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Der digitale Euro - Chancen und Herausforderungen für Banken

02.11.2020Artikel
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Der digitale Euro - Chancen und Herausforderungen für Banken

Dr. Siegfried Utzig, Bundesverband deutscher Banken, Keynote CRYPTO ASSETS CONFERENCE

31. Oktober 2020

Es gilt das gesprochene Wort

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

mein Dank gilt zunächst den Veranstaltern der Crypto Assets Conference für die Gelegenheit, hier heute zu Ihnen zu sprechen. Sie werden sich vielleicht fragen, was ein Vertreter des Bankenverbands Ihnen in dieser durch Innovatoren geprägten Konferenz an Interessantem mitteilen kann. Banken gelten ja bisweilen als etwas zu konservativ, verknöchert und verstaubt. Ich kann Ihnen jedoch versichern, dass dies ein Trugbild ist. Banken stehen auch für Wandel, gerade bei Fragen der digitalen Transformation. So hat sich der Bankenverband bereits seit Jahren auch für Unternehmen der Fintech-Branche geöffnet und tritt für gemeinsame Interessen von Banken und Fintechs ein. Auch einige der sich hier präsentierenden Unternehmen sind außerordentliche Mitglieder des Bankenverbandes.

Innovationen im Finanzsektor werden also im Bankenverband aufmerksam zur Kenntnis genommen und in die Verbandspolitik integriert. So war der Bankenverband auch einer der ersten, der 2019 eine Position zu Libra formuliert hat und er ist bisher der einzige unter den Bankenverbänden, der das Thema eines programmierbaren Euro als relevantes Zukunftsthema aufgegriffen hat.

Libra war auch für mich persönlich ein Weckruf, schließlich sind Innovationen, die die Erscheinungsform von Geld verändern, eher selten. Erst in langen Diskussionen mit den mit der Distributed Ledger Technologie (DLT) vertrauten Kollegen wurde mir die disruptive Kraft dieser Technologie für Geld und Währung deutlich. Ganz persönlich bin ich und sind wir auch im Bankenverband wir in der Folge zum Schluss gekommen, dass die Distributed Ledger Technologie ihr großes Potential für die Wirtschaft nur dann wird ausspielen können, wenn Zentralbanken und Banken dieses auf Geld übertragen. Auf dieser Erkenntnis beruht das klare Bekenntnis des Bankenverbandes für einen digitalen Euro.   

Aber, ob Libra oder CBDC, es geht nur vordergründig um ein effizienteres System des Zahlungsverkehrs. Tatsächlich bieten die mit der DLT verbundenen Innovationen das Potenzial, die Geldordnung der letzten dreihundert Jahre auf den Kopf zu stellen. Bekanntlich fand in Europa im Verlauf des 17. Jahrhunderts ein allmählicher Übergang von einer Token-basierten – sprich auf Metallmünzen beruhenden – Geldordnung zu unserem heutigen kontenbasierten zweistufigen Banksystem mit Zentralbanken und Geschäftsbanken sowie Papiergeld statt.

Mit der DLT weist der Weg nun zurück in eine tokenbasierte Geldordnung. Nach allem was wir bisher wissen, sind sowohl Nutzen als auch Kosten für das Geldsystem und damit für Wirtschaft und Gesellschaft nur schwer abschätzbar. Wir haben also allen Grund, die potenziellen Auswirkungen sorgsam zu studieren, bevor die neuen Geldformen in die Praxis umgesetzt werden.

Chancen ergreifen

Werden zunächst die Chancen ins Auge gefasst, die mit der Innovation der tokenbasierten Geldformen – seien es Stablecoins oder CBDC – einhergehen, so spricht vieles dafür, den Schritt zu wagen. Die Vorteile wurden spätestens seit der Veröffentlichung des Libra Whitepapers in vielen Publikationen aufgelistet. Ich kann es mir an dieser Stelle also ersparen, detailliert darauf einzugehen. Genannt werden in der Regel die Verbesserung der individuellen Bequemlichkeit und Sicherheit beim Geldtransfer, sodann die drastische Verringerung der Transaktionskosten, insbesondere im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr.

Nach unserer Auffassung weit unterschätzt wird die Bedeutung einer der Digitalisierung der Wirtschaft angemessenen Geldform. Für den Bankenverband ist es ausgemacht, dass die Digitalisierung nur erfolgreich sein wird, wenn in Smart Contracts auch Bezahlvorgänge integriert werden können, Geld – sprich der Euro – also programmierbar ist. Ein wichtiger Anwendungsfall ist das machine-to-machine payment.

Meine Damen und Herren,

das alles ist ohne Zweifel interessant, aber vermutlich für Sie nichts Neues. Das bisher Gesagte hätte auch kaum Anlass zu Diskussionen außerhalb der betroffenen Fachkreise gegeben. Jedoch bewusst oder unbewusst wurde mit der Libra-Idee eines globalen Stablecoins, der in einen direkten Währungswettbewerb zu nationalen Währungen treten sollte, eine Alarmglocke betätigt. In den Monaten nach der Veröffentlichung des ersten Libra-Whitepapers setzte sich mehr und mehr die Erkenntnis durch, dass diese Innovation einen merklichen Einfluss auf die Stabilität des internationalen Finanzsystems und die monetäre Souveränität eines jeden Landes ausüben könnte.

Es ist daher selbstverständlich, dass rund um den Globus die Zentralbanken und die wichtigsten internationalen Organisationen des Finanzsystems ihre Aktivitäten im Bereich des tokenbasierten Geldes intensiviert haben. Sie haben erkannt, dass mit Libra die zentrale Frage eines jeden Geldsystems gestellt wurde – die Frage nach dem Vertrauen der Bürger in die Werthaltigkeit ihres Geldes. Auch für die Akzeptanz des digitalen Geldes beim Bürger wird Vertrauen der entscheidende Parameter für seinen Erfolg sein. Digitales Geld wird die Gesellschaft als Ganzes betreffen.

Der Fed-Chef Jerome Powell hat daher zu Recht bei der jüngsten IWF-Jahrestagung die Einführung von CBDC als eine der Fragen identifiziert, bei denen es wichtiger ist, es richtig zu machen, als der Erste zu sein. Die Aussage von Powell belegt aber auch, dass ganz offensichtlich selbst die wichtigste Notenbank der Welt keine Zweifel hegt, dass Stablecoins und CBDC eine herausragende Rolle im internationalen Geldsystem spielen werden.

CBDC erfordert Sorgfalt bei der Einführung

Meine Damen und Herren,

Die Einführung von digitalem Zentralbankgeld (CBDC) wäre aus Sicht der Banken ein gravierender, aber letztlich unvermeidbarer Eingriff in die bestehende Geld- und Währungsordnung. Wie gravierend er ausfallen würde, ist abhängig von einer Reihe von Entscheidungen zur technischen Ausgestaltung von CBDC sowie davon, wie attraktiv CBDC für die jeweiligen Nutzer gestaltet wird. Bei der technischen Ausgestaltung haben die Notenbanken bereits im Vorfeld über grundlegende Fragen zu entscheiden.

  • Soll CBDC in einer herkömmlichen kontenbasierten Form oder in Form eines digitalen Tokens erstellt werden?
  • Soll ein CBDC-Token auf Basis der DLT gestaltet werden?
  • Soll CBDC wie Bargeld zinslos sein oder soll es verzinst werden?
  • Soll CBDC programmierbar sein oder nicht?

Jede dieser Entscheidungen wird zu unterschiedlichen Formen von CBDC mit unterschied­lichen Eigenschaften führen. Ausschlaggebend für die Auswirkungen auf das Geld- und Währungssystem werden jedoch vor allem zwei sein.

  • Soll CBDC wie die bisherige Form des digitalen Zentralbankgelds nur Banken und anderen Finanzinstitutionen zur Verfügung stehen oder soll es neue Geldform für alle Bürger sein?

Fällt das Votum für ein „CBDC für alle“, dann steht als zweites die Frage,

  • soll die Zentralbank selbst die neue Geldform verteilen und verwalten oder soll dies über Banken und Finanzdienstleiter erfolgen?

In ihrem Bericht vom 2. Oktober hat die EZB für beide Fragen bereits Vorentscheidungen getroffen. Untersucht werden soll in den kommenden Monaten die Möglichkeit eines „general purpose-CBDC“ das über das bestehende Finanzsystem an die Nutzer verteilt werden soll.

Damit legt sich die EZB fest, dass sie die gegenwärtige stabile Geldordnung, die allein Banken einen privilegierten Zugang zu Zentralbankgeld gewährt und durch die Möglichkeit der Geld­schöpfung im Bankensektor eine flexible und reibungslose Finanzierung der Wirtschaft und eine verlässliche Identitätsprüfung gewährleistet, durch CBDC nicht gefährden möchte. Eine Entscheidung, die auf Seiten der Banken zunächst einmal sehr positiv aufgenommen wurde.

Jedoch darf diese Entscheidung nicht darüber hinwegtäuschen, dass CBDC den Banken einiges abverlangen wird. Um dies zu verstehen, möchte ich Sie einladen, zusammen mit mir etwas genauer hinzusehen. Sie und ich, wir alle, haben heute lediglich über Bargeld Zugang zu Zentralbankgeld. Es ist eine direkte Verbindlichkeit der Notenbank – kostengünstig und ausfallsicher. Unsere Guthaben auf Bankkonten sind demgegenüber lediglich eine Forderung gegen die einzelne Bank und mithin ausfallgefährdet. CBDC wäre für uns alle eine digitale Alternative zum Bargeld, die zumindest hinsichtlich der Sicherheit – ceteris paribus – dem Bankguthaben überlegen wäre.

Was nach der Einführung des digitalen Euro durch die EZB geschehen wird, wird abhängig sein von unserer persönlichen Risikoneigung und unter Umständen anderen Vorteilen, die der digitale Euro bieten wird. Wir können daher aus heutiger Sicht zwar prognostizieren, dass Geld von den Bankguthaben hin zu CBDC abfließen dürfte, aber wir wissen beim besten Willen nicht, wie hoch dieser Abfluss sein wird.

Was für uns als Bürger vermutlich nur ein Fingerwisch am Smartphone sein wird, dürfte jedoch die Geschäftsgrundlagen der Banken verändern. Die Einlagen der Kunden sind eine wichtige Refinanzierungsquelle für die Kreditvergabe. Sinkt das Volumen der Einlagen, muss die Bank nach alternativen Refinanzierungsquellen suchen und gelingt dies nicht, ihr Kreditvergabe einschränken. Zumindest besteht jedoch eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass die Zinsen für Kredite steigen werden. Aus den Auswirkungen von CBDC auf die Banken entstehen nun aber eine Reihe von wirtschaftspolitisch relevanten Fragen.

  • Kann als Folge von CBDC die Finanzierung der Wirtschaft beeinträchtigt werden?
  • Könnte sich CBDC am Ende gar auf Wirtschaftswachstum und Beschäftigung negativ auswirken?
  • Und, müsste die Notenbank dann am Ende nicht mit geldpolitischen Maßnahmen gegensteuern, um die schädlichen Wirkungen von CBDC zu neutralisieren?

Sie sehen, die Entscheidung für einen digitalen Euro wird weitreichende, weit über die technologische Herausforderung hinausreichende, Folgen haben. Diese werden in ihrer Bedeutung für Wirtschaft und Gesellschaft alle im Einzelnen zu bedenken sein.

Meine Damen und Herren,

Ich bin mir ziemlich sicher, dass vergleichbare Überlegungen wie die soeben geschilderten, die EZB dazu veranlasst haben, in ihrem Bericht vorzuschlagen, den Gebrauch von CBDC zum einen auf die Zahlungsmittelfunktion des Geldes und zum anderen auf die Höhe eines zulässigen Betrages zu begrenzen. Zumal sie mit einem solchen Schritt zugleich auch der Gefahr eines digitalen Bank Runs entgegengetreten kann.

Ob die vorgeschlagene Nutzungsbegrenzung aber schon der Weisheit letzter Schluss ist, muss noch eingehend diskutiert werden. Es ist richtig, dass damit einerseits die direkten negativen Einflüsse auf das Bankensystem begrenzt werden. Aber dieser Schritt hat einen Preis. Die vorgesehenen Einschränkungen sind nämlich nichts anderes als eine Beschränkung der Konvertibilität des Euro.

Damit stellen sich erneut eine Reihe von Fragen:

  • Welche Einschränkungen im bestehenden Geldsystem sind zugunsten von CBDC vertretbar, ohne dass die Währungs- oder Finanzstabilität gefährdet wird?
  • Wie kann eine stabile Balance zwischen CBDC und dem bestehenden Bankensystem erreicht werden?
  • Wie kann die Notenbank gleichzeitig Innovation und Effizienz fördern?

Zur Beantwortung bedarf es sicherlich noch umfangreicher Untersuchungen und Diskussionen.

Die ausführliche Darstellung der Hürden für CBDC darf keinesfalls als Plädoyer gegen den digitalen Euro missverstanden werden. Ganz im Gegenteil, die privaten Banken in Deutschland sehen in CBDC ein notwendiges Instrument, um die Digitalisierung der europäischen Wirtschaft erfolgreich voranzubringen und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Der digitale Euro ist darüber hinaus erforderlich, um wettbewerbliche Angriffe anderer Geldformen abzuwehren, die für sich beanspruchen eine glaubwürdige Alternative als Tauschmittel und potenziell als Wertaufbewahrungsmittel in der Euro-Zone zu sein.

Stablecoins -die Zukunft des Geldes?

Meine Damen und Herren,

damit kann ich die Brücke schlagen zu anderen token-basierenden Geldformen, ich meine Stablecoins. Auch sie stellen eine neue Herausforderung für das europäische Bankensystem dar. Stablecoins sind der Versuch, das Vertrauen in die Stabilität eines Tokens, das Bitcoin mit der Blockchaintechnologie alleine nicht erreichen konnte, mit der Absicherung durch gesetzliche Zahlungsmittel oder staatliche Wertpapiere zu gewährleisten. Also kurz gesagt, nicht die Blockchain macht Libra zu Geld, sondern erst die Absicherung des Tokens mit staatlichem Geld.

Gleichwohl entstehen mit dem Vordringen der Distributed Ledger Technologie (DLT) in die Sphäre von Geld und Währung neue bisher nicht gekannte Formen des Wettbewerbs, weil erst die DLT bisher unbekannte vielfältige Differenzierungen erlauben wird. Die mit dieser Technologie möglichen neuen Geldformen konfrontieren daher Politik und Wirtschaft mit komplexen regulatorischen und praktischen Herausforderungen.

Die Libra-Association hat in ihrem im April dieses Jahres veröffentlichten zweiten Whitepaper die staatliche Regulierungshoheit offenbar akzeptiert, eine von den Notenbanken unabhängige Weltwährung wird es zumindest von Libra nicht geben.

Enthusiasten aus der Blockchain-Szene mögen über diesen Schwenk enttäuscht sein. Aber die Ankündigung von Single-Currency-Stablecoins könnte zusammen mit der Möglichkeit, Libra mit Smart Contracts zu verbinden, Libra insgesamt zum Durchbruch verhelfen. Vorausgesetzt, ein Euro-Libra ist in einer Welt mit negativen Zinsen noch ein rentables Geschäftsmodell. Jedenfalls könnte, dieses vorausgesetzt, der programmierbare Euro mit Libra Realität werden. Wieviel Platz daneben für andere Anbieter eines programmierbaren Euros bleibt, ist ungewiss. Für den Bankensektor in Deutschland und Europa stellt ein Euro-Libra jedenfalls eine weitaus größere Herausforderung dar als die Währungskorb-Libra.

Handlungsmöglichkeiten der Banken

Meine Damen und Herren,

Bislang habe ich das Erscheinen neuer auf DLT basierender Geldformen vor allem als eine Bedrohung für das bestehende Bankensystem beschrieben. Dies ist auch objektiv so der Fall. Banken stellen insbesondere in Deutschland einen großen Teil der finanziellen Infrastruktur zur Verfügung. Nähmen die Banken Schaden, würde auch diese Infrastruktur Schaden nehmen, mit negativen Folgen für Investitionen und Vermögensbildung in Deutschland. Dem möglichen Nutzen eines effizienteren Zahlungsverkehrs durch Stablecoins wie Libra sollte also zwingend die Kosten einer möglichen Destabilisierung der Finanzinfrastruktur entgegengestellt werden. Die privaten Banken in Deutschland ziehen daraus nicht etwa den Schluss, Innovationen wie Libra zu untersagen. Das Gegenteil ist der Fall, denn Banken sind selbst und zum Teil zusammen mit Fintech-Unternehmen Teil des Innovationsprozesses im Finanzsektor. Sie fordern allerdings, dass der Wettbewerb unter gleichen Bedingungen stattfindet.

Wenn sowohl CBDC als auch Stablecoins das Bankgeschäft belasten werden, dann sollten die Banken im Gegenzug sich zunächst auf ihre Stärken besinnen, die sie im Zahlungsverkehr ohne Zweifel besitzen. Gemeinsam mit den europäischen Notenbanken könnten sie die Verbesserung der Effizienz des Zahlungsverkehrs vorantreiben. Beispielsweise könnte viel getan werden, um die Geschwindigkeit und Verfügbarkeit von Instant-Payment-Mechanismen zu erhöhen und deren Einbindung in smart contracts zu ermöglichen.  

Sollten allerdings CBDC und Libra erst einmal Realität geworden sein, dann dürfte der zu erwartende Verlust an Bankeinlagen die Banken zusätzlich zur Änderung ihrer Geschäftsmodelle hinsichtlich der Finanzierung ihrer Kreditvergabe zwingen. Um im Wettbewerb mit den innovativen Geldformen zu bestehen, werden sie die Attraktivität der Bankeinlagen sowie das bestehende Zahlungsverkehrssystem an die neue Benchmark anpassen müssen. Die Banken haben hierzu verschiedene Handlungsalternativen. Ich bin sicher, sie werden sie einsetzen. Die Botschaft an die neuen Wettbewerber, kann daher nur heißen, es genügt nicht eine technologische Innovation zu sein, um auch ökonomisch erfolgreich zu sein.

In den Überlegungen der Banken wird sicher auch eine Rolle spielen, dass auf DLT basierte smart contracts eine rasch wachsende Bedeutung in der Wirtschaft erringen werden. Mit ihnen wird dann auch der Bedarf für einen programmierbaren Zahlungsverkehr wachsen. Sicherlich wird es eine zeitlang möglich sein, diese Aufgabe mit kontenbasierten instant payment Lösungen zu bewältigen. Jedoch ist absehbar, dass der Bedarf an tokenbasierten Zahlungsverkehrsformen rasch zunehmen wird.

Die Bundesbank hat mehrfach darauf verwiesen, dass es in einer Marktwirtschaft die vorrangige Aufgabe der privaten Akteure ist, innovative Zahlungslösungen zu entwickeln. Die Geschäftsbanken sind daher gefordert, selbst eine tokenbasierte Geldform zu entwickeln, wollen sie am Zahlungsverkehr einer digitalisierten Wirtschaft noch Anteil haben. Darin besteht aus heutiger Sicht die eigentliche Herausforderung für den Bankensektor.

Denn einen Euro-Token des Bankensektors, der wie heute das Giralgeld der Banken, frei konvertierbar ist, wird in einer Token-Welt nur durch einen Stablecoin zu erreichen sein. Dies bedeutet aber, dass nach unserer heutigen Erkenntnis der Token anders als heute das Bankguthaben, voll gedeckt sein muss. Eine solche Deckung könnten die Banken mit Wertpapieren, Immobilien- und Unternehmenskrediten oder Zentralbankgeld vornehmen. Die Konvertibilität eines Euro-Tokens des Bankensektors würde damit auf die Geschäftsgrundlagen der Banken tendenziell die gleichen Auswirkungen haben wie CBDC oder Libra. Die Hürden auf dem Weg zu einem Stablecoin der Geschäftsbanken sind damit hoch. Ob die Banken die damit verbundenen Herausforderungen annehmen und einen eigenen Stablecoin schaffen, ist derzeit noch ebenso offen, wie die Frage welche Variante gewählt werden sollte.

Anpassung der Regulierung erforderlich

Meine Damen und Herren,

Ganz unabhängig vom Entscheidungsprozess innerhalb des Bankensektors wird es zwingend notwendig sein, dass für die zu erwartende neue Form des Wettbewerbs ein level playing field zwischen Banken und den neuen Wettbewerbern besteht. Dies bedeutet, dass die bestehenden Regeln und Vorschriften für traditionelle Finanzunternehmen auf die neuen technologiebasierten Finanzdienstleister nach dem bekannten Prinzip same risk, same rule angewandt werden sollten. Die EU-Kommission hat mit ihrem Entwurf zu einer „Regulation on Markets in Crypto-Assets (MiCA)“ dazu einen ersten Vorschlag gemacht. Die Einzelheiten werden in den kommenden Wochen und Monaten zu diskutieren sein.

Aus Sicht der Banken ist dabei vor allem darauf zu achten, dass die bestehenden Regulierungsvorschriften auf neue Marktteilnehmer so angewandt werden, dass sie nicht zu einer ungewollten regulatorischen Arbitrage führen. Die Herausforderung der Regulierung besteht allerdings darin, nicht gleichzeitig auch den Spielraum für Innovationen zu beschneiden. Denn Innovationen sind die Treiber der digitalen Transformation, auch in den Banken.

Lassen Sie mich zum Schluss kommen und zusammenfassen.

Die Digitalisierung des Geldes wird nicht aufzuhalten sein. Beide Geldformen – privates wie auch öffentliches – werden sich dieser Entwicklung nicht entziehen können. Allerdings gilt in Gelddingen ganz besonders, dass Genauigkeit Vorrang vor Schnelligkeit besitzt. Wer mit den verschiedenen Ausprägungen eines digitalen Geldes eine goldenere Zukunft verspricht, handelt nur dann ehrlich, wenn er zuvor die Auswirkungen auf die Geldordnung analysiert und offengelegt hat. Digitales Geld, insbesondere auf Basis der Distributed Ledger Technologie, mag eine technologische Herausforderung sein, die bewältigt werden wird. Digitales Geld darf jedoch nicht zu einer ordnungspolitischen Zumutung werden, welche die Funktionsfähigkeit der Marktwirtschaft beeinträchtigt.

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Juliane Weiß

Pressesprecherin für Regulierung der Finanzmärkte, Einlagensicherung, Finanzbildung, Steuern, Geldwäsche und Finanzfritzen/Instagram

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