einsatz fossiler Brennstoffe eine wichtige Rolle. Die deutlichste prozentuale Steigerung gab es in der Stahlindustrie, wo die Rohstahlerzeugung um rund 12 Prozent anstieg. 

Gebäude

Im Gebäudebereich hingegen kam es 2021 zu einer Emissionsminderung von knapp 4 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalenten (minus 3,3 Prozent) auf rund 115 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalenten. Aber trotz dieser Emissionsminderung überschreitet der Gebäudesektor, wie bereits im Vorjahr, die erlaubte Jahresemissionsmenge gemäß Bundes-Klimaschutzgesetz, die bei 113 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalenten liegt. Die Emissionsreduzierung ist im Wesentlichen als Sondereffekt auf deutlich verringerte Heizölkäufe zurückzuführen. Die Heizöllager wurden aufgrund der günstigen Preise und in Erwartung des Brennstoffemissionshandelsgesetzes bereits 2019 und 2020 umfangreich aufgestockt. Der Erdgasverbrauch stieg dagegen witterungsbedingt an.

Landwirtschaft und Abfallsektor

Im Sektor Landwirtschaft gingen die Treibhausgasemissionen um gut 1,2 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente (minus 2,0 Prozent) auf 61 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente zurück. Der Sektor bleibt damit deutlich unter der für 2021 im Bundes-Klimaschutzgesetz festgelegten Jahresemissionsmenge von 68 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalenten. Der Rückgang der Tierzahlen setzt sich fort. Die Rinderzahlen sanken um 2,3 Prozent, die Schweinezahlen um 9,2 Prozent. Dadurch gab es weniger Gülle, die Emissionen sanken ebenfalls (-4,0 Prozent gegenüber 2020). Die deutliche Unterschreitung der festgesetzten Jahresemissionsmenge ist jedoch vor allem durch methodische Verbesserungen in der Berechnung der Emissionen bedingt.

Die Emissionen des Abfallsektors sanken gegenüber dem Vorjahr um rund 4,3 Prozent auf gut 8 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente. Damit bleibt der Abfallsektor erneut unter der im Bundes-Klimaschutzgesetz festgelegten Jahresemissionsmenge von 9 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalenten. Der ⁠Trend⁠ wird im Wesentlichen durch die sinkenden Emissionen aus der Abfalldeponierung infolge des Verbots der Deponierung organischer Abfälle bestimmt.

Weiteres Verfahren gemäß Bundesklimaschutzgesetz

Die Emissionsdaten des Jahres 2021 werden nun, wie im Gesetz vorgesehen, vom Expertenrat für Klimafragen geprüft. Danach haben die jeweils zuständigen Ministerien laut Gesetz drei Monate Zeit, ein Sofortprogramm vorzulegen, das Vorschläge für Maßnahmen enthält, die den Gebäudesektor und Verkehrssektor in den kommenden Jahren auf den vorgesehenen Zielpfad bringen. Die Bundesregierung arbeitet allerdings bereits an einem Klimaschutz-Sofortprogramm, das diese Anforderungen so weit wie möglich erfüllen soll.

Das ⁠UBA selbst weist darauf hin, dass die Reduzierung der Treibhausgasemissionen von 2020 schon fast zur Hälfte wieder verloren sei. Nun gelte es, möglichst schnell mehr Sonnen- und Windenergieanlagen zu bauen, die Gebäude auf Wärmepumpen umzustellen und so schnell wie möglich aufzuhören, Öl- und Gasheizungen einzubauen. Um die Ziele der Bundesregierung bis 2030 zu erreichen, müssten nun pro Jahr sechs Prozent Emissionen gemindert werden. Seit 2010 waren es im Schnitt nicht einmal zwei Prozent.