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Rohstoffe aus Russland: Abhängigkeit bei Metallen

31.05.2022Artikel
Dr. Henrik Meyer
Julia Topar
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Was bedeutet der Krieg in der Ukraine für die deutsche Wirtschaft und speziell die deutsche Industrie? Welche Probleme werden gerade erkennbar? Eine Schwachstelle stellt zweifellos die Abhängigkeit von Rohstoffen dar, die aus dem Ausland importiert werden müssen. Dabei geht es keineswegs nur um die Energierohstoffe Erdgas und Erdöl, sondern vor allem auch um Metalle und Edelgase, die es in Deutschland nicht gibt und die deswegen eingeführt werden müssen. Hier drohen Engpässe, hier sind die Preise zuletzt deutlich gestiegen.

Die Deutsche Rohstoffagentur

Dabei ist es nicht so, dass das Thema „Rohstoffengpässe“ neu auf der Agenda wäre. Bereits im Jahr 2010 wurde die Deutsche Rohstoffagentur (Dera) gegründet, um die Versorgung der Wirtschaft langfristig zu sichern. Zu dieser Zeit führte ein Konflikt zwischen China und dem Rest der Welt zu Engpässen bei Seltenen Erden, dabei handelt es sich um für viele neue Technologien entscheidende Spezialmetalle. Das sollte sich eigentlich nicht wiederholen, doch nun könnte die Lage erneut kritisch werden, wenn der wichtige Lieferant Russland ausfallen sollte. 

Deutlich wird dies vor allem bei Metallen und Edelmetallen: Die wirtschaftlichen Bande zwischen Russland und Deutschland sind hier besonders eng. Zwar machen russische Einfuhren nach Angaben der Dera nur knapp 4 Prozent der Gesamtmetallimporte in Höhe von 72 Milliarden Euro aus. Eng werden dürfte es dennoch bei wichtigen Stoffen: Nickel- und Eisenprodukten, Palladium, Kupfer-Kathoden, Aluminium und Stahl. Hier stammten 20 bis 44 Prozent der Ware aus Russland.

Angespannte Situation

Noch kommen diese Metalle nach Deutschland, doch mögliche Lieferausfälle aus Russland erhöhen den Druck auf die Preise. Und das in einer ohnehin angespannten Situation: Experten verweisen darauf, dass manche Lagerbestände pandemiebedingt schon seit zwei Jahren niedrig seien, nun komme noch der Krieg in der Ukraine dazu. Bis sich die Lieferketten neu strukturieren, könne ein Jahr vergehen. Bestehende Rohstoffproduzenten seien oft auf Monate ausgebucht und Produktionserweiterungen kurzfristig selten möglich.

Autoindustrie und Rohstoffe

Besonders verzwickt ist die Lage beispielsweise beim Edelmetall Palladium, das vor allem von der Autoindustrie für den Bau von Katalysatoren benötigt wird. In Deutschland kommen zwar nur 18 Prozent des Palladiums aus Russland, doch können diese kaum ersetzt werden – alles, was weltweit gefördert wird, wird verarbeitet. Palladium ist neben Platin und Rhodium für die Autohersteller besonders wichtig, da diese Edelmetalle der eigentliche Katalysator sind, der die giftigen Abgase in unbedenkliche und ungiftige Stoffe wie Kohlendioxid, Stickstoff und Wasserdampf umwandelt.

Auch Rhodium und Platin werden teilweise aus Russland eingeführt, allerdings ist die Abhängigkeit dort nicht so groß wie bei Palladium. All diese Stoffe werden nicht nur für Diesel- oder Benzin-Autos benötigt, sie werden in Zukunft auch in Brennstoffzellenantrieben oder großen, stationären Wasserstoffanlagen zu finden sein. 

Das bedeutet: Der Umbau der Autoindustrie hin zur Elektromobilität hängt mit an Rohstoffen aus dem Osten. 44 Prozent des raffinierten, also weiterverarbeiteten Nickels importiert Deutschland aus Russland. Der Stoff steckt etwa in Batteriezellen für Elektroautos, aber die Industrie braucht ihn auch für Stahllegierungen. Ein kurzfristiger Verzicht auf russisches Nickel würde für die Autohersteller, die sowieso schon seit vielen Monaten unter dem allgemeinen Chipmangel leiden, zu einem Problem. Zwar gibt es Nickel auch anderswo, etwa in Indonesien. Doch eine stärkere Bindung an dieses Land oder an andere Länder könnte neue Probleme aufwerfen. Rohstoffreichtum, Korruption und Menschenrechtsverletzungen liegen in vielen Ländern häufig eng beieinander. Für viele Firmen spielen saubere Lieferketten aber eine zunehmende Rolle, und die werden sie in einigen Ländern kaum finden. 

Kein Importstopp

Bei einigen Rohstoffen aus Russland traut sich die EU momentan nicht, die Lieferketten zu kappen, weil die Abhängigkeiten einfach zu groß sind und die Auswirkungen auf die Industrie wohl zu verheerend wären. Deshalb stehen etwa Palladium, Nickel, Kupfer oder Aluminium aktuell nicht auf der EU-Sanktionsliste. In einem Entwurf für ein Sanktionspaket war davon die Rede gewesen, keinen Titanium-Import aus Russland mehr zuzulassen. Doch dieser Passus wurde später wieder gestrichen. Ein Verzicht auf Titan aus Russland hätte wohl für Unternehmen wie den Flugzeugbauer Airbus einen kompletten Produktionsstopp zur Folge gehabt.

Dass Russland selbst die Lieferungen einstellt, glauben Rohstoff-Experten nicht. Es ist derzeit vor allem die Angst vor Engpässen, die die Preise nach oben treibt. Russland verdient also sehr gut an der westlichen Angst vor Rohstoffknappheit.