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Positionspapier zu Verbriefungen

15.04.2024Positionspapier
Nicole Quade
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Die Zukunft im Blick - die Produktionsstraße für Verbriefungen optimieren

Die europäische Gesellschaft steht in den kommenden Jahren vor der enormen Herausforderung mit Investitionen in Milliardenhöhe, die grüne und digitale Transformation der Wirtschaft zügig voranzutreiben. Die EU-Kommission schätzt den Bedarf an zusätzlichen Investitionen auf 620 Mrd. Euro – jedes Jahr. Diese Volumina können nur mit einer intelligenten Kombination der verfügbaren Kapitalquellen finanziert werden: Eigenmittel der Unternehmen, Bankkredite, Kapitalmarkt und öffentliche Förderung. Insbesondere privates Kapital muss – über den Kapitalmarkt – viel stärker in Richtung Wirtschaft fließen. Ohne starken Kapitalmarkt wird die grüne und digitale Transformation nicht gelingen.

Banken können eine zentrale Rolle als Intermediär zwischen den zu finanzierenden Unternehmen und dem Kapitalmarkt einnehmen. Entsprechend den Bedürfnissen von Investoren am Kapitalmarkt können Banken Kreditfinanzierungen zusammenstellen, die dem Risikoprofil des Investors entsprechen. Banken ermöglichen damit erst Investitionen, die nicht über den Kapitalmarkt zugänglich sind. Gleichzeitig können auf Seiten der Bank Kapazitäten für die weitere Kreditvergabe freigesetzt werden. Das Instrument, das für diese Zwecke besonders geeignet ist, ist die Verbriefung. Verbriefungen sind ein wichtiges Managementinstrument, mit dem sowohl das Kapital als auch die Liquidität einer Bank gesteuert werden können.

Europäische Verbriefungen sind im Rahmen der Finanzkrise 2008 zu Unrecht in Verruf geraten. Dies belegen die sehr geringen Ausfallraten europäischer Verbriefungen vor, während und nach der Krise eindrucksvoll. Dennoch unterliegen Verbriefungen, welche eine zentrale Rolle in der Finanzkrise von 2008 gespielt haben, in Europa einem Stigma. Selbst die Einführung einer umfassenden Regulierung hat wenig Fortschritt gebracht. Vielmehr lässt sich beobachten, dass ursprünglich gut gedachte Ziele zur Regulierung der Verbriefung im Gesetzgebungsprozess in Vergessenheit geraten. Das Ergebnis sind über die Maßen konservative und zum Teil praxisferne Anforderungen.

Gleichzeitig wird bei der Diskussion zur Wiederbelebung des Verbriefungsmarktes der Blick häufig nach Amerika gerichtet. Ein direkter Vergleich des amerikanischen und des europäischen Verbriefungsmarktes ist jedoch nur eingeschränkt sinnvoll. Die Verbriefungsmärkte funktionieren grundsätzlich unterschiedlich. Das amerikanische Modell der „agency securitisation“ (Fannie Mae, Freddie Mac, Ginnie Mae) sucht in Europa seinesgleichen. Über die US-Agenturen wird ein Großteil des amerikanischen Verbriefungsmarktes abgewickelt (Verbriefung von Wohnimmobilienfinanzierungen). Dabei übernehmen diese staatlichen Institutionen teilweise oder vollständig das Kreditrisiko. Der Investor trägt dann vor allem noch das Zinsänderungsrisiko. Ohne Agency-Verbriefungen war das amerikanische Emissionsvolumen in 2022 gerade eben vier Mal so hoch wie die platzierten europäischen Verbriefungen.[1] Auf Grund dieser Unterschiede stellt der amerikanische Verbriefungsmarkt eine problematische Grundlage für die Bewertung des europäischen Verbriefungsmarktes dar.[2]

Der BdB hat eine umfassende Analyse der bereits in den letzten Jahren entwickelten Verbesserungsvorschläge zur Verbriefungsregulierung durchgeführt. Im Ergebnis zeigt sich, dass kein Vorschlag allein den Durchbruch zur Wiederbelebung des Verbriefungsmarktes bringen würde. Vielmehr muss an mehreren Stellschrauben gedreht werden. Das zentrale Ziel aller Anpassungen muss sein, den Verbriefungsprozess in seiner Gesamtheit effizienter zu gestalten. Das heißt auch, dass das Augenmerk nicht allein auf regulatorische Anforderungen gerichtet sein sollte. Andere Bereiche der Produktionsstraße, wie z.B. aufsichtliche Prozesse oder die gelebte Marktpraxis bieten Raum für weitere Verbesserungsmöglichkeiten.

Bei der Betrachtung des deutschen Verbriefungsmarktes spielen Verbriefungen von Wohnimmobilienfinanzierungen anders als in Amerika eine untergeordnete Rolle. In Deutschland wird zur Refinanzierung von Wohnimmobilienfinanzierung klassischer Weise der Pfandbrief/gedeckte Schuldverschreibungen eingesetzt. Für den Investor sind diese insbesondere aufgrund der doppelten Rückgriffsfähigkeit (Emittent und Sicherheitenpool dienen als Rückzahlungsquelle) interessant. Mögliche Maßnahmen zur Wiederbelebung des Verbriefungsmarkte in Europa sollten diesen Aspekt berücksichtigen. Deutlich geworden ist auch, dass die Verbriefung von Auto-, Leasing- und Konsumentenfinanzierungen unproblematisch ist. In diesen Produkten ist die Standardisierung bereits sehr hoch, die Prozesse laufen im Wesentlichen routinemäßig ab.

Wenn Verbriefungen zur digitalen und nachhaltigen Transformation beitragen sollen, scheint es uns sinnvoll, bei der Frage nach den zu verbriefenden Finanzierungen, das Augenmerk auf eben solche Finanzierungen zu richten, die diesbezüglich einen größeren Beitrag leisten können. Die Verbriefung von Finanzierungen, die darauf abzielen, dass z.B. Unternehmen digitaler und nachhaltiger werden, oder bestimmte Infrastrukturfinanzierungen, müssen Gegenstand der Untersuchung für eine weitere Standardisierung des Verbriefungsprozesses sein. D.h. der Rahmen insbesondere für die Verbriefung von KMU-Finanzierungen, Unternehmenskredite, gewerbliche Immobilien und Infrastrukturfinanzierungen muss verbessert werden. Eine gezielte Förderung und Anpassung von Verbriefungsstrukturen für diese Bereiche würde einerseits die Wirtschaftlichkeit solcher Verbriefungen erhöhen, könnte aber auch gleichzeitig dazu beitragen, dass Kapazitäten für solche Finanzierungen freigesetzt werden, was sich schließlich positiv auf die Realwirtschaft auswirken könnte.

Im Jahr 2019 wurde über die Verbriefungsregulierung das STS-Rahmenwerk eingeführt.[3] Dieses Rahmenwerk für einfache, transparente und standardisierte Verbriefungen umfasst ca. 112 Kriterien, die zu erfüllen sind, um von geringeren Risikogewichten zu profitieren. Mit der Erfüllung der Kriterien können Verbriefungstransaktionen tendenziell wirtschaftlicher ausgestaltet werden. Für die Zwecke der Transitionsfinanzierung zeigen sich die Kriterien in der Praxis jedoch als zu sperrig. Beispielsweise gilt für die Erfüllung der Homogenitätsanforderungen, dass die Schuldner im Verbriefungspool ihren Wohnsitz im selben Hoheitsgebiet haben müssen. Dies beschränkt die Möglichkeiten, KMU-Finanzierungen aus verschiedenen Hoheitsgebieten in einem Verbriefungspool zusammenzufassen. Aber gerade die Möglichkeit von paneuropäischen Verbriefungsportfolien könnte sowohl auf der Seite der Originatoren die Verbriefung befördern als auch das Interesse von Investoren an der Verbriefung steigern. Letztere könnten mit einer Investition in paneuropäische Verbriefungen Diversifikationsanforderungen bedienen. So ist eine gesetzliche Initiative, die einen Beitrag zur Verbesserung von grenzüberschreitenden Verbriefungen für Forderungen aus Lieferungen und Leistungen hätte leisten können, versandet. 2019 gab es einen Antritt, EU-weit einheitlich das Recht zu bestimmen, das auf die Drittwirkung eines Forderungsübertrages zur Anwendung kommt.[4] Die Deutsche Kreditwirtschaft hatte im Rahmen der Stellungnahme diesen Antritt begrüßt. Die Deutsche Kreditwirtschaft hatte in diesem Zusammenhang eine Erweiterung vorgeschlagen. Diese sollte gewährleisten, dass im Fall von Teilportfolien mit unterschiedlichen Forderungsstatuten, wie es bei Verbriefungen der Fall sein kann, die Parteien das anwendbare Recht wählen können.[5]

Die zentrale Frage, mit der sich im Zusammenhang mit der Wiederbelebung des Verbriefungsmarktes beschäftigt werden muss, ist die Frage der Wirtschaftlichkeit. Wie kann der Verbriefungsprozess in Europa effizienter gestaltet werden? Wie kann die Produktionsstraße für Verbriefungen optimiert werden? Wie können Eintrittshürden abgesenkt werden? Wie können Transaktionskosten gesenkt werden?

Ein möglicher Effizienztreiber könnte ein höheres Maß an Standardisierung sein. Standardisierung wäre sowohl im gesetzlichen Bereich als auch in der Marktpraxis denkbar. Zudem sollten auch die aufsichtlichen Prozesse in eine solche Betrachtung einbezogen werden. Die gesetzliche Standardisierung könnte über die Harmonisierung von gesetzlichen Rahmenbedingungen erreicht werden (siehe oben). Die marktbezogene Standardisierung wäre beispielsweise durch die Standardisierung von Verträgen zu erreichen. Schon heute ist die European Investment Bank (EIB) / der European Investment Fonds (EIF) zentraler Garantiegeber bei synthetischen Verbriefungen. Die zumindest teilweise standardisierte Einbindung einer staatlichen Institution hätte zudem den Vorteil, dass gleichzeitig das Vertrauen in die Verbriefung gestärkt werden würde. Kompetenzen könnten hier gebündelt werden. Zu erwarten wäre eine positive Strahlkraft, die sich auf den gesamten Verbriefungsmarkt auswirkt. Mit Blick auf die aufsichtlichen Prozesse treiben Unsicherheiten und Unvorhersehbarkeiten die Kosten für Banken in die Höhe. Auch in diesem Bereich gibt es Spielraum für ein effizienteres Vorgehen.

Ferner braucht es einen Anreiz für Investoren (wieder) in Verbriefungen zu investieren. Aktuell ist die Investorenbasis klein. Dies hängt nach unserer Einschätzung insbesondere damit zusammen, dass die Alternativen (z.B. direkter Erwerb von Kreditportfolien, Investition in Covered Bonds) kostengünstiger sind. Dies betrifft die Transaktionskosten selbst, aber z.B. auch die regulatorischen Anforderungen, denen sich Banken und Versicherungen ausgesetzt sehen. Die Anforderungen an die Eigenkapitalunterlegung bei der Investition in Verbriefung sind für Banken und Versicherungen mehr als konservativ und entsprechen unter Berücksichtigung der umfänglichen regulatorischen Vorgaben nicht dem innewohnenden Risiko. Längerfristig könnten die regulatorischen Anforderungen, wie z.B. die Absenkung des p-Faktors, die Wirtschaftlichkeit der Verbriefung steigern. Konkrete Vorschläge dazu hatte die Europäische Kommission im Rahmen der Umsetzung von Basel im Bankenpaket vorgeschlagen. Die Vorschläge sind insgesamt positiv zu bewerten. Aus den oben dargestellten Gründen wäre eine Ausweitung auf Non-STS Verbriefung wünschenswert.

Für das Kapitalmanagement in den Banken sind insbesondere synthetische Verbriefungen von zentraler Bedeutung. Synthetische Verbriefungen sind vertragliche Vereinbarungen, die direkt mit dem Investor geschlossen werden. Hierbei werden die konkreten Bedürfnisse des Investors berücksichtigt. Investoren fordern ihren Bedürfnissen entsprechend Informationen ein. Diese Bedürfnisse stehen neben den allgemeinen regulatorischen Transparenzanforderungen. Diese Anforderungen gehen jedoch an den Bedürfnissen vorbei bzw. sind dem aufsichtlichen Informationsbedürfnis entsprechend gestaltet. Auch hier bestehen Möglichkeiten Verbesserungen zu erreichen.

Insgesamt ist der Erst- bzw. der Wiedereinstieg durch die umfangreichen regulatorischen Vorgaben mit hohem Aufwand verbunden. Nicht zu unterschätzen ist der Bedarf an spezialisiertem und damit kostenintensivem Know-how. Hier ist zu beobachten, dass gerade das Know-how zu Verbriefungen bei potenziellen Investoren mit der Zeit zurückgegangen ist. Zum Teil wurde aus strategischer Perspektive und vor dem Hintergrund des Stigmas auf Investitionen in Verbriefungen verzichtet. Diese Einstiegs- bzw. Wiedereinstiegshürden könnten zumindest teilweise durch einen einfachen und standardisierten Verbriefungsprozess minimiert werden.

Zusammengefasst: Wir halten eine umfassende Bewertung des gesamten Verbriefungsprozesses insbesondere für Verbriefungen von Portfolien, die für die Transformation nützlich sein können, für erforderlich. Singuläre Maßnahmen werden den Verbriefungsmarkt nicht befördern. Um die erwarteten Herausforderungen aus der nachhaltigen und digitalen Transformation bewältigen zu können, sollten bereits heute die Weichen gestellt werden, um hierzu einen Beitrag leisten zu können. Die Besonderheiten des europäischen Marktes sind dabei zu berücksichtigen. Der Verbriefungsprozess muss für die Zukunft fit gemacht werden, die Produktionskosten müssen gesenkt und Prozesse optimiert werden.

Fußnoten:
 

[1] German Council of economic experts: Report on the institutional and regulatory differences between the American and European securitisation markets, November 2023

[2] siehe zu 1

[3] Verordnung - 2017/2402 - EN - EUR-Lex (europa.eu)

[4] eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52018PC0096 

[5] Stellungnahme (die-dk.de)

Nicole Quade
Nicole QuadeDirector
Juliane Weiß
Juliane WeißPressesprecherin für Regulierung der Finanzmärkte, Einlagensicherung, Finanzbildung, Steuern, Geldwäsche und Finanzfritzen/Instagram