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Positionspapier: Finanzstandort Deutschland verbessern

07.06.2021Positionspapier
Sarah Schmidtke
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Inhalt

Einleitung

1. Einheitlicher europäischer Kapitalmarkt und Zugang zu internationalen Kapitalmärkten für institutionelle Kapitalmarktteilnehmer

2. EU-weit einheitliche Spielregeln und Aufsichtspraxis schaffen

3. Rechtsstandort Deutschland verbessern

4. Geldwäschebehörde ansiedeln

5. Emissionsstandort verbessern

6. Steuerrecht wettbewerbsfähig machen

7. Befreiender IFRS-Einzelabschluss

8. Attraktivität für inländische und ausländische Arbeitskräfte erhöhen

9. Finanzbildung ausbauen

10.Bürokratiekosten senken

11. Finanzmarktdialog verbessern


Einleitung

Wir wollen, dass Deutschland ein international wettbewerbsfähiger Finanzplatz und der führende Finanzstandort eines immer weiter integrierten Europäischen Finanzbinnenmarktes bleibt. Beide Stoßrichtungen müssen hohe und gleiche politische Priorität genießen – gerade in der Post-Brexit-Zeit: Es gilt, sowohl die Standortbedingungen in Deutschland zu verbessern als auch die Integration des Europäischen Finanzbinnenmarktes voranzutreiben. Letzteres ist vorrangig möglich durch

  • weitere, engagierte und ambitionierte Schritte in Richtung Bankenunion und Kapitalmarktunion,
  • die schnelle Verabschiedung des Digital-Pakets der Europäischen Kommission,
  • die weitere Harmonisierung der Geldwäschebekämpfung und der Kundenidentifizierung,
  • eine ambitionierte Nachhaltigkeitsstrategie und
  • eine Modernisierung der europäischen Verbraucherrechterichtlinien.

Ein so leistungsfähiger Finanzstandort stellt alle notwendigen Finanzdienstleistungen für die inländischen privaten Kunden und Unternehmen bereit und sichert institutionellen Marktteilnehmern auch den Zugang zum und aus dem internationalen Kapitalmarkt. Er ist Marktplatz für die deutschen, europäischen und internationalen Aktivitäten von Banken, Vermögensverwaltern und weiterer Dienstleister und stellt so durch einen intensiven Wettbewerb ein optimales Angebot bereit.

Der Brexit unterstreicht die Dringlichkeit, im europäischen Finanzbinnenmarkt zu Fortschritten zu kommen. Vor allem aber wird die Investitionsoffensive, die wir nach der Corona-Krise brauchen, nur mit leistungsstarken Banken und Kapitalmärkten zu bewältigen sein.

Während der Bankenmarkt sowohl wettbewerbsintensiv als auch vielfach effizient ist, besteht bei der Gestaltung des deutschen und europäischen Kapitalmarktes Nachholbedarf. Für den Banken- wie den Kapitalmarkt gilt: eine gute Regulierung und eine leistungsfähige Aufsicht sind Grundvoraussetzungen für den Erfolg.


1. Einheitlicher europäischer Kapitalmarkt und Zugang zu internationalen Kapitalmärkten für institutionelle Kapitalmarktteilnehmer

Der deutsche und europäische Kapitalmarkt muss global ausgerichtet und im internationalen Vergleich wettbewerbsfähig bleiben. Ein zentrales Element ist die Sicherung des Zugangs zu den internationalen Kapitalmärkten für europäische institutionelle Kapitalmarktteilnehmer auf Grundlage europaweit möglichst einheitlicher, klarer und ausgewogener aufsichtlicher Rahmenbedingungen für das grenzüberschreitende Kapitalmarktgeschäft.

  • Die aufsichtlichen Rahmenbedingungen für grenzüberschreitende Kapitalmarktgeschäfte zwischen institutionellen Kapitalmarktteilnehmern werden weitgehend durch das deutsche Aufsichtsrecht bestimmt und nur punktuell – soweit Äquivalenzentscheidungen vorgesehen sind - durch europäische Regelungen. Die deutschen aufsichtsrechtlichen Rahmenbedingungen sind auch im innereuropäischen Vergleich sehr rigide und komplex. Ein erster kurzfristig umsetzbarer Schritt wäre die grundlegende Modernisierung der aktuellen BaFin-Aufsichtspraxis durch Überarbeitung des BaFin-Merkblattes zur Erlaubnispflicht von grenzüberschreitend betriebenen Geschäften. Der nächste Schritt wäre eine Entschlackung der relevanten KWG- und WpHG-Bestimmungen mit dem Ziel der Schaffung eines klaren und ausgewogenen Rahmens für grenzüberschreitende Kapitalmarktgeschäfte unter institutionellen Kapitalmarktteilnehmern.
  • Im Interesse eines echten europäischen Kapitalmarkts sollte parallel dazu auf europäischer Ebene auf eine Harmonisierung der entsprechenden nationalen Rahmenbedingungen für grenzüberschreitende Kapitalmarktgeschäfte hingewirkt werden. Ziel muss sein, die Wettbewerbsfähigkeit, Attraktivität und Offenheit des europäischen Finanzmarktes gerade auch gegenüber ausländischen Investoren zu stärken. Dazu gehört es, den Zugang aus der EU zum internationalen Banken- und Kapitalmarkt (und umgekehrt) zu ermöglichen bzw. auszubauen sowie die Kooperation mit Drittstaaten zu vertiefen. Es dürfen keine Wettbewerbsverzerrungen innerhalb der EU durch uneinheitliche Rahmenbedingungen über nationale Alleingänge (anderer Mitgliedsstaaten) stattfinden.
  • Hierzu gehören auch möglichst umfassende und dauerhafte europäische Äquivalenzentscheidungen auf Grundlage der europäischen Marktzugangsregelungen.

2. EU-weit einheitliche Spielregeln und Aufsichtspraxis schaffen

Neben der weiteren Integration in Europa durch einheitliche Regeln und deren Anwendung durch alle europäischen Aufsichtsbehörden muss Deutschland konsequent auf die Verschärfung europäischen Rechts im Zuge der nationalen Umsetzung (sog. „Gold-Plating“) verzichten und nationale Regelungen, die nicht mit den europäischen und internationalen Marktstandards und Marktpraktiken vereinbar sind, modernisieren. Hierzu zählen:

  • Die vollständige und einheitliche Umsetzung von EU-Richtlinien.
  • Die Anpassung des deutschen Vergütungsregimes.
  • Die Regeln für Datenschutz und Datenübermittlung.
  • Die gezielte Überprüfung des EU-Rechtsrahmen für die Finanzmarktregulierung und Nutzung für notwendige Korrekturen (z.B. MIFID II/MiFIR, CSDR, BMR, MAR, Finanzsicherheitenrichtlinie, Finalitätsrichtlinie).
  • Die Weiterentwicklung standardisierter Abwicklungsprozesse (z.B. bei Kapitalmaßnahmen).
  • Die Ausschöpfung des Europäischen Rahmens hinsichtlich der Nutzung zusätzlicher Kreditforderungen (Additional Credit Claims, ACCs) als Sicherheiten im Eurosystem.
  • Die Vereinheitlichung der rechtlichen Rahmenbedingungen zum Schutz von Nettingvereinbarungen als wesentliche Risikosteuerungsinstrumente.

Überdies sollte sichergestellt werden, dass EU-weit eine vergleichbare Kontrollintensität gegeben ist.

3. Rechtsstandort Deutschland verbessern

Deutschland muss ein im Wirtschaftsrecht wettbewerbsfähiger Rechtsstandort werden, damit deutsche, europäische und internationale Marktteilnehmer das deutsche Recht und deutsche Gerichte gerne nutzen und Kapitalmarktgeschäfte in deutlich größerem Umfang als bisher auch unter deutschem Recht abgewickelt werden. Dies sichert nicht nur eine größere Konsistenz zwischen Aufsichts- und Vertragsrecht, sondern hat auch Netzwerkeffekte, die wiederum die Qualität des Finanz- und Wirtschaftsstandortes erheblich erhöhen. Zudem reduziert dies die Transaktionskosten für deutsche Unternehmen. Ansatzpunkte sind:

  • Die Modernisierung des Vertrags- und Handelsrechts:
    • Ausnahme für Verträge zwischen Unternehmen und Finanzmarktteilnehmern von der für Verbraucher entwickelten gerichtlichen AGB-Inhaltskontrolle bei marktüblichen Regelungen in Verträgen über Kapitalmarktgeschäfte
    • Beseitigung überflüssiger (Schrift-) Formerfordernisse (z.B. bei Wahldividende)
    • Überprüfung des Zinseszinsverbotes bei Kapitalmarktgeschäften zwischen institutionellen Kapitalmarktteilnehmern.
  • Die Internationalisierung der Gerichtsbarkeit: Schaffung bestimmter Zuständigkeiten für kapitalmarktrechtliche Streitigkeiten mit internationalem Bezug und Englisch als optionaler Gerichtssprache durch Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes.
  • Die Verbesserung insolvenzrechtlicher Rahmenbedingungen für das Kunden-Clearing (z.B. Schutz von Clearingketten bei Ausfall einer zwischengeschalteten Partei).
  • Die Nutzung der Möglichkeiten der Digitalisierung, insbesondere durch
    • digitale Geschäftsabschlüsse sowie die
    • digitale Kundenkommunikation.
  • Die grundlegende Reflektion des Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft vor dem Hintergrund, keine unnötigen Belastungen einzuführen.

4. Geldwäschebehörde ansiedeln

Höchste Standards der Geldwäschebekämpfung sind ein Qualitätsmerkmal für einen Finanzstandort. Auch die EU will die Geldwäschebekämpfung verbessern. Von daher wird auch über Pläne zur Einführung einer einheitlichen EU-Geldwäschebekämpfungsbehörde diskutiert.

  • Die Bundesregierung soll sich frühzeitig für die Ansiedlung der EU-Geldwäschebekämpfungsbehörde in Deutschland einsetzen.
  • Eine entsprechende Kampagne hierzu sollte mit Unterstützung des geplanten Sitz-Bundeslandes und der Finanzbranche durchgeführt werden.

5. Emissionsstandort verbessern

Die Bedeutung und Leistungsfähigkeit des Finanzstandortes Deutschland steigt, wenn möglichst viele Emissionen hoher Qualität in Deutschland stattfinden. Dafür müssen die rechtlichen Rahmenbedingungen verbessert werden.

  • Modernisierung des Schuldverschreibungsrechts im Hinblick auf internationale Praktiken und Entwicklungen in den Emissionsmärkten, insbesondere durch Einschränkung der AGB-Inhaltskontrolle für Anleihebedingungen, die den internationalen Marktpraktiken entsprechen.
  • Ausweiterung der Möglichkeit, digitale/elektronische Wertpapiere zu begeben.

6. Steuerrecht wettbewerbsfähig machen

Das deutsche Steuerrecht ist aus internationaler Perspektive vor allem komplexer als das der wichtigsten Wettbewerber – sowohl was die regulative Ausprägung als auch die Prozesse angeht. Steuerliche Vorschriften werden so immer mehr zum Standortfaktor. Ansatzpunkte zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit sind:

  • Wettbewerbsfähige Unternehmensbesteuerung mit einer Gesamtbelastung von nicht mehr als 25 % herstellen.
  • Abgeltungssteuer erhalten und steuerliche Anreize zur Stärkung der Aktienkultur schaffen.
  • Keine neuen Belastungen einführen, insbesondere keine finanzmarktschädliche Finanztransaktionssteuer.
  • Steuerliche Abzugsfähigkeit der Bankenabgabe einführen.
  • Rechtssicherheit erhöhen und Verfahren beschleunigen und vereinfachen.

7. Befreiender IFRS-Einzelabschluss

Deutschland verlangt, anders als viele andere EU-Mitgliedstaaten, zwingend einen HGB-Einzelabschluss auch von Unternehmen, die gesetzlich nach IFRS bilanzieren müssen. In Deutschland sollte künftig die Option bestehen, einen IFRS-Einzelabschluss mit befreiender Wirkung aufzustellen. Die reduziert bürokratischen Lasten, ermöglicht eine einfache und transparente Kommunikation der Unternehmen, stellt eine Gleichbehandlung deutscher Unternehmen in der EU sicher und verbessert die europäische und internationale Vergleichbarkeit von Unternehmensabschlüssen.

8. Attraktivität für inländische und ausländische Arbeitskräfte erhöhen

Der Kampf um qualifizierte Arbeitskräfte ist zu einem wesentlichen Standortfaktor geworden. Auch hier muss sich die Finanzmarktpolitik erheblich verbessern – sowohl hinsichtlich der Ausbildungs- und Berufswahl inländischer Schülerinnen und Schüler und als auch hinsichtlich der Attraktivität für ausländische Arbeitskräfte. Ansatzpunkte sind:

  • die aktive Förderung der Ansiedlung von europäischen und internationalen High Potentials.
  • die Beseitigung von administrativen Lasten beim Zugang von Arbeitskräften aus Nicht-EU-Ländern und
  • die Stärkung von mathematisch-quantitativen Kapitalmarktaspekten in der universitären Ausbildung.

9. Finanzbildung ausbauen

Ein weiterer Baustein der Standortpolitik muss die Verbesserung der Finanzbildung sein – sowohl um das Verständnis der Bedeutung des Finanzplatzes für die Finanzierung der Wirtschaft zu verbessern als auch die aktive Teilhabe an den ökonomischen Vorteilen des Finanzplatzes für breite Bevölkerungsschichten zu erhöhen.

  • Finanzbildung der Bevölkerung erhöhen und mehr Verständnis für die Funktionsweise der Banken- und Kapitalmärkte sowie ihrer Bedeutung für die Finanzierung von Unternehmen und privaten Haushalten schaffen.
  • Durch mehr Finanzbildung ein höheres Verständnis für die Herausforderungen und Lösungsmöglichkeiten im Bereich der Altersvorsorge und die private Vermögensbildung schaffen.
  • Durch mehr Finanzbildung auch langfristige Beiträge zur Behebung des Fachkräftemangels leisten.

10. Bürokratiekosten senken

Unnötige Bürokratiekosten belasten die Finanzmarktteilnehmer in Deutschland erheblich und sind aktuell ein Standortnachteil. Ansatzpunkte sind:

  • Die weitestmögliche Begrenzung der Inanspruchnahme von Unternehmen für staatliche Aufgaben
  • Eine Effizienzerhöhung im Meldewesen von Banken und Kapitalmarktteilnehmern.
  • In der aktuellen wirtschaftlichen Situation muss sich die Politik zu einem Belastungsmoratorium verpflichten.

11. Finanzmarktdialog verbessern

Zu einem attraktiven Finanzmarkt gehört auch ein intensiver Dialog zwischen inländischen und ausländischen Marktteilnehmern einerseits und Politik und Aufsicht andererseits. Ansätze dafür sind:

  • Schaffung vielfältiger Austauschmöglichkeiten und deren selbstbewusste Nutzung
  • Verbesserung bei der Konsultation im Vorfeld der Rechtssetzung; um eine sachgemäße Beteiligung an Konsultationen zu ermöglichen, sollten die Konsultationsfristen in einem angemessenen Verhältnis zur Komplexität und zum Umfang der konsultierten Materie (z.B. Gesetzentwürfe) stehen.
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Sarah Schmidtke

Geschäftsführerin

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