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Auf dem Weg zur Chip-Weltmacht? Der "EU Chips Act"

24.03.2022Artikel
Julia Topar
Dr. Henrik Meyer
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Anfang Februar hat die EU-Kommission den „EU Chips Act“ vorgestellt, durch den bis 2030 Milliardenbeträge unter anderem in den Bau von Megafabriken fließen sollen, die hochmoderne Halbleiter herstellen. Die Kommission will die EU auf diesem Wege wieder zu einem Schwergewicht in der Chipproduktion machen und den europäischen Anteil an der weltweiten Chipproduktion deutlich steigern. Doch warum sieht sie das als notwendig an? Welche Funktion haben eigentlich Chips und warum sind sie so wichtig?

Wofür Chips gebraucht werden

Ohne Chips keine digitale Welt – auf diese einfache Formel könnte man es bringen. Chips oder Mikrochips sind die zentralen Bausteine aller digitalen Geräte und erfüllen verschiedene Funktionen, so enthalten beispielsweise Prozessoren einen oder mehrere Chips und übernehmen die zentralen Rechen- und Steueraufgaben in Computern. Speicherchips konservieren Daten dauerhaft oder temporär als Arbeitsspeicher zum Ausführen bestimmter Programme. Zunehmend wichtiger werden sogenannte Ein-Chip-Systeme: Sie können mehrere dieser Aufgaben übernehmen, sind programmierbar und kommen in der künstlichen Intelligenz (KI) zum Einsatz. Weil Halbleiter das grundlegende Material eines Chips sind, werden die beiden Begriffe oft synonym verwendet. Am häufigsten werden Chips aus dem Halbleiter Silizium hergestellt.

Technologien wie Elektroautos, 5G, Internet der Dinge und KI sind also auf eine stetig steigende Menge von immer leistungsfähigeren Chips angewiesen. Problem an der Sache: Die Nachfrage nach Chips ist seit Ende 2020 so groß, dass die Hersteller nicht genügend liefern können. Manche Autobauer wie Volkswagen mussten wegen der Chip-Knappheit ihre Produktion vorübergehend einstellen. Das vergangene Jahr hat damit offengelegt, wie fragil die hochspezialisierten Lieferketten der Chip-Industrie sind. Die gesamte Branche hängt von einigen wenigen Ländern ab, wobei die europäischen Staaten allenfalls die zweite Geige spielen, haben sie ihre führende Rolle in der Produktion von Chips doch schon vor Jahrzehnten an die Asiaten verloren. Allen voran Taiwan spielt eine zentrale Rolle in der Produktion. 

Abhängigkeiten reduzieren

Mit dem Chips Act will die Europäische Kommission die Abhängigkeit von Asien reduzieren und die EU wieder zu einem Schwergewicht im Markt für Halbleiter machen. Gegenwärtig hat die EU einen Anteil von nur 9 Prozent an der weltweiten Chipproduktion – die Pläne der Kommission sehen vor, bis 2030 auf 20 Prozent zu kommen. Da sich der Markt bis dahin wohl verdoppeln wird, läuft das auf eine Vervierfachung der Produktion hinaus. Doch sollen nicht einfach nur mehr Chips hergestellt werden, sondern auch hochmoderne energieeffiziente und solche kleinster Strukturgrößen von 5, 3 oder 2 Nanometern. 

Um dieses Ziel zu erreichen, muss Geld fließen – insgesamt sieht der Kommissionsplan Investitionen in Höhe von 45 Milliarden Euro vor. Was nach viel klingt, muss allerdings differenziert betrachtet werden, denn das Geld soll bis 2030 fließen, verteilt sich also über mehrere Jahre. Vor allem aber hat die Kommission in diesen 45 Milliarden Euro die für den Ausbau der Chipbranche längst reservierten Mittel aus den Haushalten der EU-Staaten eingerechnet. Frisches Geld sind nur 11 Milliarden Euro, die aus dem EU-Haushalt und den nationalen Haushalten kommen sollen. Die wiederum sollen mindestens 4 Milliarden Euro an privaten Investitionen anlocken. Damit würde die EU eine vergleichbare Summe bereitstellen wie die USA in ihrem „Chips Act“, der Hilfen von 52 Milliarden Dollar vorsieht – allerdings bis zum Jahr 2026. 

Das „frische Geld“ soll in ein neues Programm namens „Chips für Europa“ fließen. Mit ihm will die Kommission Pilotprojekte, das Design hochmoderner Chips, Quantenchips und Testzentren fördern. Ein mit der Europäischen Investmentbank aufgelegter Fonds soll Start-ups unterstützen. Das Geld aus den Mitgliedstaaten wiederum soll nicht zuletzt dazu dienen, den Bau hochmoderner Chipfabriken – sogenannter Mega-Fabs – zu fördern, EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton hofft auf den Bau von zwei bis vier davon. 

Deliktes Thema Subventionen

Letzten Endes geht es hier also um Subventionen für Fabriken. Subventionen und Beihilfen sind allerdings ein delikates Thema in der EU. Die Kommission weist zwar den Verdacht zurück, dass sie vorhabe, das Beihilferecht zu ändern, um höhere Staatshilfen zu ermöglichen. Tatsächlich jedoch senkt sie unter Berufung auf die Versorgungssicherheit mit kritischen Waren die Schwelle für die Genehmigung von Hilfen spürbar ab. Statt die Hilfen wie bislang daran zu knüpfen, dass weltweit einzigartige hochmoderne Produkte finanziert werden, müssen die Produkte nur „einzigartig in Europa“ sein. Für solche Produkte können die Mitgliedstaaten dann die „Finanzierungslücke“ zu 100 Prozent ausgleichen, „wenn es ansonsten keine solchen Anlagen in Europa gäbe“, wie es in dem Entwurf heißt. Üblich sind sonst Subventionen von 10 bis 15 Prozent der Baukosten. 

Der „Chips Act“ zielt auch darauf ab, künftige Lieferengpässe zu vermeiden, hierzu sollen die Staaten eine Art Frühwarnsystem einrichten. Sollte es dennoch zu Engpässen kommen, will die Kommission im Extremfall – wie sie es bei der Versorgung mit Impfstoffen getan hat – gemeinsam Chips einkaufen oder aber Exportverbote verhängen können. Die aktuelle Erfahrung – Produktionsausfall wegen des Mangels an Halbleitern – soll nicht noch einmal gemacht werden.

Noch Diskussionsbedarf

Wie geht es jetzt weiter? Das neue Chips-Gesetz muss sowohl vom Europäischen Parlament als auch von den Mitgliedstaaten angenommen werden, damit es in Kraft treten kann. Dabei droht durchaus Widerstand. Die Niederlande etwa haben sich immer skeptisch gezeigt, ob die EU überhaupt einen Chips Act braucht. Und auch innerhalb der EU-Kommission ist der maßgeblich von Binnenmarktkommissar Thierry Breton vorangetriebene und vorgestellte „Chips Act“ umstritten. Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager warnt vor weicheren Regeln und einem globalen Subventionswettlauf, den die EU nicht gewinnen könne. Dass sie das Gesetz abschwächen kann, gilt jedoch als unwahrscheinlich.