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Mehr Kapital für mehr Umweltschutz?

31.05.2023Artikel
Frederik Lange
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EU-Taxonomie soll jetzt auch bei vier weiteren Umweltzielen Klarheit schaffen

„Gut Ding will Weile haben“… Ob dieses Sprichwort (noch) auf die EU-Taxonomie zutrifft, dürfte zumindest umstritten sein. Gut eineinhalb Jahre später als ursprünglich geplant hat die EU-Kommission am 5. April 2023 ihre Entwürfe zu den technischen Bewertungskriterien für die verbleibenden vier Umweltziele der Taxonomie-Verordnung veröffentlicht. Stakeholder wie zum Beispiel Unternehmen, Finanzinstitute, Verbände, NGOs, öffentliche Einrichtungen sowie Privatpersonen konnten in einer vierwöchigen Konsultation die Vorschläge kommentieren. Der Bankenverband hat sich an der Konsultation über die Deutsche Kreditwirtschaft (DK) und den Europäischen Bankenverband (EBF) beteiligt. 

Um was geht es bei den Entwürfen der EU-Kommission? 

Neue technische Bewertungskriterien zur Klassifizierung von Wirtschaftsaktivitäten

Die EU-Taxonomie ist ein Klassifizierungssystem, das definiert, welche Wirtschaftstätigkeiten ökologisch nachhaltig sind. Sie soll nachhaltige Investitionen unterstützen, indem sie gemeinsame Kriterien für Investoren, Unternehmen und politische Entscheidungsträger bereitstellt. Seit Juli 2021 gibt es diese für die zwei Klimaziele „Klimaschutz“ und „Anpassung an den Klimawandel“. Die Bewertungskriterien für die vier Umweltziele „nachhaltige Nutzung von Wasserressourcen“, „Wandel zu einer Kreislaufwirtschaft“, „Vermeidung von Verschmutzung“ und „Schutz von Ökosystemen und Biodiversität“ fehlen noch. 

Hier zieht die EU-Kommission jetzt nach. Als Basis dienten dabei die Vorschläge der „EU Platform on Sustainable Finance“ – ein unabhängiges Beratungsgremium der EU-Kommission – vom März und November 2022. Nach einer summarischen Übersicht der deutschen Wirtschaftsprüferkammer enthält die Umwelttaxonomie jetzt Kriterien für:

  • Sechs neue Wirtschaftsaktivitäten zum Schutz der Wasser- und Meeresressourcen, 
  • 21 neue Wirtschaftsaktivitäten für den Wandel zur Kreislaufwirtschaft,
  • Sechs neue Wirtschaftsaktivitäten zur Verringerung der Umweltverschmutzung,
  • Zwei neue Wirtschaftsaktivitäten zum Schutz der biologischen Vielfalt.

Darüber hinaus passt die EU-Kommission die Bewertungskriterien im Bereich Klima an, bzw. nimmt neue Aktivitäten mit in die Taxonomie auf: 

  • 18 überarbeitete und 7 neue Wirtschaftsaktivitäten beim Klimaschutz,
  • 15 überarbeitete und 6 neue Wirtschaftsaktivitäten bei der Anpassung an den Klimawandel. 

Die zusätzlichen Wirtschaftsaktivitäten im Bereich Klima betreffen vor allem einige Schlüsselkomponenten für kohlenstoffarme Verkehrsmittel und elektrische Geräte sowie einige Übergangstätigkeiten im Verkehrssektor. Hierbei hat insbesondere die Aufnahme von Flug- und Schiffsverkehr in die Taxonomie für Kritik aus verschiedenen Lagern gesorgt. Denn: Investments in Schiffe und Flugzeuge, die mit Antrieben neuester Bauart ausgestattet sind, könnten künftig als klimafreundlich gelten – auch wenn sie mit fossilen Brennstoffen betrieben werden. 

Dabei sollte generell klar sein, dass die technischen Bewertungskriterien wissenschaftlich fundiert, angemessen und ehrgeizig sein sollten – erst recht, wenn neue Wirtschaftssektoren in die Taxonomie aufgenommen werden. Nur so kann die Taxonomie glaubwürdig sein und bleiben.

Anpassung der Berichtspflichten

Parallel zu den neuen und überarbeiteten technischen Bewertungskriterien hat die EU-Kommission auch Änderungen des delegierten Rechtsakts über die Offenlegung der Taxonomie vorgeschlagen. Diese sollen sicherstellen, dass die Offenlegungsanforderungen entsprechend angepasst werden, die berichtspflichtige nichtfinanzielle Unternehmen und Finanzunternehmen zu erfüllen haben. Gleichzeitig sollen einige technische Fehler korrigiert werden.

Laut den Entwürfen sollen nichtfinanzielle Unternehmen für die neuen Umweltziele die Taxonomiefähigkeit ihrer Umsätze, Investitionen und Betriebsausgaben schon ab 2024 und die Taxonomiekonformität ab 2025 offenlegen. Finanzunternehmen müssten die Taxonomiefähigkeit ebenfalls ab 2024 offenlegen und ab 2026 zur Taxonomiekonformität berichten.

(Anmerkung: In Artikel 5 der Amendments des Delegierten Rechtsaktes (EU) 2021/2178 sieht die EU-Kommission als Enddatum den 31. Dezember 2024 für die Berichterstattung über die Taxonomiefähigkeit von Finanzunternehmen vor. Wir gehen davon aus, dass es sich hier in Anbetracht des Starttermins 2026 für die Berichterstattung zur Taxonomiekonformität und den Bedarf an Unternehmensdaten mit einem Jahr Vorlauf um einen Fehler handeln könnte und haben dies entsprechend in unserer DK-Stellungnahme angesprochen.) 

Dass die neuen Berichtspflichten in einem Zeitraum von weniger als einem Jahr eingeführt werden müssen, ist angesichts der Komplexität der Materie sehr ambitioniert. Alle berichtspflichtigen Unternehmen, Finanzinstitute und ihre Daten-/ Softwareanbieter gehen in der Regel von einer Umsetzungsfrist von mindestens 12 Monaten aus. Wir schlagen daher vor, eine Verschiebung aller neuen Berichtsanforderungen für finanzielle und nichtfinanzielle Unternehmen, um ein Jahr in Betracht zu ziehen. 

Neue Online Tools

Im Zuge der Konsultation hat die Europäische Kommission auch den EU-Taxonomie-Navigator veröffentlicht. Basierend auf dem bestehenden EU-Taxonomiekompass bietet der Navigator eine Reihe von Online-Tools, die den Nutzern helfen sollen:

  • die EU-Taxonomie besser zu verstehen, 
  • ihre Umsetzung zu erleichtern 
  • und die Unternehmen bei ihren Berichtspflichten zu unterstützen.

Darüber hinaus soll ein „stakeholder request mechanism“ eingeführt werden. Dieser soll Interessengruppen die Möglichkeit geben, Vorschläge zu unterbreiten – etwa zu neuen Aktivitäten, welche in die EU-Taxonomie aufgenommen werden könnten, oder zu möglichen Änderungen der technischen Bewertungskriterien für bestehende Aktivitäten.

Was sind die nächsten Schritte? 

Die vierwöchige Konsultation der EU-Kommission ist am 3. Mai 2023 abgelaufen. Nach der Prüfung der insgesamt 508 eingegangenen Stellungnahmen wird die EU-Kommission entscheiden, ob sie Änderungen an den Rechtsakten sowie Annexen vornimmt. Eine Verabschiedung der Rechtsakte durch die EU-Kommission wird noch im Sommer 2023 erwartet. 

Das Europäische Parlament und der Rat haben daraufhin vier Monate Zeit, um die delegierten Rechtsakte zu prüfen. Auf Antrag einer der beiden Institutionen kann diese Frist um weitere zwei Monate verlängert werden. Die beiden Institutionen sind nicht befugt, die delegierten Rechtsakte zu ändern, können jedoch ein Veto einlegen. Sollten keine Einwände gegen einen der delegierten Rechtsakte erhoben werden, werden diese im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht und gelten ab dem 1. Januar 2024.

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