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Wie Klimastresstests bei der Risikobeurteilung unterstützen können

13.12.2022Artikel
Torsten Jäger
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Der Klimawandel und die notwendige Transformation der Wirtschaft sind die zentralen Herausforderungen unserer Zeit – auch für die Kreditwirtschaft. Denn die Banken sind nicht nur Teil der Lösung, sie wollen und müssen Klimarisiken, die ebenso auf den Finanzsektor ausstrahlen können, angemessen steuern. Klima- und Umweltrisiken zu messen, ist jedoch kein einfaches Unterfangen. Der lange Zeithorizont, in dem sich klimatische Veränderungen abspielen, der hohe Grad an Unsicherheit von Prognosen, die kaum vorhersehbaren Wirkungen von Interdependenzen sowie die mangelnde Qualität und Verfügbarkeit relevanter Daten sind hier als Stichworte zu nennen [Link].

Die deutsche Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und die Europäische Zentralbank (EZB), die in der Eurozone die großen Häuser beaufsichtigt, erwarten zu Recht, dass die Banken Klima- und Umweltrisiken in ihrem Risikomanagement angemessen berücksichtigen. Eine konkrete aufsichtliche Anforderung besteht etwa darin, die Auswirkungen von Klima- und Umweltrisiken auf die Aktivitäten des eigenen Instituts durch Stresstests bzw. Szenarioanalysen zu bewerten. Diese Erwartung richtet sich keineswegs nur an die größeren Banken, sondern ebenso an die kleineren Häuser.

In der Tat sind derzeit Szenarioanalysen das probate Mittel, wenn es darum geht, die Auswirkungen bestimmter Entwicklungspfade auf die einzelnen Portfolien einer Bank zukunftsgerichtet zu analysieren. Ein prominentes Beispiel für ein solches Vorgehen war der diesjährige Klimastresstest der EZB, mit dem potenzielle Verluste im Rahmen von zwei kurzfristigen und drei langfristigen Szenarien ermittelt wurden. In quantitativer Hinsicht hat der Stresstest gezeigt, dass die prognostizierten Verluste für den Bankensektor im Durchschnitt unauffällig waren [Link]. In qualitativer Hinsicht wurde deutlich, dass methodische Fragestellungen und die Datenverfügbarkeit Banken und Aufsicht weiterhin vor Herausforderungen stellen. Insofern scheint die Einordnung des Tests als „Lernübung“ richtig zu sein. 

Um Institute bei der effektiven Durchführung von Klimastresstests zu unterstützen, hat der Bankenverband mit einem kleineren Kreis von Mitgliedsbanken ein Eckpunktepapier [Link] mit konkreten Empfehlungen erarbeitet. Der Fokus liegt dabei bewusst auf mittelständischen Banken, für die ein möglichst einfacher und handhabbarer Weg zur Durchführung von Klimastresstests aufgezeigt wird. Das Papier enthält zudem direkte Verweise auf die Szenarien des Network for Greening the Financial System (NGFS), die eine gute Basis zur Durchführung und Bewertung eigener Klimastresstests bieten. 

Fast noch wichtiger als die Ergebnisse eines Klimastresstests ist der Weg, wie man zu diesen Ergebnissen kommt. Denn ohne gute Datengrundlage, kein gutes Ergebnis. Oder wie ein bekannter Spruch unter Risikomanagern lautet: „Garbage in – garbage out!“ Insofern ist die erste und wichtigste Übung, die eigenen Portfolien sorgfältig zu „zerlegen“ und damit die Voraussetzung für eine hinreichend gute Datenbasis zu schaffen: In welchen Branchen sind die Kunden aktiv? Wie viel CO2 steckt in den ausgereichten Krediten? Auf der Grundlage solcher und vieler weiterer Fragen können dann die Szenarien bespielt und die Auswirkungen auf die Portfolien in unterschiedlichen Transformationspfaden berechnet werden.  

Zu guter Letzt kommt es sehr darauf an, mit den Ergebnissen von Klimastresstests sinnvoll umzugehen. Das bedeutet vor allem, sie im Schwerpunkt qualitativ zu würdigen. Aus ihnen eine quantitative Kapitalunterlegung von langfristigen Klima- und Umweltrisiken abzuleiten, ergibt hingegen wenig Sinn. Im Kern muss es darum gehen, aus den Analysen zu lernen und Handlungsoptionen abzuleiten, um das Geschäftsmodell zukunftsgerichtet auszugestalten. Die Ergebnisse können in diesem Sinne Diskussionen über die strategische Ausrichtung befruchten, aber auch Impulse für die Weiterentwicklung der Kreditvergaberichtlinien geben.