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Grüne Geldpolitik – welche Instrumente sind geeignet?

28.07.2021Artikel
Friederika Boehme
Volker Hofmann
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  • Die Berücksichtigung klimapolitischer Ziele darf die politische Unab­hängigkeit der EZB und ihr klares Mandat, Preisstabilität zu garantieren, nicht in Frage stellen. Eine grüne Geldpolitik kann daher nur ein „Neben­ziel“ sein.
  •  Bei der Umsetzung ihres klimabezogenen Maßnahmenplans sollte sich die EZB auf den notenbankfähigen Sicherheitenrahmen konzentrieren. Werden geldpolitische Instrumente genutzt, die nicht dauerhaft einge­setzt werden (z. B. Anleihekaufprogramme), droht im Falle einer restriktiven Geldpolitik ein Zielkonflikt zwischen Preisstabilität und Klimaschutz.
  •  Der Sicherheitenrahmen der EZB sollte durch grüne Assets erweitert werden. Zusätzlich wären Anreize über einen geringeren Haircut für grüne Anleihen denkbar.

Nachhaltigkeit wird Element der neuen EZB-Strategie

Deutlich früher als erwartet hat die Europäische Zentralbank (EZB) Anfang Juli die Ergebnisse ihrer Strategieüberprüfung veröffentlicht. Neben dem neu definierten Inflationsziel hat der EZB-Rat beschlossen, Klimaschutzaspekte künftig stärker in der Geldpolitik zu berücksichtigen. Dafür wurde ein umfangreiches Maßnahmenpaket erarbeitet.

Hintergrund dieser Entscheidung ist, dass der Klimawandel zu Extremwetterereignissen oder strukturellen Veränderungen führen und so die Preisniveaustabilität im Euroraum gefährden kann. Bei der Umsetzung des beschlossenen klimabezogenen Maßnahmenplans sind der EZB allerdings durch ihr Mandat zur Sicherung der Preisstabilität klare Grenzen gesetzt. Möglichen Zielkonflikten zwischen klimapolitischen Zielen und der Preisniveaustabilität sollte vorgebeugt werden.

Mögliche Zielkonflikte

Das Mandat und damit das primäre Ziel der EZB ist die Sicherung der Preisniveaustabilität im Euroraum. In dem Maße, wie Klimarisiken das Preisziel gefährden, besteht kein grundsätzlicher Konflikt zwischen Klima- und Preiszielen. Es sind allerdings auch Situationen denkbar, in denen klimapolitische Maßnahmen das Bemühen der EZB um Preisniveaustabilität behindern können.

Dies wäre zum Beispiel dann der Fall, wenn eine mehrstufige CO2-Bepreisung über einen längeren Zeitraum hinweg eingeführt würde. Dann könnten klimapolitische Ziele, denen sich auch die EZB verpflichtet, dem Ziel der Preisniveaustabilität entgegenstehen. Außerdem könnten geldpoli­tische Maßnahmen, die zur Wahrung der Preis­stabilität notwendig sind, klimapolitische Ziele konterkarieren, etwa wenn grüne Anleihen durch die Notenbank verkauft werden müssen.

Wegen dieser potenziellen Zielkonflikte muss sich die EZB klar an ihre eigene Vorgabe halten: Sie darf eine grüne Geldpolitik ausdrücklich nur inner­halb ihres Mandats, also als Nebenziel, unter der Voraussetzung, dass die Preisniveaustabilität ge­währleistet ist, in ihrer Geldpolitik berücksich­tigen.

Das Instrumentarium einer grünen Geld­politik

Der Leitzins ist das wichtigste geldpolitische In­strument der EZB. Für eine gezielte grüne Geld­politik wird er von der EZB aber in ihrem klima­bezogenen Maßnahmenplan nicht berücksichtigt. Das liegt vor allem daran, dass nicht geklärt ist, ob ein niedriger oder ein höherer Leitzins klima­politische Ziele unterstützt.

Die EZB hat sich in ihrem Maßnahmenplan daher auf geldpolitische Instrumente konzentriert, von denen sie sich wirkungsvolle Steuerungsmöglich­keiten erhofft. Dies sind insbesondere:

  • das grüne Quantitative Easing (QE),
  • klimabezogene Offenlegungsanforderungen und
  • die Berücksichtigung von Klimarisiken im Sicherheitenrahmen.

Verstärkter Ankauf grüner Anleihen

Die europäischen Währungshüter planen, ihre Wertpapierankäufe zukünftig unter anderem nach Klimakriterien auszurichten. Im Rahmen ihrer Kaufprogramme wäre die EZB ein großer Nachfrager nach grünen Anleihen, was in diesem Marktsegment tendenziell für höhere Anleihekurse und einen niedrigen Zins sorgen würde. Das gilt erst recht, wenn man bedenkt, dass das Markt­volumen grüner Anleihen – trotz einer dynami­schen Entwicklung – gegenwärtig noch relativ gering ist.

Bei diesen Überlegungen darf allerdings nicht außen vor bleiben, dass großvolumige Ankauf­programme (Quantitative Easing, QE) kein dauer­haftes Instrument der Geldpolitik sein können. Es wird auch wieder geldpolitische Phasen geben, in denen die EZB die Zentralbankgeldmenge dros­seln oder gar zurückfahren muss, um die Preis­niveaustabilität zu gewährleisten. Im Falle einer restriktiven Geldpolitik, die den Verkauf von Assets durch die Notenbank erforderlich macht, würde also ein Zielkonflikt zwischen der Wahrung der Preisstabilität und der Klimapolitik entstehen, wenn zuvor verstärkt beziehungsweise aus­schließlich grüne Assets erworben wurden.

Der bevorzugte Kauf grüner Anleihen als Instru­ment einer grünen Geldpolitik wäre daher nur effizient, wenn QE-Programme der EZB als „geld­politische Einbahnstraße“ durchgeführt werden, ein Verkauf der erworbenen Anleihen also faktisch ausgeschlossen wird. Damit würde aber die geld­politische Reaktionsfähigkeit der EZB ganz empfindlich beschnitten.

Ein verstärkter Ankauf grüner Anleihen scheint daher als Instrument einer grünen Geldpolitik nicht sonderlich geeignet zu sein.

Klimabezogene Offenlegungspflichten

Ein weiterer Vorschlag der EZB umfasst klima­bezogene Offenlegungsanforderungen als Zulas­sungskriterien für den notenbankfähigen Sicher­heitenrahmen und die Ankaufprogramme der EZB. Eine solche Vorgabe würde den noten­bankfähigen Sicherheitenrahmen und die Kauf­möglichkeiten der EZB im Rahmen ihrer QE-Programme jedoch einschränken, mit der Kon­sequenz, dass letztlich auch die Wirksamkeit von geldpolitischen Impulsen begrenzt wird.

Überzeugender wäre es deshalb, mit klimabe­zogenen Berichtspflichten positive Anreize zu setzen. Mit Blick auf die zentralbankfähigen Sicherheiten könnte dies etwa durch eine gezielte Ausweitung des Sicherheitenrahmens für grüne Assets geschehen.

Grüne Anleihen im notenbankfähigen Sicher­heitenrahmen

Um Zielkonflikte zu vermeiden und die Wirkung ihrer geldpolitischen Instrumente nicht zu be­schneiden, sollte sich die EZB bei der Umsetzung des klimabezogenen Maßnahmenplans klar auf eine dauerhafte Ausweitung des notenbank­fähigen Sicherheitenrahmens durch grüne Assets konzentrieren. Wenn Ratingagenturen bei der Bonitätsbewertung konsequent klimabezogene Risiken berücksichtigen, könnte durch erleichterte Zulassungskriterien sogar eine direkte Bevor­zugung für grüne Sicherheiten erwogen werden. Solche Überlegungen wären gerechtfertigt, da grüne Sicherheiten niedrigere klimabezogene Risiken aufweisen, wodurch – unter sonst gleichen Bedingungen – auch ihre Ausfallwahr­scheinlichkeit etwas niedriger sein dürfte.

Sicherheitenrahmen und Haircuts

Für alle Kreditgeschäfte des Eurosystems sind ausreichende Sicherheiten zu hinterlegen. Eine Liste der akzeptierten Sicherheiten wird vom Eurosystem erstellt.

Auf den Wert dieser Sicherheiten wird ein Bewert­ungsabschlag (Haircut) definiert, der als Sicher­heitspuffer für Wertverluste und die für den Ver­kauf von Sicherheiten benötigte Zeit dient. Dieser Abschlag ist abhängig von der Art der Sicherheit, von der Restlaufzeit sowie von Verzinsung und Bonität.

Die Berücksichtigung klimabezogener Risiken in den Ratings für Unternehmen würde sich auch auf die Haircuts im Sicherheitenrahmen des Eurosys­tems auswirken. Darüber hinaus wäre aber auch eine generelle Reduktion der Haircuts für grüne Sicherheiten gerechtfertigt, da genauso wie bei den Überlegungen zu leichteren Zulassungs­kriterien für grüne Sicherheiten auch bei den Haircuts berücksichtigt werden könnte, dass grüne Anleihen die allgemeinen Klima- und Preis­niveaurisiken reduzieren.

Die EZB könnte daher mit einem gezielt um grüne Sicherheiten ausgeweiteten Sicherheitenrahmen und an einer nachhaltigen Klimapolitik orien­tierten Haircuts ein gut dosierbares sowie sehr markt- und risikonahes Steuerungsinstrument für umweltpolitische Aspekte nutzen. Bei der Konzen­tration auf ihre Ankaufprogramme könnte die EZB dagegen schnell an die Grenzen ihres geldpoli­tischen Mandats stoßen. Insbesondere dann, wenn die aktuell stark ausgeweitete Zentralbank­geldmenge irgendwann einmal wieder gedrosselt werden müsste.

Position des Bankenverbandes zu einer grünen Geldpolitik der EZB

  • Eine Berücksichtigung von Klimaschutz­aspekten in der Geldpolitik der EZB ist richtig und wichtig, da mit dem Klimawandel auch gravierende Risiken für die Finanz- und Preisstabilität verbunden sein können.
  • Da klimapolitische Ziele in bestimmten Situ­ationen in einen Konflikt mit der Preisniveau­stabilität geraten können, sollte eine grüne Geldpolitik nur im Rahmen eines „Nebenziels“ in der EZB-Strategie berücksichtigt werden.
  • Nicht dauerhaft angelegte Instrumente, etwa großvolumige Anleihekaufprogramme, sind für eine grüne Geldpolitik nicht sonderlich ge­eignet, da sich hier im Falle einer restriktiven Geldpolitik ein Zielkonflikt zwischen Preisstabi­lität und Klimaschutz ergeben kann.
  • Für eine bessere geldpolitische Steuerung sollte sich die EZB bei der Umsetzung ihres klima­bezogenen Maßnahmenplans gezielt auf die Ansätze konzentrieren, mit denen der Sicherheitenrahmen durch grüne Anleihen er­weitert wird. Eine Möglichkeit sind erleichterte Zulassungskriterien für notenbankfähige Sicherheiten auf der Grundlage umwelt­politischer Kriterien.
  • Durch eine generelle Senkung der Haircuts für grüne Sicherheiten könnte ein zusätzlicher Anreiz für die Hinterlegung dieser Sicherheiten geschaffen werden.
  • Notwendige Voraussetzung für eine wirksame grüne Geldpolitik ist ein objektiver und ein­heitlicher Maßstab zur Definition grüner An­leihen und Sicherheiten. Die Bemühungen um einen gemeinsamen Klassifikationsrahmen innerhalb der EU (Taxonomie) sollten deshalb mit Nachdruck – aber auch unter dem Blick einer praktikablen Anwendung – vorange­trieben werden.