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Finanzinnovationen sind unverzichtbarer Motor des Wirtschaftswachstums

04.09.2018Artikel
Volker Hofmann
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Wenn von Innovationen als dem Motor von Fortschritt und wirtschaftlichem Wachstum die Rede ist, werden im Allgemeinen damit technische Innovationen assoziiert. Jedoch zeigt ein kurzer Blick in die Wirtschaftsgeschichte, dass Finanzinnovationen einen mindestens ebenso großen Einfluss auf die Wohlstandsentwicklung haben.

Finanzinnovationen ermöglichten die wirtschaftliche Entwicklung seit dem Altertum

So ermöglichte der bereits im Mittelalter entwickelte Wechsel nicht nur die Kreditvergabe, er erleichterte auch den Handelsverkehr. Ebenfalls bis ins Mittelalter zurück reichen die Vorläufer der verzinslichen Wertpapiere. Sie waren aber über lange Zeit ausschließlich Anleihen von Staaten oder Städten. So verdankt auch die Bank of England, ihrerseits selbst eine Innovation, ihre Gründung im Juli 1694 einer englischen Staatsanleihe durch Wilhelm III. Erst die industrielle Revolution brachte um 1860 auch Unternehmensanleihen als Finanzierungsinstrument. Sie spielten eine große Rolle bei der Finanzierung des Baus der Eisenbahnen in den USA. 

Finanzinnovationen

Die Innovation der Aktiengesellschaft datiert ins Jahr 1602, als sich holländische Reeder in der „Vereinigten Ost-Indischen Compagnie“ zur ersten Aktiengesellschaft der Welt zusammenschlossen. Diese Innovation ermöglichte erst den niederländischen und britischen Ostasienhandel, sie steht damit sozusagen an der Wiege der Globalisierung. Ihren Siegeszug begann die Aktiengesellschaft jedoch erst mit einer weiteren Innovation, der Entwicklung des Aktienrechts in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die Möglichkeit des freien Handels der Anteile an den Börsen, ihrerseits eine Finanzinnovation des ausgehenden Mittelalters, sicherte einen stetigen Kapitalzufluss, ohne den die industrielle Revolution nicht vorstellbar gewesen wäre. 

Heutige Finanzinnovationen sind unverzichtbare Begleiter der Globalisierung

Mit dem Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems und der Liberalisierung der internationalen Finanzmärkte begann eine Innovationswelle, die bis heute anhält. Sie läuft parallel zur Globalisierung und ermöglichte nicht nur die Finanzierung des wachsenden Welthandels, sondern auch der verschiedenen anderen Formen dieser weltwirtschaftlichen Entwicklung, wie Direktinvestitionen, Outsourcing oder Supply-Chain-Management. Ein stetiger Strom von Innovationen erlaubt Banken und Kapitalmärkten heute die Erfüllung der differenzierten und individuellen Finanzierungsbedürfnisse selbst mittelständischer Unternehmen. Kurz gesagt, Finanzintermediation setzt seit jeher die beste verfügbare Technologie ein, angefangen bei den Markierungen auf Tontafeln.

Die Breite und Tiefe eines Finanzsektors bilden somit eine wichtige Grundlage für die wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten eines Landes. Im Anschluss an die Finanzkrise wurde nun vielfach gemutmaßt, dass der Finanzsektor nur bis zu einer bestimmten Größe einen positiven Einfluss auf das Wirtschaftswachstum ausüben könne, wachse er darüber hinaus, werde das Wirtschaftswachstum negativ beeinflusst. Die Bedeutung und Wirkung von Finanzinnovationen auf die Wirtschaft wird deshalb heute durchaus konträr bewertet. Auf der einen Seite gibt es den eher traditionellen Ansatz der besagt, dass Finanzinnovationen dazu beitragen, die Qualität und Vielfalt der Bankdienstleistungen zu verbessern, die Risikoteilung zu erleichtern, den Markt zu vervollständigen und die Allokationseffizienz zu verbessern. 

Finanzinnovationen haben aber auch zur Finanzkrise beigetragen

Eine entgegengesetzte Sichtweise sieht in Finanzinnovationen die Ursache für die jüngste globale Finanzkrise. Demnach haben Finanzinnovationen zu einer beispiellosen Kreditausweitung geführt, die den Boom und den anschließenden Zusammenbruch der Immobilienpreise begünstigte, sie haben zur Schaffung von Wertpapieren geführt, die als sicher galten, aber vernachlässigten Risiken ausgesetzt waren und sie haben strukturierte Produkte kreiert, mit deren Hilfe Fehleinschätzungen der Anleger über Zusammenhänge der Finanzmärkte ausgebeutet werden konnten.

Diese gegensätzliche Sicht der Finanzinnovationen wird auch gerne als ihre helle und ihre dunkle Seite bezeichnet. Finanzinnovationen unterscheiden sich damit jedoch nicht von Innovationen im Allgemeinen. Auch technische Neuerungen können häufig sowohl zum Wohle der Menschheit als auch zu ihrem Schaden verwendet werden. 

Empirische Untersuchungen sprechen per Saldo für einen positiven Beitrag von Finanzinnovationen

Überraschenderweise sind Untersuchungen zum Zusammenhang zwischen Finanzinnovationen und Wirtschaftswachstum rar gesät. Dies ist zu einem wesentlichen Teil auf fehlende Datenerhebungen zu Finanzinnovationen zurückzuführen. Anders als im technischen Bereich gibt es für Finanzinnovationen bekanntlich keine Patente. Der Nettoeffekt der „hellen und dunklen“ Seite der Finanzinnovationen auf das Wirtschaftswachstum bleibt daher eine empirisch zu klärende Frage. 

Neuere Untersuchungen stärken nun aber die These, dass Finanzinnovationen und Wirtschaftswachstum stark miteinander korreliert sind. Länder mit einem höheren Grad an Finanzinnovation sind besser in der Lage, Wachstumschancen auch in steigenden Wohlstand umzusetzen. Industriezweige mit hohen Ausgaben für Forschung und Entwicklung wachsen schneller in Ländern in den Finanzintermediäre mehr Geld für Innovationen aufwenden. Finanzinnovationen und damit die Vertiefung des Finanzsektors sind kein Selbstzweck, sondern ein Instrument zur Stärkung des Wirtschaftswachstums.

Gleichwohl darf die „dunkle Seite“ der Innovationen nicht außer Acht gelassen werden. Gesamtwirtschaftlich positive Auswirkungen werden Finanzinnovationen nur dann haben, wenn sie den Finanzsektor nicht destabilisieren. Die Erfahrungen der Finanzkrise ebenso wie empirische Untersuchungen lehren, dass ein höheres Niveau an Finanzinnovation einhergehen kann mit einer höheren Fragilität des Bankensektors eines Landes. Finanzinnovationen werden daher nur dann einen positiven gesamtwirtschaftlichen Beitrag leisten können, wenn es gelingt, ihre Risiken zu beherrschen.

Position des Bankenverbandes
  • Für ein stärkeres Wirtschaftswachstum, das mit einem höheren Produktivitätsgewinn einhergeht und alle Bevölkerungsschichten einschließt – also inklusiv ist -, dürfte deshalb nicht allein die Größe des Finanzsektors von Bedeutung sein, sondern vor allem seine Innovationskraft. 
  • Aus wirtschaftspolitischer Sicht bilden daher auch für den Finanzsektor Anpassungsfähigkeit und Innovation die Schlüsselelemente für ein inklusives Wirtschaftswachstum. Dabei stehen nicht einzelne Finanzprodukte im Vordergrund, sondern die innovative Aktivität der Finanzintermediäre. 
  • Die nationalen und europäischen Gesetzgeber sowie die internationalen Standardsetzer sollten deshalb bei ihrer Arbeit stets berücksichtigen, dass Institutionen, Gesetze, Regulierungen und politische Maßnahmen, die Finanzinnovationen behindern, auch den technologischen Wandel und das Wirtschaftswachstum verlangsamen.