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Die Deutschen wissen: Europa ist zum Erfolg verdammt!

17.07.2020Artikel
Christian Jung
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Nicht zum ersten Mal sieht sich die Europäische Union in einer ernsten Lage, viele sagen in einer tiefen Krise. Die verheerenden wirtschaftlichen Schäden, die die Corona-Pandemie in vielen Mitgliedstaaten angerichtet hat, übertreffen jedoch alles bisher Gekannte und verleihen den politischen Streitereien und nationalen Egoismen, die innerhalb der EU auch schon vor Corona sichtbar waren, eine neue, gefährliche Dimension.

Auf dem Sondergipfel des Europäischen Rates, der heute beginnt, müssen die Staats- und Regierungschefs über einen bis zu 750 Milliarden Euro schweren „Wiederaufbau“-Plan entscheiden. Am Ergebnis wird erkennbar sein, zu welchem Maß an innereuropä­ischer Solidarität und Kompromiss­bereitschaft die Mitgliedstaaten noch bereit und in der Lage sind.

Wohlwollen gegenüber der EU

Auf der deutschen Ratspräsidentschaft ruhen hohe Erwartungen. Inwieweit sie diese erfüllen kann, hängt auch von dem durch die öffentliche Meinung in Deutschland beeinflussten Verhandlungs­spielraum der Bundesregierung ab. Eine repräsentative Meinungs­umfrage des Bankenverbands zeigt in dieser Hinsicht ein erfreuliches Ergebnis: Nahezu zwei Drittel der Befragten (64%) halten „viel“ (40%) oder „sehr viel“ (24%) von der Europäischen Union. Damit kann Deutschland seine Ratspräsidentschaft mit einer positiven Grundstimmung und großem Wohlwollen seiner Bevölkerung gegenüber der europäischen Einigung angehen. Auch wenn ein Drittel der Befragten zurück­haltend bis kritisch bleibt, zeigt der Langzeittrend der letzten Jahre, dass die Zustimmung zur EU erkennbar gestiegen ist. Es scheint, als seien sich die Deutschen bewusst, was sie an Europa haben. Und dass es zu einem Erfolg verdammt ist.

Kritik am Corona-Management

Die positiven Werte sind keineswegs Zeichen einer generell unkritischen Haltung der Deutschen. Zum einen sehen die Befragten sehr wohl und durchaus realistisch, dass die Corona-Krise die Solidarität in Europa auf eine harte Probe stellt. Nur 15 Prozent sehen die EU in der Corona-Krise politisch zusammengewachsen, mit 35 Prozent meinen aber weitaus mehr Menschen, die Mitgliedsländer hätten sich politisch voneinander entfernt. 

Zum anderen gehen die Befragten mit dem konkreten „Corona-Management“ der EU erheblich härter ins Gericht, als die positive Europa-Stimmung dies vermuten ließe. So meint eine relative Mehrheit von 46 Prozent (versus 43 Prozent), dass sich die EU in der Corona-Krise bislang nicht bewährt habe. Mag sein, dass dies insbesondere noch den Eindruck aus der Anfangsphase der Pandemie-Bekämpfung wiedergibt, als gemeinsames europäisches Handeln kaum oder allenfalls unkoordiniert zu erkennen war. In jedem Fall sind auch in dieser Hinsicht jüngere Befragte bis 40 Jahre noch mehrheitlich positiv gestimmt, während Befragte mittleren Alters (40-60 Jahre) besonders häufig Kritik üben. 

Finanzielle Solidarität (nicht unbegrenzt) vorhanden

Gut die Hälfte der Deutschen (51 Prozent) würde es begrüßen, wenn die EU-Länder gemeinsam einen hohen Betrag an Schulden aufnehmen und damit besonders von der Pandemie betroffene Mitgliedstaaten unterstützen würden. Das Bewusstsein und Wissen vorausgesetzt, dass Deutschland als größtes und wirtschaftlich stärkstes Mitgliedsland in diesem (politisch wahrscheinlichen) Fall den relativ größten Teil der finanziellen Last zu tragen haben wird, ist das mehrheitliche Statement sicher nicht gering zu schätzen.

Darüber hinausgehend findet aber nur ein knappes Viertel (24%) der Befragten, dass speziell Deutschland anderen Ländern wie Italien oder Spanien mehr finanzielle und politische Solidarität schulde. Als geeigneten Adressaten für europäische Hilfsersuchen und entsprechende Unterstützungsleistungen sehen die Deutschen offenkundig nicht vorrangig ihr Land, sondern vor allem die Europäische Union als Ganzes an. Dies erscheint für eine europäische Schicksalsgemeinschaft, die alle Mitgliedstaaten gemäß ihrer jeweiligen Leistungsfähigkeit in die Pflicht nehmen sollte, auch das angemessenere Modell zu sein. Was jetzt nur noch fehlt, ist dass sich die Staats- und Regierungschefs morgen tatsächlich auf ein gemeinsames Hilfsprogramm verständigen.