Europa hat sich ehrgeizige Klimaziele gesetzt und will bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent werden. Der Weg dorthin ist allerdings beschwerlich und sieht unter anderem vor, die CO2-intensive Produktion von Gütern innerhalb der Europäischen Union über den Zertifikatehandel deutlich zu verteuern. Noch erhalten insbesondere die energieintensiven Industriebetriebe kostenlose Zertifikate (Verschmutzungsrechte). Um die Klimaziele zu erreichen, wird die Zahl dieser Rechte aber stückweise reduziert, fehlende Rechte müssen dann am Markt gekauft werden. Und perspektivisch soll auch die kostenlose Verteilung der Vergangenheit angehören.
Industrie könnte abwandern
Doch die Sache hat womöglich einen Haken, denn durch den ehrgeizigen Klimaschutz könnten Jobs gerade in jenen Bereichen verlorengehen, in denen viel Energie verbraucht wird: Eisen, Stahl, Aluminium, Dünger oder Zement. Würde die Produktion dieser Güter teilweise ins Ausland verlegt werden, wo weiterhin klimaschädlich und günstig produziert werden kann, wäre die Europäische Union in doppelter Hinsicht bestraft: Arbeitsplätze gingen verloren und für den Klimaschutz wäre nichts gewonnen.
Um dies zu verhindern, will die Europäische Kommission einen sogenannten Klimazoll einführen. Klimazoll bedeutet: Ab 2026 müssten ausländische Unternehmen aus ausgewählten Branchen, die in die EU exportieren, Verschmutzungsrechte kaufen und würden so Kostenvorteile verlieren. Nur jene ausländische Produzenten wären hiervon befreit, in deren Heimat es ein vergleichbares Emissionshandelssystem wie in Europa gibt, die also einen ähnlichen CO2-Preis zahlen müssen. Die USA beispielsweise zählen nicht dazu, hier wird der Klimaschutz eher über Vorschriften geregelt. Was amerikanische Unternehmen wegen dieser Vorschriften an Treibhausgasen vermeiden, würde ihnen nicht angerechnet.
Die EU-Kommission selbst bezeichnet die im Frühjahr auf den Weg gebrachte Verordnung als „Schlüsselelement“ ihrer Klimapolitik – doch wäre ein solcher Zoll überhaupt mit den Handelsregeln der WTO (World Trade Organization) vereinbar? Rechtliche Analysen von Experten kommen zum Ergebnis, dass Elemente des EU-Klimazolls zu einer Diskriminierung ausländischer Waren führen könnten, da der Klimazoll möglicherweise mit dem WTO-Prinzip der Meistbegünstigung kollidieren würde. Nach diesem Prinzip muss die EU ihre Handelspartner gleich behandeln.
WTO: Nachteile überwiegen
Die WTO hat in ihrem Jahresbericht, der am Rande der Klimakonferenz in Ägypten erschienen ist, nun tatsächlich vor den Plänen der EU gewarnt. Grundsätzlich befürwortet sie zwar eine CO2-Bepreisung und „zu einem gewissen Grad“ auch einen Grenzausgleich. Dem Bericht zufolge überwiegen aber die Nachteile eines selektiven CO2-Grenzausgleichs, der auf die Klimaschädlichkeit einzelner Produkte im Herstellungsprozess abstellt – erst recht bei einem vergleichsweise hohen Klimazoll, wie er der EU-Kommission vorschwebt.
Der Grund hierfür: Das Vorgehen erzeuge laut WTO-Bericht kaum Anreize für Regierungen weniger wohlhabender Länder, es der EU gleichzutun und ihren Industrien ebenfalls einen CO2-Preis zuzumuten. Das Risiko neuer Handelskonflikte steige hingegen beträchtlich. Regierungen von Handelspartnern haben bereits Klagen gegen die EU angedeutet, weil sie WTO-Prinzipien wie das Gebot der Nichtdiskriminierung verletzt sehen. Die chinesische Regierung etwa hat schon erklärt, der EU-Grenzzoll verletze WTO-Regeln. Auch in den USA gibt es äußerst kritische Stimmen.
Laut der WTO-Fachleute gibt es eine bessere Alternative: ein flächendeckender Zoll für sämtliche Waren aus Ländern, die den Ausstoß von CO2 nicht oder nur gering bepreisen. Ein solcher Zoll würde dann zwar pauschal den gesamten Handel der EU mit diesen Ländern betreffen. Doch diese Option maximiert den WTO-Experten zufolge die Anreize für andere Länder mitzuziehen. Zugleich minimiert sie die Gefahr, gegen WTO-Recht zu verstoßen. Beim Klimazoll kommt es also stark darauf an, wie er konkret aussehen wird.