Executive Summary
Geldwäsche-Vorfälle in der Europäischen Union, die Digitalisierung und ein Missverhältnis von Aufwand und Nutzen geben Anlass für eine grundlegende Überprüfung des Instrumentariums zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung. Dabei sollten bekannte Defizite nun entschlossen beseitigt werden. Nur so können Kriminalitätsphänomene, die den Rechtsstaat in seiner Substanz bedrohen, wirksam bekämpft werden. Der Bankenverband möchte sich an der Diskussion über diese Themen, die die EU-Kommission mit ihrer im Februar 2020 veröffentlichten „Roadmap“[1] eröffnet hat, mit folgenden Vorschlägen beteiligen:
1. Verstärkte Rechtsharmonisierung:
Die EU-Regulierung sollte zumindest in zentralen Aspekten von dem Rechtsinstrument der Richtlinie auf eine Verordnung umgestellt werden. Einer EU-weit einheitlichen Regelung bedarf es insbesondere im Bereich der Kundenidentifizierung („know your customer“).
2. Stärkung der Transparenzregister:
Die mit der 4. EU-Geldwäsche-Richtlinie eingeführten Transparenzregister müssen praxisgerecht ausgestaltet werden. Die in den Registern enthaltenen Daten über wirtschaftliche Eigentümer müssen umfassend und verlässlich sein. Dies ist gegenwärtig nicht gewährleistet.
3. Eindeutige Grundlagen für das Transaktionsmonitoring:
Die Überprüfung von Transaktionen auf Anhaltspunkte für Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung bedarf einer umfassenden und eindeutigen Rechtsgrundlage und muss einen angemessenen Ausgleich mit Datenschutzinteressen gewährleisten.
4. Neustart Verdachtsfallbearbeitung:
Die Regelungen zur Verdachstfallbearbeitung müssen grundlegend überarbeitet werden. Ermutigende Erfahrungen aus „Public Private Partnerships“ zeigen, dass ein Austausch über operative Daten zwischen Ermittlungsbehörden und Adressaten der Geldwäschegesetze einen Qualitätssprung bei Verfolgung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung bewirken kann. Im Gegenzug muss die Schwelle für einen meldepflichtigen Verdacht erhöht werden, um die bestehende „Überflutung“ der Financial Intelligence Units zurückzudrängen.
5. Behördenstruktur und -zusammenarbeit:
Vorrangiges Ziel muss die weitere Harmonisierung des materiellen Rechts sein. Fragen des Behördenaufbaus können nach einer Bewährung des geänderten materiellen Rechts wieder aufgegriffen werden. Ausgangspunkte einer Reorganisation der für die Geldwäschebekämpfung zuständigen Behörden müssen deren unterschiedliche Rollen, Kompetenzen und Informationen sein. Aus Bankensicht ist eine stärkere Einbeziehung der Ermittlungsbehörden dringend geboten. Eine intensivere Harmonisierung der Aufsichtstätigkeiten kann durchaus sinnvoll sein, wie zuletzt durch die Erweiterung der Kompetenzen der European Banking Authority bereits eingeleitet. Allerdings sollte an der hauptsächlichen Zuständigkeit der nationalen Aufsichtsbehörden festgehalten werden.
1. Einleitung
Rund dreißig Jahre nach dem Beginn der regulierten Geldwäschebekämpfung[2] in der Europäischen Union mit der ersten Geldwäsche-Richtlinie 91/308/EWG wird weiterhin über den richtigen Weg zur Bekämpfung Organisierter Schwerstkriminalität und der Terrorismusfinanzierung diskutiert. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Der Erlass von seit 1991 inzwischen fünf EU-Geldwäsche-Richtlinien war stark von äußeren Anlässen geprägt, zuletzt bei der Fünften Richtlinie 2018/843 von den Terroranschlägen in Paris und Brüssel. Dies setzt sich in der aktuellen Diskussion auf EU-Ebene fort, diesmal maßgeblich getrieben durch Geldwäsche-Vorfälle in EU-Kreditinstituten.[3] Inhaltlich kreist die Debatte auf EU-Ebene hauptsächlich um die Fragen einer weitergehenden Harmonisierung des materiellen EU-Anti-Geldwäsche-Rechts (Rechtsinstrument Verordnung statt Richtlinie), einer verbesserten Zusammenarbeit unter den verschiedenen Behörden sowie um Möglichkeiten eines Ausbaus der Kompetenzen zur Bekämpfung der Geldwäsche auf der EU-Ebene. Insbesondere zu diesen Punkten hat der Rat die EU-Kommission am 25. November 2019 um Vorschläge zum weiteren Vorgehen gebeten.
Eine sorgfältige Überprüfung des Rechtsrahmens und der Kompetenzen zur Durchsetzung der hieraus resultierenden Pflichten ist zweifellos geboten. Allerdings geben auch andere Entwicklungen Anlass, das derzeitige Konzept zur Prävention und Bekämpfung von Geldwäsche zu überprüfen. Denn die Basis für das Bekämpfungskonzept aus den 1990er Jahren hat sich inzwischen grundlegend gewandelt:
- Der Adressatenkreis der Geldwäschegesetzgebung wurde über den ursprünglich allein verpflichteten Finanzsektor hinaus kontinuierlich erweitert. Dies erinnert daran, dass Geldwäschebekämpfung nicht allein Aufgabe des Finanzsektors, sondern der gesamten Gesellschaft ist. Eine zielgerichtete Mitwirkung weiterer Wirtschafts- und Gesellschaftskreise kann einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, Geldwäsche effektiver zu bekämpfen.
- Die Einbeziehung der Finanzwirtschaft in die Kriminalitätsbekämpfung beruhte auf der Grundidee, die „Spur des Geldes“ durch Aufzeichnungen der verpflichteten Unternehmen nachvollziehen zu können. Es ist offenkundig, dass in der Digitalgesellschaft im Jahre 2020 nicht nur im Finanzsektor Datenspuren vorliegen, die für die Strafverfolgung von Interesse sein können. Die Regulierung hat hierauf noch nicht adäquat reagiert.
- Ein grundsätzlicher Gedanke tritt hinzu: Ursprüngliches Ziel der Geldwäschebekämpfung war die Schaffung eines „Interventionsverbundes“ zwischen Staat und Unternehmen zur Bekämpfung eines den Rechtsstaat selbst bedrohenden Kriminalitätsphänomens. Die gegenwärtig intensiv diskutierte Notwendigkeit einer verstärkten Zusammenarbeit von Behörden untereinander und von Behörden mit den Verpflichteten der Geldwäschegesetze dokumentiert, dass dies noch nicht gelungen ist. Aus Bankensicht haben die in den Geldwäschegesetzen geregelten umfangreichen (und mit Blick auf eine effektive Geldwäscheprävention durchaus zum Teil fragwürdigen) Feststellungs- und Dokumentationspflichten sich von der ursprünglichen Zielsetzung - der Verfolgung und Verurteilung Schwerstkrimineller - weitgehend losgelöst. Namhafte Experten zweifeln die Wirksamkeit des derzeitigen Konzepts insgesamt an.[4] Vor diesem Hintergrund sind eine grundlegende Rückbesinnung auf die Zielsetzung und eine darauf beruhende zukunftsgerichtete Justierung des Bekämpfungskonzepts dringend erforderlich.
Dies vorausgeschickt sollen im Weiteren konkrete Vorschläge für teils grundlegende Änderungen des Bekämpfungskonzepts vorgestellt werden.
2. Schwächen des gegenwärtigen Bekämpfungskonzepts
Anders als die gegenwärtige Regulierungsdiskussion auf europäischer Ebene nahelegt, sind die Schwächen des gegenwärtigen Bekämpfungskonzepts nicht (nur) auf eine mangelnde Harmonisierung des Rechtsrahmens und den Umfang der Aufsichtskompetenzen auf EU-Ebene zurückzuführen. Die hauptsächlichen Fehlsteuerungen sind vielmehr auf eine Überbetonung der formalen Bestimmungen der Geldwäschebekämpfung (Datenerhebung in Bezug auf Kunden [KYC], die sog. auftretende Person (die aus unserer Perspektive zum Teil zu extensiv ausgelegt wird bzw. auf bestimmte Geschäftsbeziehungen wie z. B. Handelsgeschäfte oder im Korrespondenzbankgeschäft nicht passt) und wirtschaftlich Berechtigte sowie Dokumentation der Ergebnisse) sowie auf einen nicht ausreichenden Informationsaustausch mit den unmittelbar zuständigen Behörden und/oder (sektorübergreifend) zwischen den Verpflichteten untereinander im Bereich der Verdachtsfindung zurückzuführen.
Einheitliche Vorgaben für die Identitätsfeststellung (d.h. bezüglich der für eine Rolle zu erhebenden Daten als auch bezüglich geeigneter Quellen zur Verifizierung derselben) begegnen in der Europäischen Union praktischen Schwierigkeiten: Manche Mitgliedstaaten verfügen – wie Deutschland – über ausgeprägte Ausweiskonzepte, in anderen Ländern müssen andere Quellen zum Identitätsnachweis herangezogen werden. Unabhängig hiervon dokumentiert der Erlass der eIDAS-verordnung 910/2014[5], dass unionsweit einheitliche Vorgaben für elektronische Identifizierungen möglich sind. Entsprechende Vorgaben liegen allerdings für die Identifizierungen unter der Geldwäsche-Richtlinie nicht vor. Ebenso sind die Maßgaben der EU-Geldwäsche-Richtlinie für die Transparenzregister nicht ausreichend, um die Vorteile einer einheitlichen Erfassung von Daten über wirtschaftlich Berechtigte in der Praxis nutzbar machen zu können. Vielmehr werden ein erheblicher Mehraufwand und ein sehr begrenzter Nutzen der Transparenzregister erwartet.
Fehler bei der Datenfeststellung bzw. Datenverifizierung und bei der Aufzeichnung bei Identifizierungen oder vor allem der Feststellung von wirtschaftlich Berechtigten sind in der Aufsichtspraxis nach der „Tick-Box-Methode“ leicht vorzunehmen und führen mit geringem Aufwand zu leicht begründbaren Beanstandungen, die ein Bußgeldverfahren auslösen können. Die Konzentration von Beaufsichtigten und Aufsehern auf diese „formale“ Seite der Geldwäschebekämpfung lenkt letztlich von der zentralen Zielsetzung des Gesetzes ab. Zugespitzt formuliert tritt die Sanktionierung der Verpflichteten wegen formaler Fehler in den Mittelpunkt – eine wirksame Verfolgung von Schwerstkriminellen gerät zunehmend aus dem Blickfeld.
In Deutschland ist der Austausch zwischen den Verpflichteten des Geldwäschegesetzes und den Ermittlungsbehörden wegen des föderalen Aufbaus unterschiedlich intensiv. In einer Gesamtschau bleibt er hinter dem zurück, was aktuell möglich und für eine optimierte Strafverfolgung zielführend wäre. Schon seit dem Beginn der Geldwäschebekämpfung haben sich die Ermittlungsbehörden einem regelmäßigen und einzelfallbezogenen Feedback auf erstattete Verdachtsanzeigen bzw.
-meldungen entzogen. Bis heute ist es weder statistisch noch einzelfallbezogen möglich, den Beitrag der erstatteten Verdachtsmeldungen auf den Ausgang eines Strafverfahrens darzustellen, weil die dafür erforderlichen Informationen nicht erhoben werden. Zwar lassen sich sowohl Zahlen zu den jährlich erstatteten Verdachtsanzeigen bzw. Verdachtsmeldungen aus den Jahresberichten der FIU entnehmen. Entsprechendes gilt für Daten zur Verurteilung wegen Geldwäsche gemäß § 261 StGB aus der jährlich veröffentlichten Strafverfolgungsstatistik. Die entsprechenden Zahlen sind der im Anhang abgedruckten Tabelle zu entnehmen. Allerdings ist der Aussagewert der Daten aus folgenden Gründen begrenzt: Schon den Zahlen über Verurteilungen wegen § 261 StGB kann nicht entnommen werden, ob diese auf Geldwäsche-Verdachtsmeldungen zurückgehen. Zudem führen Geldwäscheverdachtsmeldungen aller Erfahrung nach durchaus zu Verurteilungen wegen anderer Delikte, insbesondere wegen Betruges gemäß § 263 StGB. Ob und in welchem Umfang dies jedoch der Fall ist, lässt sich der Statistik noch weit weniger entnehmen.
Dies bedeutet letztlich, dass den geldwäscherechtlich Verpflichteten kein belastbares empirisches Material zur Verfügung steht, um ihr Meldeverhalten an tatsächlichen Geldwäschevorfällen auszurichten bzw. zu schärfen. Vielmehr richten die Meldepflichtigen ihr Verhalten an abstrakt formulierten Risikofaktoren, Typologiepapieren sowie an ihrem bisherigen Meldeverhalten aus. Ein Ende des rasanten Anstiegs der Verdachtsmeldungen, der immer zu dem Ergebnis „Masse statt Klasse“ führt, ist nicht zu erwarten. So wurde bspw. in Deutschland die Schwelle für einen meldepflichtigen Verdacht in 2011 durch das Gesetz zur Optimierung der Geldwäscheprävention[6] abgesenkt. Noch weiter verschärft wurde diese Absenkung in 2018 durch einen Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt.[7] In diesem Beschluss wurden die Prüfungs- und Plausibilisierungsmöglichkeiten des meldepflichtigen Instituts sehr restriktiv ausgelegt und damit der Ermessensspielraum des Geldwäschebeauftragten bzgl. der Frage, ob ein meldepflichtiger Sachverhalt vorliegt, stark eingeschränkt. Dies hat zu einer weiteren Sensibilisierung des Meldeverhaltens geführt. Der eigentliche Anknüpfungspunkt für eine Verdachtsmeldung, nämlich das Vorliegen hinreichender Anhaltspunkte für eine illegale Herkunft der Vermögensgegenstände (Vortat der Geldwäsche oder Zusammenhang mit Terrorismusfinanzierung) gerät dabei zunehmend aus dem Blickfeld. Im Hinblick auf die Kundeninteressen und damit auch deren Rechte sowie den Interessen der Strafverfolgungsbehörden an der Übermittlung fundierter Sachverhalte muss es den Verpflichteten aber möglich sein, einen etwaigen Verdacht in einem gewissen Rahmen zu überprüfen.
Unabhängig von diesen Entwicklungen haben sich über die Zeit Kontakte zwischen Verpflichteten und Ermittlungsbehörden ergeben, die wertvolle Hinweise für die Verpflichteten ermöglicht haben. Aus Sicht der Kreditwirtschaft ist eine Intensivierung, Verstetigung und Regelung dieses Austauschs der wesentlichste Aspekt für eine Optimierung des Instrumentariums zur Bekämpfung der Geldwäsche. Allerdings hat die ausschließliche Zuständigkeit der beim Zollkriminalamt angesiedelten Financial Intelligence Unit (FIU) den zuvor partiell üblichen praxisnahen und lokalen Informationsaustausch der Verpflichteten mit den Ermittlungsbehörden des Bundes und der Länder reduziert. Daher muss sich die FIU den Zugang zu den relevanten Informationen bei den Ermittlungsbehörden verschaffen, will sie deren Rolle wirkungsvoll übernehmen. Der im Rahmen der Umsetzung der 5. EU-Geldwäsche-Richtlinie beschlossene Zugriff der FIU auf polizeiliche und staatsanwaltschaftliche Datenbanken (§ 31 Abs. 4, 4a GwG) ist in dieser Hinsicht zu begrüßen. Ob diese Maßnahme in der Praxis den gewünschten Erfolg erbringen wird, bleibt allerdings abzuwarten. Eine gewisse Skepsis liegt insofern nahe, als der eigentliche Schlüssel zur Aufklärung von Verdachtsfällen in einem zeitnahen Austausch über operative Daten liegt. Das heißt, dass sich Behörden und Verpflichtete oder auch Verpflichtete untereinander (und idealweise sogar sektorübergreifend) auch über personen- und transaktionsbezogene Daten im Vorfeld eines Verdachts austauschen, weil dies gerade der Feststellung dient, ob ein Verdachtsfall vorliegt. Dies wird in anderen Staaten (wie z. B. im Vereinigten Königreich) auf eigens dafür geschaffener gesetzlicher Grundlage bereits umgesetzt.[8] Hierfür ist der aktuelle Rechtsrahmen in Deutschland noch nicht ausgelegt.
3. Vorschläge zur Optimierung der Geldwäschebekämpfung
Die folgenden Vorschläge sind aus Sicht der deutschen Privatbanken geeignet, das Instrumentarium zur Bekämpfung der Geldwäsche substanziell zu verbessern.
a. Vollharmonisierung der rechtlichen Vorgaben für die Identifizierung
Die Pflichten zur Identifizierung von Kunden (inkl. der auftretenden Person und des wirtschaftlich Berechtigten) nehmen unter den Regelungen zur Geldwäschebekämpfung breiten Raum ein. Dies ist im Hinblick auf die Zielsetzung - die Anlegung von Datenspuren – auch nachvollziehbar. Fraglich erscheint allerdings, ob diese „erste Stufe“ der Maßnahmen zur Geldwäschebekämpfung angesichts der veränderten Verhältnisse in der Digitalgesellschaft nicht einheitlicher und stringenter gefasst sowie zeitgemäßer umgesetzt werden sollten. So haben sich in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten sogenannte „Know-Your-Customer“-Utilities herausgebildet. Dies sind Unternehmen, die als Auftragnehmer von Verpflichteten der Geldwäschegesetze die technisch-organisatorische Durchführung der Identifizierung anbieten. Hierfür bedarf es zum einen einheitlicher und praxisgerechter (d. h. konkret beschreibender) rechtlicher Rahmenbedingungen. Diese sollten künftig in Form einer EU-Verordnung geschaffen werden, die die zu erhebenden Daten sowie die hierbei heranzuziehenden Datenquellen (Ausweispapiere etc.) konkret und abschließend regelt. Dabei sollte überprüft werden, ob die Anwendung des risikobasierten Ansatzes auf diese „erste Säule“ der Geldwäschebekämpfung noch sachgerecht ist. Aus unserer Perspektive ist im Bereich der Datenerhebung und Verifizierung derselben ein regelbasierter Ansatz klar vorzugswürdig. Das Beispiel der selbst innerhalb der EU unterschiedlichen Vorgaben, welche Daten in Bezug auf einen wirtschaftlich Berechtigten zu erheben sind, welche Quellen zur Verifizierung beizuziehen sind und welche Berechnungsmethode zur Ermittlung des wirtschaftlich Berechtigten bei mehrstufigen Beteiligungsebenen anzuwenden ist, verdeutlicht die aktuellen Probleme des risikobasierten Ansatzes in diesem Punkt sehr schön. Von zentraler Bedeutung ist zudem, dass der EU-Gesetzgeber die Regeln über die Identifizierung technologieneutral ausgestaltet. Zugleich sollte eine eindeutige rechtliche Grundlage für am Markt bewährte Verfahren wie das Video-Ident-Verfahren geschaffen werden.
b. Erfassung und Bereitstellung der Daten zu wirtschaftlichen Eigentümern in Transparenzregistern
Die Funktion des durch die 4. EU-Richtlinie eingeführten Transparenzregisters sollte gestärkt werden. Das Ziel muss die Schaffung von vernetzten Registern sein, die auf der Basis eines einheitlichen Anforderungskataloges an die zu erhebenden Daten einen „Single Point of Truth“ über die Verhältnisse von wirtschaftlichen Eigentümern bieten. Die Richtigkeit und Verlässlichkeit der in den Registern enthaltenen Daten kann am besten durch eine staatliche Registerführung gewährleistet werden. Die Erhebung dieser Daten durch die Verpflichteten der Geldwäschegesetze ist nicht mehr zeitgemäß und schafft darüber hinaus Fehlerquellen, die sich durch eine staatliche Registerführung vermeiden ließen. Wo erforderlich, sollten die bestehenden Meldepflichten von Unternehmen über die Daten zu wirtschaftlichen Eigentümern in diesem Sinne angepasst werden. Auch diese Regelungen sollten zur Gewährleistung ihrer größtmöglichen Harmonisierung in Form einer Rechtsverordnung (inkl. klarer Vorgaben zur Berechnungsmethode in Bezug auf den wirtschaftlichen Eigentümer bei mehrstufigen Beteiligungsstrukturen) erlassen werden.
c. Verbesserung der Rahmenbedingungen für das Transaktionsmonitoring
Aus Sicht der Kreditwirtschaft kommt dem Transaktionsmonitoring in der modernen Geldwäscheprävention durch Kreditinstitute eine zentrale Bedeutung zu. Das Transaktionsmonitoring dient dazu, aus dem Datenbestand der Kreditinstitute diejenigen Anhaltspunkte herauszufiltern, die einer näheren Überprüfung auf etwaige Verdachtsmomente zugeführt werden müssen. Dabei kommt der Qualität des zugrunde liegenden Datenbestandes entscheidende Bedeutung zu. Aus diesem Grunde ist eine intensivierte Zusammenarbeit (bis hin zur gemeinsamen Nutzung von Utilities wie im Bereich der Kundenidentifizierung) mit anderen Verpflichteten aus dem Finanzsektor und mit den zuständigen Behörden wichtig. Da ein Transaktionsmonitoring regelmäßig nicht ohne die Verwendung personenbezogener Daten auskommt, ist eine entsprechende eindeutige gesetzliche Grundlage erforderlich, die ebenfalls im Rahmen einer Rechtsverordnung erlassen werden sollte, um den datenschutzrechtlichen Anforderungen gerecht zu werden.
d. Strukturelle Neuorientierung der Behandlung von Verdachtsfällen
Wie die im Anhang abgedruckte Tabelle - bei aller Vorsicht bei der Interpretation - deutlich macht, trägt nur ein Bruchteil der erstatteten Verdachtsmeldungen tatsächlich dazu bei, Strukturermittlungen gegen Organisierte Schwerstkriminalität und terroristische Aktivitäten zu unterstützen. Dieser Befund ist nicht auf Deutschland begrenzt, sondern findet sich in entsprechender Weise auch in anderen Jurisdiktionen, wenngleich dort zum Teil noch höhere Meldungszahlen zu verzeichnen sind. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die Kritik an dem bestehenden Meldekonzept in diesen Jurisdiktionen als erstes formuliert und nach Lösungskonzepten gesucht wurde.
Vielversprechend erscheint nach den vorliegenden Ergebnissen der Ansatz der „Joint Money Laundering Intelligence Taskforce“ im Vereinigten Königreich. Kern dieses Konzepts ist die gemeinsame Überprüfung von Verdachtsmomenten im Dialog zwischen operativ handelnden Ermittlungsbehörden einerseits und den Verpflichteten andererseits. D. h. die Dialogpartner diskutieren Sachverhalte „im Vorhof“ eines Verdachts, wobei sie sich von dem Austausch mit der jeweils anderen Seite weiteren Aufschluss versprechen. Da hiermit Grundrechtseingriffe im Vorfeld eines Verdachts verbunden sind, muss eine eindeutige und verfassungsrechtlich ausreichende gesetzliche Grundlage geschaffen werden.
Dieser neuartige Ansatz erscheint trotz der einzuräumenden erheblichen Eingriffstiefe gegenüber der bisherigen Praxis vorzugswürdig. Denn diese generiert auf der Grundlage eines immer weiter erodierenden Verdachtsbegriffs ständig neue Rekorde an Verdachtsmeldungen, die von den adressierten Behörden nicht mehr adäquat behandelt werden können. Zudem ist zu berücksichtigen, dass für Meldepflichtige auch die Pflicht besteht, gegenüber dem Betroffenen einer Verdachtsmeldung sicherzustellen, diesen nicht leichtfertig den (unangenehmen) Folgen eines Geldwäscheverdachts auszusetzen. Dies ergibt sich aus der Pflicht, verantwortungsbewusst an der Prävention und Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung mitzuwirken und dabei auch die Interessen der Kunden als Betroffene abzuwägen. Darüber hinaus haben die Meldepflichtigen neben der Verdachtsmeldung jeweils zu prüfen, ob die Geschäftsbeziehung zu dem gemeldeten Kunden aufrechterhalten werden kann. Daher ist neben der Schaffung einer fokussierten Verdachtsschöpfung nach dem JMLIT-Modell eine spürbare Erhöhung der Verdachtsmeldeschwelle geboten. Unter Umständen kann sich eine Erprobung eines solchen neu strukturierten Verdachtsmeldungskonzepts empfehlen, wie dies in anderen Mitgliedstaaten bereits durchgeführt worden ist. Dabei sollte zusätzlich erwogen werden, die kriminologische Forschung in derartige Pilotprojekte einzubinden.
e. Organisation der zuständigen Behörden
Verschiedene Geldwäsche-Vorfälle in der Europäischen Union haben eine intensive Diskussion über die Struktur der Behörden und die Verteilung der Kompetenzen zwischen der Unionsebene und den Mitgliedstaaten ausgelöst. Die Diskussion verengt sich dabei aus Sicht der deutschen Banken mitunter voreilig auf die Frage, welche EU-Behörde am besten geeignet sein könnte, Kompetenzen der nationalstaatlichen Behörden zu übernehmen. Diesen Überlegungen sollte eine genaue Analyse der jeweiligen behördlichen Funktion vorausgehen. In diesem Rahmen erscheinen folgende Überlegungen bedeutsam:
- Wie zum Punkt Verdachtsmeldewesen bereits ausgeführt, kommt dem sachlichen Input und dem Dialog von operativ tätigen Ermittlungsbehörden aus Praxissicht besondere Bedeutung zu. Innerhalb dieser Funktion geht es nicht allein um den Informationsaustausch über grenzüberschreitende Operationen oder über abstrakte Informationen über Typologien, sondern auch um einen praxisnahen lokalen Informationsaustausch. Eine Zentralisierung dieser Funktion auf EU-Ebene erscheint wegen der zu großen Entfernung von den lokalen Gegebenheiten nicht unproblematisch. Ob sich eine Zentralisierung dieser Funktion auf nationaler Ebene - wie in Deutschland bei der FIU – praxisgerecht durchführen lässt, muss noch erprobt werden.
- Die Beaufsichtigung derjenigen Pflichten der Geldwäschegesetze, die keine kriminalistische Expertise erfordern, sollte für den Bereich der Kreditwirtschaft jedenfalls bei den Bankaufsichtsbehörden verbleiben. Diskutiert werden könnte allerdings, ob die Beaufsichtigung der Pflichten im Zusammenhang mit der Verdachtsmeldung ebenfalls bei den Bankaufsichtsbehörden verbleiben muss. Die Erfahrungen zeigen, dass die Interessenlage der beteiligten Behörden im Verdachtsfall unterschiedlich ist: Während die Bankaufsichtsbehörden zumeist an einer möglichst raschen Bewältigung der Risikolage (i. d. R. durch Auflösung der Geschäftsverbindung zu dem gemeldeten Vertragspartner) interessiert sind, sprechen sich die Ermittlungsbehörden in diesen Fällen im Regelfall für eine Fortführung der Geschäftsverbindung aus, um die „Datenspur“ weiter verfolgen zu können. Eine Auflösung dieses Interessenkonfliktes könnte die Effektivität des Regelungskonzeptes unter Umständen zusätzlich steigern. Gegebenenfalls könnten an dem Nutzen der Meldungen für die Ermittlungsbehörden ausgerichtete Verfahrensregelungen und ein begleitender Dialog mit der FIU eine sinnvolle Alternative sein.
- Im Übrigen ist aus Sicht der privaten Banken die Frage der Rechtsharmonisierung durch eine unmittelbar geltende Verordnung vorrangig gegenüber der Behördenzuständigkeit. Unter dieser Prämisse ist zu den auf EU-Ebene diskutierten Fragen der Behördenzuständigkeit Folgendes anzufügen:
- Eine Beaufsichtigung der Pflichten nach dem Geldwäschegesetz nach dem Muster der prudentiellen Aufsicht (SSM) wird nicht befürwortet. Eine getrennte Aufsicht - für einen Teil der Institute auf EU-Ebene, für den anderen auf nationaler Ebene – wird unter anderem wegen der lokalen Bezüge der erforderlichen Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden abgelehnt. Zudem dürfte damit das Ziel einer einheitlichen Beaufsichtigung und damit einheitlichen Anwendung der geldwäscherechtlichen Vorgaben konterkariert werden.
- Eine Übertragung der aufsichtlichen Befugnisse auf die Europäische Zentralbank begegnet mit Blick auf die Rechtsgrundlage gemäß Art. 127 Absatz 6 AEUV aus deutscher Perspektive deutlichen Bedenken. So hat das Bundesverfassungsgericht seine Zurückweisung zweier Verfassungsbeschwerden gegen die Bankenunion vom 30. Juli 2019[9] unter anderem mit den der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht verbliebenen Funktionen begründet. Hierzu zählt nicht zuletzt die Aufsicht über die Einhaltung der Pflichten nach dem Geldwäschegesetz. Würde man diese Kompetenz der EZB übertragen, könnte unter Umständen die verfassungsrechtliche Würdigung der Bankenunion anders ausfallen. Hiervon unberührt bleibt die Reflektion geldwäscherechtlicher Bestimmungen durch die EZB im Rahmen der prudentiellen Aufsicht.
- Die Übertragung weiterer Kompetenzen zur Beaufsichtigung der Regelung zur Geldwäscheprävention auf die European Banking Authority (EBA) dürfte im Wesentlichen faktischen Bedenken begegnen. So dürfte die EBA nach ihrer gegenwärtigen personellen und sachlichen Ausstattung kaum in der Lage sein, eine wirksame Vor-Ort-Aufsicht über Kreditinstitute in den Mitgliedstaaten zu gewährleisten. Ferner erscheint fraglich, ob die EBA neben Unternehmen des Finanzsektors auch andere Adressaten der Anti-Geldwäsche-Regelungen beaufsichtigen könnte. Einzuräumen ist andererseits, dass der der EBA bisher gesetzte Rechtsrahmen bereits erhebliche Eingriffskompetenzen aufweist und keine Gründe ersichtlich sind, diesen im Hinblick auf eine effektive praktische Aufsicht auszubauen.
- Schließlich wird auf europäischer Ebene die Neuschaffung einer Anti-Geldwäsche-Behörde im Gewand einer Agentur erwogen. Diese könnte die Beaufsichtigung aller Adressaten der Anti-Geldwäsche-Regelungen ins Auge fassen, und ihr Kompetenzrahmen könnte von Grund auf neu bestimmt werden. Zwar ist nicht zu verkennen, dass die Grenzen der Meroni-Doktrin[10] durch das sogenannte ESMA-Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 22. Januar 2014[11] erheblich erweitert worden sind: Hiernach können auf der Grundlage der Binnenmarktkompetenz des Art. 114 AEUV Agenturen mit unmittelbaren Eingriffsrechten gegenüber dem Unionsbürger durchaus geschaffen werden. Allerdings muss diese Erweiterung der Kompetenzen durch geeignete inhaltliche Vorgaben und verfahrensrechtliche Bindungen ausbalanciert werden.[12] Die Schaffung einer mit neuen Kompetenzen ausgestatteten EU-Anti-Geldwäsche-Agentur setzen somit Verfahrensregelungen voraus, die durchaus beträchtlich sein dürften. Zudem würde eine EU-Agentur mit einer Zuständigkeit für die Aufsicht über alle Adressaten der Regeln zur Geldwäschebekämpfung erhebliche Ressourcen und einen entsprechenden zeitlichen Vorlauf bis zur Aufnahme des Wirkbetriebs benötigen.
- Eine Beaufsichtigung der Pflichten nach dem Geldwäschegesetz nach dem Muster der prudentiellen Aufsicht (SSM) wird nicht befürwortet. Eine getrennte Aufsicht - für einen Teil der Institute auf EU-Ebene, für den anderen auf nationaler Ebene – wird unter anderem wegen der lokalen Bezüge der erforderlichen Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden abgelehnt. Zudem dürfte damit das Ziel einer einheitlichen Beaufsichtigung und damit einheitlichen Anwendung der geldwäscherechtlichen Vorgaben konterkariert werden.
[1] „Roadmap towards a new comprehensive approach to preventing and combating money laundering and terrorism financing” vom 12. Februar 2020 (Ref. Ares (2020) 910750).
[2] Zur sprachlichen Vereinfachung wird in diesem Papier der Begriff Geldwäscheprävention oder Geldwäschebekämpfung verwendet. Er schließt die Bekämpfung bzw. Prävention der Finanzierung von terroristischen Aktivitäten mit ein.
[3] Siehe den sog. „Post-Mortem-Bericht“ der EU-Kommission vom 24. Juli 2019, COM (2019) 373.
[4] Fischer, Strafgesetzbuch, 67. Aufl. 2020, § 261 Rdnr. 4b – d.
[5] ABl. EU Nr. L 257 vom 28. August 2014, S. 73 ff.
[6] BGBl. I 2011, S. 2959.
[7] Urteil vom 10. April 2018 (Az. Ss-OWi 1059/17), veröffentlicht in WM 2019, 586.
[8] Joint Money Laundering Intelligence Taskforce, Einzelheiten siehe unter www.nationalcrimeagency.gov.uk/what-we-do/national-economic-crime-centre
[9] Urt. v. 30.07.2019, Az. 2 BvR 1685/14 und 2 BvR 2631/14
[10] Urt. v. 13.06.1958 - 9/56, Slg. 1958, S. 11
[11] Rs. C 270/12
[12] Saurer, Die Errichtung von Europäischen Agenturen auf der Grundlage der Binnenmarktharmonisierungskompetenz des Art. 114 AEUV, DÖV 2014, 549 (555)