Von der Betriebsökologie zur Sustainable Finance-Agenda
Wenn früher die Rede von Nachhaltigkeit im Bankensektor war, dann ging der Blick meist in Richtung Betriebsökologie und Corporate Social Responsibility. Mit dem Begriff „Sustainable Finance“ – also nachhaltiges Finanzwesen – hat sich nun ein breiterer Ansatz in der öffentlichen Debatte etabliert. Darunter ist insbesondere die Verankerung von ökologischen und sozialen Belangen in den Kernbereichen der Finanzwirtschaft zu verstehen.
Eine Vielzahl von Aktivitäten auf globaler und europäischer Ebene hat in den vergangenen Jahren dazu beigetragen, diesen Begriff fassbarer zu machen, indem erste Eckpunkte für eine Sustainable Finance-Agenda herausgearbeitet und mögliche Arbeitsschwerpunkte definiert wurden. Als wichtigster Katalysator dieser Entwicklung ist hier die Pariser Klimaschutzkonferenz im Dezember 2015 zu nennen, in deren Rahmen das 2-Grad-Ziel bei der Begrenzung der Erderwärmung beschlossen wurde. Genauso hat die im September 2015 in New York gestartete UN-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung mit den 17 Sustainable Development Goals das Verständnis für eine an Nachhaltigkeitsgesichtspunkten orientierte Wirtschaft weltweit geschärft.
Im Umfeld dieser beiden Initiativen sind zahlreiche neue Entwicklungen angestoßen worden. So gründeten z.B. die G20-Staaten Anfang 2016 eine Green Finance-Study Group, die sich mit dem Umgang von Umweltaspekten in der Finanzwirtschaft auseinandersetzt. Dieses mittlerweile in Sustainable Finance-Study Group umbenannte Gremium legte im September 2016 einen umfassenden Bericht mit ersten Vorschlägen zum Umgang mit dem Thema „Green Finance“ – einen wichtigen Sustainable Finance-Teilaspekt – vor.
Entscheidende Impulse kamen auch von der beim Financial Stability Board angesiedelten Task Force on Climate-related Financial Disclosures (TCFD), die von Michael Bloomberg anlässlich der Pariser Klimaschutzkonferenz Ende Dezember 2015 ins Leben gerufen wurde und die sich intensiv mit der Entwicklung von freiwilligen und einheitlichen Angaben zu klimabezogenen Finanzrisiken befasst hat. Die TCFD hat ihre Empfehlungen im Sommer 2017 der Öffentlichkeit präsentiert.
Treibende Kraft: Europäische Union
Eine weitere Beschleunigung und Vertiefung der Debatte setzte durch die Gründung der High-Level Expert Group on Sustainable Finance (HLEG) seitens der Europäischen Kommission Ende 2016 ein. Diese Gruppe hat ihren Abschlussbericht Ende Januar 2018 vorgelegt. Die vorrangigen Empfehlungen beinhalten u.a. die Einführung eines Sustainable Finance-Klassifikationsrahmens, die Überarbeitung von Veröffentlichungspflichten, transparentere Informationsmöglichkeiten für Kleinanleger, die Entwicklung offizieller europäischer Nachhaltigkeitsstandards (z.B. für Green Bonds) und die stärkere Verankerung von Nachhaltigkeitsaspekten in der Governance der Finanzinstitute sowie der Finanzaufsicht.
An diese Vorarbeiten der HLEG anknüpfend legte die Europäische Kommission den EU-Aktionsplan „Financing Sustainable Growth“ am 8. März 2018 in Brüssel vor. Der Aktionsplan zielt darauf ab, die Kapitalströme auf nachhaltige Investitionen auszurichten, um damit ein nachhaltiges und integratives Wachstum zu erreichen. Darüber hinaus sollen die finanziellen Risiken bewältigt werden können, die sich aus dem Klimawandel, der Erschöpfung von Ressourcen und der Umweltzerstörung sowie sozialen Problemen ergeben. Außerdem sollen die Aspekte der Transparenz und der Langfristigkeit bei Finanz- und Wirtschaftsaktivitäten unterstützt werden.
Die Europäische Kommission hat die Details des Aktionsplans am 22. März 2018 im Rahmen einer hochrangig besetzten Konferenz vorgestellt und ausführlicher erläutert. Der Schwerpunkt soll in den nächsten Monaten auf der Ausarbeitung eines Sustainable Finance-Klassifikationsrahmens liegen, der als Grundlage für die Entwicklung von weiteren Standards dienen kann. Außerdem ist geplant, Untersuchungen zu starten, inwieweit auch Eigenkapitalvorschriften mit Blick auf die Sustainable Finance-Investments (wie zum Beispiel Einführung eines Green Supporting Factors) rekalibriert werden können. Die Europäische Kommission betont allerdings dabei, dass die Glaubwürdigkeit und die Wirksamkeit des derzeitigen EU-Aufsichtsrahmens und seiner risikobasierten Ansatzes nicht gefährdet werden dürfen. Der hohe Stellenwert dieser Konferenz wurde nicht zuletzt durch die Anwesenheit des französischen Präsidenten Emmanuel Macron unterstrichen, der in seiner Rede noch einmal die wichtige Rolle hervorhob, die der Finanzwirtschaft bei der Umsetzung der Klimaschutzziele in den nächsten Jahren zukommt.
Neben der Europäischen Kommission beschäftigt sich auch das Europäische Parlament mit Sustainable Finance. Es befindet sich ein Initiativbericht zum Thema „Sustainable Finance“ in der Ausarbeitung.
Mit der Vorlage der TCFD-Empfehlungen, der Veröffentlichung des HLEG-Abschlussberichts sowie der Vorstellung des EU-Aktionsplans der Europäischen Kommission und angesichts des anstehenden EP-Initiativberichts ist die Diskussion um eine an Nachhaltigkeitsgesichtspunkten orientierte Finanzwirtschaft in eine neue, entscheidende Phase getreten.
Der Bankenverband begrüßt diese Entwicklung. Um das Verständnis für den neuartigen Sustainable Finance-Ansatz auszubauen, sind konkrete Wegmarken und klare Definitionen unerlässlich. Es ist daher richtig, dass die Europäische Kommission diese beiden Aspekte ganz oben auf ihrer Sustainable Finance-Agenda berücksichtigt.
Wichtige Grundsätze der Finanzmarktstabilität gelten aber auch für Sustainable Finance. Die möglichen Risiken nachhaltiger Finanzierungen dürfen nicht übersehen werden. Deshalb sind zwingend empirische Analysen erforderlich, bevor z.B. ein „Green Supporting Factor“ bei den Eigenkapitalvorschriften überhaupt in Erwägung gezogen werden kann.
Gleichzeitig gilt es aber auch, die bestehende Marktdynamik im Bereich Sustainable Finance verantwortungsvoll abzusichern. Es kommt dabei vor allem auf die richtige Reihenfolge bei der Umsetzung einzelner Maßnahmen und die Einbindung aller relevanten Stakeholder an. Das noch recht zarte Pflänzchen Sustainable Finance darf im Übereifer nicht gleich wieder unnötig zurechtgestutzt werden.