- Chefvolkswirte: Keine rasche Erholung in Sicht
- Internationale Konflikte belasten
Die Chefvolkswirte der privaten Banken sehen Deutschland aktuell in einer wirtschaftlichen Stagnation. Die internationalen Handelskonflikte und die schwächere Weltkonjunktur hätten die deutsche Wirtschaft stark getroffen. Während sich die deutsche Industrie sogar in einer Rezession befinde, sei die Binnenkonjunktur aber noch intakt. Unter dem Strich erwarten die privaten Banken für das gesamte Jahr 2019 ein Plus von 0,5 % beim Bruttoinlandsprodukt (BIP).
Es sei aber nicht zu erwarten, dass die deutsche Konjunktur in eine scharfe Rezession abrutsche, in der auch die Arbeitslosigkeit deutlich steigen würde. „Die Verlangsamung der Weltwirtschaft sollte nächstes Jahr ein Ende finden“, sagte Christian Ossig, Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes, anlässlich der Vorstellung der Konjunkturprognose. „Das wird auch der deutschen Wirtschaft wieder Halt geben.“ Eine rasche Erholung sei im kommenden Jahr aber ebenfalls unwahrscheinlich. Das für das kommende Jahr prognostizierte Wirtschaftswachstum von 1 % sei fast zur Hälfte einem Kalendereffekt geschuldet. Zusätzlich zum Schaltjahr liegen die Feiertage im kommenden Jahr arbeitgeberfreundlicher als in 2019. An der insgesamt zähen konjunkturellen Entwicklung werde sich daher auch 2020 kaum etwas ändern.
„Die jüngste Zinssenkung der Europäischen Zentralbank wird keine positiven Effekte für die Wirtschaft entfalten“, betonte Ossig. Zum einen seien die Zinsen schon extrem niedrig; die nochmalige Senkung wird für Investoren und Konsumenten daher keinen zusätzlichen Anreiz mehr darstellen. Zum anderen beruhe die aktuelle Wirtschaftsschwäche auf externen Gründen, die man mit einer noch lockereren Geldpolitik nicht bekämpfen kann. So ist der aktuelle Abschwung in erster Linie auf die schwache Weltkonjunktur – insbesondere die Abschwächung in China und die internationalen Handelskonflikte – sowie auf die Unsicherheit über den Brexit zurückzuführen. Versuche, die Stimmung mit zusätzlichen geldpolitischen Impulsen aufzuhellen, dürften sich solange als schwierig erweisen, wie die Ursachen für die Verschlechterung fortbestehen. Erst recht bei einem ohnehin schon extrem niedrigen Zinsniveau und reichlicher Überschussliquidität.
„Um die Konjunktur anzukurbeln, bedarf es wirtschaftspolitischer Impulse“, so Ossig. Es sei ein Irrglaube, dass die EZB alleine etwas bewirken könne. Wer Wachstum fördern wolle, müsse über steuerpolitische Anreize nachdenken und dürfe auch die Regulierung der Banken nicht überziehen. Die jüngste Analyse der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde EBA habe gezeigt, dass sich die Eigenkapitalkosten der Banken in Europa durch das geplante Basel-IV-Paket erheblich verteuern. Dies würde sich unmittelbar auf die Kreditvergabe, insbesondere an mittelständische Unternehmen, auswirken. „Wenn die Regulierung die Finanzierungskraft der Banken massiv einschränkt, hat dies unmittelbare Folgen für unsere Wirtschaft“, sagte Ossig. Die europäische Wirtschaft werde zum großen Teil durch Banken finanziert. Augenmaß in der politischen Umsetzung von Regulierungsvorhaben sei daher notwendig, auch mit Blick auf die schwächelnde Konjunktur.
Die Konjunkturprognose des Bankenverbands wird halbjährlich durchgeführt und beruht auf einer Umfrage unter den 13 Chefvolkswirten von privaten Banken, die Mitglieder des Ausschusses für Wirtschafts- und Währungspolitik sind.
Stefan Schneider, Chief German Economist, Head of Strategic Research, DEUTSCHE BANK AKTIENGESELLSCHAFT - Vorsitzender -
Burkhard Allgeier, Chief Investment Officer, H&A Global Investment Management GmbH
Dr. Marco Bargel, Chefinvestmentstratege Postbank, DB Privat- und Firmenkundenbank AG
Dr. Klaus Bauknecht, Chefvolkswirt, IKB Deutsche Industriebank AG
Dr. Jan Bottermann, Chefvolkswirt, NATIONAL-BANK Aktiengesellschaft
Carsten Brzeski, Chefvolkswirt, ING-DiBa AG
Dr. Felix Hüfner, Chefvolkswirt Deutschland, UBS Europe SE
Carsten Klude, Chefvolkswirt, M.M. Warburg & CO (AG & Co.) KGaA
Dr. Jörg Krämer, Chefvolkswirt, COMMERZBANK Aktiengesellschaft
Dr. Andreas Rees, Chefvolkswirt Deutschland, UniCredit Bank AG
Stefan Schilbe, Chefvolkswirt, HSBC Trinkaus & Burkhardt AG
Dr. Holger Schmieding, Chefvolkswirt, Joh. Berenberg, Gossler & Co. KG
Dr. Dirk Schumacher, Senior European Economist and Managing Director, NATIXIS Zweigniederlassung Deutschland
Dr. Christian Ossig, Hauptgeschäftsführer, Bundesverband deutscher Banken
Markus Becker-Melching, Mitglied der Geschäftsführung, Stab der Hauptgeschäftsführung, Politik, Internationale Beziehungen, Wirtschaft, Bundesverband deutscher Banken
Prognoseübersicht
Deutschland
Prognose | |||
---|---|---|---|
2018 | 2019 | 2020 | |
Bruttoinlandsprodukt 1) | 1,5 | 0,5 | 1,0 |
kalenderbereinigt | 1,5 | 0,5 | 0,6 |
Konsumausgaben priv. Haushalte 1) | 1,3 | 1,4 | 1,2 |
Konsumausgaben des Staates 1) | 1,4 | 1,7 | 1,7 |
Ausrüstungsinvestitionen 1) | 4,4 | 2,2 | 1,6 |
Bauinvestitionen 1) | 2,5 | 3,7 | 2,4 |
Exporte 1) | 2,1 | 0,7 | 1,1 |
Importe 1) | 3,6 | 2,5 | 2,2 |
Entwicklung der Verbraucherpreise 2) | 1,8 | 1,5 | 1,5 |
Zahl der Arbeitslosen (Millionen) | 2,340 | 2,270 | 2,300 |
Euro-Raum
Prognose | |||
---|---|---|---|
2018 | 2019 | 2020 | |
Bruttoinlandsprodukt 1) | 1,9 | 1,0 | 1,0 |
Entwicklung der Verbraucherpreise (HVPI) 2) | 1,8 | 1,3 | 1,3 |
Kernrate 2) | 1,0 | 1,0 | 1,2 |
Finanzmärkte und Rohstoffe
Prognose | |||
---|---|---|---|
20. September 2019 | 2019 | 2020 | |
USD/EUR | 1,10 | 1,13 | 1,18 |
Rendite Staatsanleihen Deutschl. (10 J.) | -0,51 | -0,55 | -0,10 |
Ölpreis (USD/Barrel) | 64,60 | 61,00 | 62,50 |
1) Reale Veränderung in % gegenüber dem Vorjahr.
2) Veränderung in % gegenüber dem Vorjahr im Jahresdurchschnitt