Der klassische Karriereweg in eine Bank beginnt noch immer mit einer Berufsausbildung zum Bankkaufmann bzw. zur Bankkauffrau. Mehr als 60 Prozent der Berufseinsteiger starten im privaten Bankgewerbe mit einer dualen Ausbildung. Für sie wird künftig die neue Ausbildungsordnung zum Bankkaufmann/zur Bankkauffrau maßgebend sein, die zu Beginn des Ausbildungsjahres am 1. August 2020 in Kraft tritt. Sie ist in mehr als 80 Jahren der geregelten Berufsausbildung im Bankgewerbe die siebte Ausbildungsordnung und löst die bisherige gültige aus dem Jahr 1998 ab.
Angesichts immer kürzerer Veränderungszyklen in der Banken-Arbeitswelt war es an der Zeit für eine grundlegende Überarbeitung. Die neue Ausbildungsordnung macht fit für neue Anforderungen in der Finanzwelt und ist ein Meilenstein in der Entwicklung des Bankberufes. Sie stellt den Kunden konsequent in den Mittelpunkt der Ausbildung und berücksichtigt von Anfang an Aspekte der zunehmend digitalisierten Arbeitswelt.
Das Neuordnungsverfahren Bankkaufleute
Bis es dazu kommen konnte, war ein zeitlicher Vorlauf von rund drei Jahren und viel Koordinierungsarbeit zwischen allen Beteiligten zu leisten. Bereits 2016 und 2017 hatte sich die Arbeitgeberseite auf Initiative des privaten Bankgewerbes mit dem Kompetenzprofil von Bankkaufleuten und den Inhalten einer Neuordnung des Berufsbildes beschäftigt. Zwischen den beteiligten Verbänden der Kreditwirtschaft – der Arbeitgeberverband des privaten Bankgewerbes, der Bundesverband der Volks- und Raiffeisenbanken und der Deutsche Sparkassen- und Giroverband – herrschte Einigkeit darüber, dass man den Branchenberuf „Bankkaufmann/Bankkauffrau“ als Monoberuf beibehalten wollte. Ziel der Neuordnung sollte sein, das hohe Qualifikationsniveau des Berufes beizubehalten. Die Ausbildung sollte weiterhin die klassischen Geschäftsbereiche eines Kreditinstitutes abbilden und um gestiegene Anforderungen bei den kundenbezogenen Kompetenzen und neuen Arbeitsformen ergänzt werden. Zugleich sollte sie offen sein für neue Geschäftsfelder, Aspekte einer sich digitalisierenden und verändernden Arbeitswelt aufnehmen und sowohl auf analoge wie digitale Kundenbeziehungen abstellen. Auf dieser Basis haben die Verbände im Dezember 2017 mit der Gewerkschaft Verdi über eine Neuordnung diskutiert. Schnell stellte sich heraus, dass die Vorstellungen der Sozialpartner nahe beieinander lagen; schon Anfang Juni 2018 konnte man sich auf gemeinsame Eckpunkte einigen.
Das Neuordnungsverfahren ist ein formeller Prozess der konsensualen Zusammenarbeit zwischen den Verbänden und Gewerkschaften als Sozialpartner sowie verschiedenen Ministerien, dem Bundesinstitut für Berufsbildung (BiBB) und den Vertretern der Kultusministerkonferenz (sie sind als Vertreter der Länder zuständig für die Überarbeitung des Lehrplans der Berufsschulen). Am Ende steht eine neue Ausbildungsordnung, die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie erlassen wird.
Das formelle Antragsgespräch im August 2018 markierte den offiziellen Start des Neuordnungsverfahrens. Noch im Dezember 2018 fand die konstituierende Sitzung der Sachverständigen beim BIBB statt. In weniger als sechs Monaten haben es die Sachverständigen durch ihre konstruktive Zusammenarbeit bis zum Juni 2019 geschafft, eine vollständig neue Ausbildungsordnung zu konzipieren. Parallel dazu hat ein Sachverständigengremium der Länder einen neuen Rahmenlehrplan für den Berufsschulunterricht entwickelt. Damit wird sichergestellt, dass sich die praktische betriebliche Ausbildung und der Stoff der Berufsschulen ergänzen. Die neue Ausbildungsordnung tritt zum Beginn des Ausbildungsjahres 2020 in Kraft.
Handlungsorientierung und Kompetenzen im Zentrum
Die neue Ausbildungsordnung ist handlungsorientiert formuliert. Das bedeutet: Die relevanten Arbeits- und Geschäftsprozesse des typischen Einsatzbereichs von Bankkaufleuten, die sogenannten Berufsbildpositionen, sind so gestaltet, dass sie vollständige berufliche Handlungen beschreiben. Dabei lassen sich die neu zugeschnittenen Berufsbildpositionen grob in vier Kategorien einteilen:
- Berufsbildpositionen, die an klassische Geschäftsfelder anknüpfen,
- Berufsbildpositionen, die kundenorientierte Schlüsselkompetenzen darstellen und damit nicht mehr nur als „soft skills“ wahrgenommen werden,
- Berufsbildpositionen, die moderne Arbeitsformen und Arbeitsmethoden vermitteln (Stichwort „agile working“) und
- Standardberufsbildpositionen, die (integrativ) in jedem Berufsbild vermittelt werden sollen.
Kern der neuen Ausbildungsordnung ist die Beratungskompetenz. Die Berufsbildpositionen „Serviceleistungen anbieten“, „Kunden ganzheitlich beraten“ sowie „Kunden gewinnen und Kundenbeziehungen intensivieren“ wurden neu erarbeitet und bilden vollständige strukturierte Beratungsprozesse ab. Die individuelle Situation der Kunden, ihre Bedürfnisse und Erwartungen werden in den Mittelpunkt gestellt und bilden die Grundlage für eine nachhaltige Kundenbeziehung. Diese Neuerungen sind ein Meilenstein in der Ausbildungsordnung und bilden – zusammen mit den notwendigen, auf den Kunden bezogenen Qualifikationen – die Schlüsselkompetenzen des neuen Berufsbildes. In die neuen Berufsbildpositionen fließen somit auch kommunikative, sprachliche, soziale und soziokulturelle Kompetenzen ein, ebenso wie analytische Fähigkeiten, vernetztes Denken und die Fähigkeit, digitale Arbeitsmittel und Methoden im Rahmen beruflicher Handlungen einzusetzen. Die Aspekte moderner Arbeitsformen wie agiles Arbeiten oder Teamarbeit finden sich in der Berufsbildposition „Projektorientiert arbeiten“ sowie in der Berufsbildposition „Prozesse und Wechselwirkungen einschätzen“ wieder. Sie unterstreichen die Bedeutung von Methodenkompetenzen bereits in der beruflichen Erstausbildung.
Dem Wandel im Zahlungsverkehr Rechnung getragen
Den beruflichen Erfordernissen von Bankkaufleuten angepasst wurden die Bereiche, die in der heutigen Banken-Arbeitswelt keine so große Rolle mehr spielen, wie z.B. „Rechnungswesen“ und „Zahlungsverkehr“. Angesichts automatisierter Massenprozesse sind vertiefte Kompetenzen im Zahlungsverkehr nur noch in Sonderfällen wie beispielsweise bei gewerblichen Kunden erforderlich. Auch Kenntnisse im allgemeinen Rechnungswesen haben durch Zentralisierungsprozesse insgesamt an Bedeutung verloren, spielen aber für die Prüfung der Kreditwürdigkeit im Bereich der gewerblichen Kunden immer noch eine wichtige Rolle. Daher wurden Inhalte der alten Berufsbildposition „Rechnungswesen“ in die neuen BBP „an gewerblichen Finanzierungen mitwirken“ sowie „Instrumente der kaufmännischen Steuerung und Kontrolle nutzen“ übernommen.
Neue Form der Abschlussprüfung für Bankkaufmänner und Bankkauffrauen
Auch die Abschlussprüfung wird sich grundlegend verändern. Sah die Ausbildungsordnung 1998 noch eine (nicht notenrelevante) Zwischenprüfung und eine Abschlussprüfung am Ende der Ausbildung vor, wird mit der neuen Ausbildungsordnung eine „gestreckte Abschlussprüfung“ eingeführt. Dabei wird der Inhalt der ersten 15 Ausbildungsmonate nach Abschluss der ersten Ausbildungshälfte abschließend geprüft, er ist damit nicht mehr Gegenstand der Prüfung am Ende der Ausbildung. Das Ergebnis fließt auch in die Abschlussnote ein. Damit wird ein über die gesamte Ausbildung möglichst gleichmäßiges Leistungsniveau der Auszubildenden angestrebt.
Die mündliche Abschlussprüfung in Form eines simulierten Kundenberatungsgesprächs, die mit der Ausbildungsordnung 1998 eingeführt wurde, hat sich bewährt und wird deshalb beibehalten. Allerdings wurde die Gesprächssimulation an die veränderten Rahmenbedingungen angepasst. Die nachzuweisenden Kompetenzen müssen sich nun an definierten Kriterien einer realistischen, strukturierten Beratungssituation orientieren. Dabei finden sich auch die Erfordernisse einer ganzheitlichen Kundenberatung und der Verwendung beratungsunterstützender digitaler oder analoger Hilfsmittel wieder. Der Anpassung an realistische Kundensituationen geschuldet ist auch die Verlängerung der Prüfungszeit von bisher 20 auf 30 Minuten.
Die in der Ausbildung vermittelten Kompetenzen sind so festgelegt, dass sie sowohl der Ausbildungsmöglichkeit der Kreditinstitute als auch der Ausbildungsfähigkeit der Auszubildenden entsprechen. Die berufsprofilgebenden Kompetenzen sind so beschrieben, dass die Ausbildung zukunftsfest ist, also auch Entwicklungen der nächsten Jahre abbilden kann, ohne dass beispielsweise technische Entwicklungen zu einem unmittelbaren Anpassungsbedarf des Berufsbildes führen.