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Bankenmarkt

Mit der Hausbank in die Transformation!

02.01.2024Artikel
Heiner Herkenhoff
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Gastbeitrag von Heiner Herkenhoff, erschienen in der Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen am 02.01.2024

In der Finanzwelt sind technische Begriffe allgegenwärtig. Deswegen ist es nicht weiter verwunderlich, dass die sogenannte „Hausbankbeziehung“ zu einem gängigen Terminus geworden ist. Dabei verbirgt sich hinter dieser spröden Begrifflichkeit in der Regel etwas höchst Lebendiges: eine langjährige, stabile und meist von Vertrauen geprägte Liaison zwischen Bank und Kunde. Eine gewachsene Beziehungen, die durch einen Wolkenbruch nicht gleich davongeschwemmt wird. Oder um ein anderes Bild aufzugreifen: Die Hausbank will den verliehenen Regenschirm nicht dann zurückhaben, wenn der Regen einsetzt, sondern erst dann, wenn der schützende Unterstand fertig errichtet ist.

Weil es eine leichte Behaglichkeit ausströmt, steht das Hausbankprinzip allerdings unter dem Verdacht, dem immer dynamischeren Marktgeschehen von heute nicht mehr gerecht zu werden. Sollen sich Unternehmen wirklich vorrangig auf ein Institut stützen, wo es doch viele Wettbewerber gibt und der Zins der eigenen Hausbank keineswegs der günstigste sein muss? Können Firmen ihre Finanzierungen heutzutage nicht ohnehin sehr viel einfacher über diverse digitale Kanäle tätigen? Und wenn wir den Blick ein wenig nach vorne richten: Werden nicht schon in naher Zukunft Plattformen die Funktion als Intermediäre übernehmen und damit das Ende der traditionellen Kreditwirtschaft, erst recht das des Hausbankprinzips, einläuten? 

Mehr als nur eine Kreditbeziehung

Um diese Fragen überzeugend zu beantworten (und ihre Thesen zu entkräften), ist es zunächst angebracht, das Konstrukt „Hausbank“ noch einmal etwas genauer unter die Lupe zu nehmen und mit falschen Vorstellungen aufzuräumen. Das wichtigste Finanzprodukt, das Unternehmen und Hausbank miteinander verbindet, ist natürlich der Kredit. Aber es wäre falsch, die Beziehung von Unternehmenskunde und Kreditinstitut auf den Finanzierungsaspekt zu reduzieren. Das Angebot der Bank bzw. der Hausbank umfasst ein ganzes Bündel von Produkten und Dienstleistungen: vom Einlagengeschäft bis zum Zahlungsverkehr, vom Cash-Management bis zur Vermögensanlage, vom Absicherungsgeschäft bis zu einem komplexen Thema wie die Unternehmensnachfolge. Und gerade in der Gesamtheit liefern sie einen wirklichen Mehrwert für das Unternehmen. 

Natürlich pflegen viele mittelständische und erst recht große Unternehmen geschäftliche Beziehungen zu mehr als nur einem Kreditinstitut. Und dass in Zeiten eines intensiveren Wettbewerbs und neuer digitaler Angebote die bisherigen Bankbeziehungen häufiger hinterfragt werden als in der Vergangenheit, liegt auf der Hand. Unternehmen jeglicher Größe können heute über digitale Kanäle Finanzierungsangebote von zahlreichen Anbietern finden. 

Gerade größere Unternehmen aber haben einen komplexen Beratungsbedarf, der von Fintechs und anderen Vertretern der digitalen Plattformökonomie kaum bis gar nicht gedeckt werden kann. Ein Kreditinstitut ist eben deutlich mehr als nur ein Intermediär, der bei der Kapitalbeschaffung hilfreich ist; das Firmenkundengeschäft zeichnet sich ganz wesentlich durch eine intensive Beratung aus, bei der digitale Techniken zwar zum Einsatz kommen können, aber einen eher unterstützenden Charakter haben – es zählt vor allem der persönliche Kontakt. Und zugleich liegen die Vorteile auf der Hand, wenn im Zentrum der Bankbeziehungen des Unternehmens ein Institut steht, das seinen Kunden besser kennt als alle anderen und deshalb auch eine besondere Verantwortung ihm gegenüber empfindet.

Vor diesem Hintergrund überrascht nicht, dass sich die Struktur der Kundenverbindung zwischen Unternehmen und dem einzelnen Kreditinstitut – trotz aller technologischen Veränderungen in den letzten 20 Jahren – nur wenig gewandelt hat. Und auch aktuell gibt es keine plausiblen Anhaltspunkte dafür, dass die stabilen Beziehungen zwischen Unternehmen und Hausbank durch die Digitalisierung erodieren könnten. Auf den Punkt gebracht: Das Hausbankprinzip hat sich bis heute bewährt und wird auch in absehbarer Zeit die Geschäftsbeziehungen zwischen Bank und Unternehmenskunden prägen.

Hausbank in Krisenzeiten

Vor einigen Jahren, vor Ausbruch der Corona-Pandemie, hätte diese Prognose vielleicht noch nicht ganz so unerschütterlich geklungen wie heute. Aber gerade in den vielen Monaten des Lockdowns und des je nach Branche teilweise dramatischen Umsatzrückgangs haben die betroffenen Unternehmen den Wert einer stabilen Beziehung zu ihrer Hausbank erneut schätzen gelernt. Ob private Institute, Sparkassen oder Genossenschaftsbanken – die in der Fläche präsenten Hausbanken waren in der Krise der erste Ansprechpartner ihrer Kunden und für die reibungslose Kreditversorgung unverzichtbar. Auch die Förderprogramme durch KfW und Landesförderanstalten, die während der Pandemie von existenzieller Bedeutung waren, um die Liquidität zu sichern, wurden von den jeweiligen Hausbanken durchgeleitet. Zwar übernahmen die Förderbanken bei diesen Programmen einen hohen Teil des Haftungsrisikos (beim KfW-Schnellkredit sogar 100 Prozent), doch Kreditantrag, Kreditprüfung, Auszahlung und die abschließende Betreuung oblag den Hausbanken. 

Gerade in Krisenjahren erfahren die Unternehmen über ihren Kundenberater viel Unterstützung – nicht nur Corona hat uns dies vor Augen geführt. Geschäftsbeziehungen zwischen einem Unternehmen und einem Kreditinstitut basieren nun einmal auf gegenseitigem Vertrauen. Und speziell, wenn es heikel wird, wirft das aufgebaute Vertrauenskapital Rendite ab. Die Hausbanken haben ihren Kunden während der Pandemie nicht nur Kredite gewährt, sondern in vielen Fällen auch Zahlungsaufschübe auf bestehende Darlehen eingeräumt. Dies konnten sie nur tun, weil sie ihre Kunden viele Jahre kannten und an sie glaubten.

… und in Aufbruchszeiten

Doch auch wenn unsere gegenwärtige Zeit krisengebeutelt ist, erschöpft sich der Wert der Hausbank nicht nur darin, in schwerer Stunde an der Seite der Kunden zu stehen – so wichtig diese Funktion während der Energiekrise gerade wieder gewesen ist. Die nächsten Jahre und Jahrzehnte werden Aufbruchs- und Transformationsjahre sein. Sie müssen es zumindest sein, wenn Deutschland seine Klimaziele erreichen und gleichzeitig einen wettbewerbsfähigen Industriestandort erhalten will. Deutsche Unternehmen sind auf den globalen Märkten zu Hause; sie stehen vor der Herausforderung, innovative Produkte herzustellen, stabile Lieferketten aufzubauen, die Digitalisierung ihres Geschäfts weiter voranzutreiben und zugleich in klimaschonende Technologien zu investieren. Das alles wird ohne gut aufgestellte Banken und ohne stabile Kunde-Bank-Beziehung kaum möglich sein.    

Trotz wachsender geopolitischer Spannungen und der berechtigten Forderung nach einem De-Risking ist ein allgemeiner Rückzug aus dem globalen Geschäft gerade für die deutsche Wirtschaft keine Alternative – die hiesigen Unternehmen werden weiter darauf setzen, auf ausländischen Märkten präsent zu sein und weiter zu expandieren. Und dabei brauchen sie die Unterstützung und die Hilfe ihrer Hausbank. 

Die privaten Banken dominieren das Auslandsgeschäft und verfügen über großes Knowhow: Sie unterstützen ihre Firmenkunden darin, Informationen über Auslandsmärkte einzuholen, Risiken bei internationalen Geschäften zu beurteilen, Exportgeschäfte abzusichern und zu finanzieren. Wenn es nun in den nächsten Jahren für viele Unternehmen verstärkt darum gehen wird, Absatzmärkte zu diversifizieren und Lieferketten neu zu knüpfen, werden sie weiter auf die enge Zusammenarbeit mit ihrer Hausbank setzen.

Und dann gibt es noch die große Herausforderung, den Klimaschutz und damit die grüne Transformation der Wirtschaft zu finanzieren. Diese Jahrhundertaufgabe werden die Banken natürlich nicht alleine bewältigen können. Es bedarf eines Finanzierungsmixes, an dem die Kraft des Kapitalmarktes ebenso beteiligt sein muss wie die Anschubfinanzierung durch öffentliche Fördergelder. Doch wenn man weiß, dass der Bankkredit nach wie vor die wichtigste externe Finanzierungsquelle für die mittelständischen Unternehmen in Deutschland darstellt und dass die Fördermittel über die Hausbank abgerufen werden müssen, dann wird deutlich, wie sehr die Kreditinstitute hier im Fokus und in der Verantwortung stehen.

ESG und Nachhaltigkeit

Nicht zuletzt brauchen die Unternehmen ihre Hausbanken, um gemeinsam durch die neue Welt von ESG und Nachhaltigkeit zu manövrieren. Bei vielen Unternehmen herrscht derzeit große Unsicherheit darüber, was die Nachhaltigkeitsdebatte ganz konkret für sie bedeutet. Nicht wenige stellen sich die Frage, ob sie überhaupt noch einen Kredit erhalten und wenn ja, zu welchen Konditionen, sollten sie die Taxonomiekriterien nicht erfüllen oder die notwendigen Daten nicht zur Verfügung stellen können. 

Diese Unsicherheit kann den Firmenkunden häufig genommen werden, doch klar ist auch: Unternehmen müssen sich mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandersetzen – auch weil ESG-Faktoren integraler Bestandteil des Kreditgeschäfts werden. Dies ist unvermeidlich, denn viele, gerade größere Banken haben sich verpflichtet, ihre Portfolien an den Pariser Klimazielen auszurichten. Die Ziele sind mittlerweile mit Zwischenzielen und teils auch konkreten CO2-Abbaupfaden unterlegt. Diese strategische Positionierung wird sich künftig noch viel stärker in der Kreditvergabe widerspiegeln. Doch nicht nur das: Auch die Bankenregulierung läuft inzwischen darauf hinaus, Kapital in Richtung Nachhaltigkeit zu lenken und ESG im Risikomanagement zu verankern. 

Gerade für letzteres haben die deutsche und europäische Bankenaufsicht sowie die europäische Bankenaufsichtsbehörde EBA dezidierte Anforderungen aufgestellt, wie Banken ESG-Risiken, vor allem aber Klimarisiken, in ihr Risikomanagement integrieren sollen. Die Erwartung ist, dass das ESG-Profil eines Kunden in der Kreditentscheidung, bei der Bewertung der Sicherheiten und letztlich auch bei den Konditionen berücksichtigt wird. Perspektivisch soll ESG in die Bonitätseinschätzung eines Kunden integriert werden.

Daten sind wichtig

Was bedeutet das für die heutige Praxis? Über die etablierten Finanzkennzahlen hinaus benötigen die Banken Nachhaltigkeitsdaten von ihren Unternehmenskunden. Diese erheben sie auf unterschiedlichen Wegen: über öffentliche Quellen, über Nachhaltigkeitsberichte, über externe Datenanbieter und auch über Kreditfragebögen. Dabei werden nicht von jedem Kunden Einzeldaten abgefragt; aufsichtsrechtlich ist es möglich, für Klein- und Kleinstunternehmen auf Branchenwerte abzustellen. Von diesen Erleichterungen machen viele Banken auch Gebrauch. Generell aber gilt: Viele Unternehmenskunden dürften von ihren Instituten bereits aufgefordert worden sein, Daten zu ESG zu liefern. Auch sind viele Unternehmen selbst berichtspflichtig, werden es zukünftig sein oder sind als Teil einer Lieferkette mit Datenanfragen konfrontiert. Deshalb ist es aus Unternehmenssicht empfehlenswert, sich frühzeitig mit den Datenanforderungen auseinanderzusetzen.

Was die Kreditvergabe anbelangt, so operieren die Banken zwar mit ESG-Scorings, die sie entwickelt haben, um das ESG-Profil eines Unternehmens einstufen zu können. Doch diese stellen im Moment lediglich eine zusätzliche Informationsquelle für die Kreditbeurteilung dar, ein direkter Rückschluss vom ESG-Scoring eines Kunden zur Ausfallwahrscheinlichkeit des Kredites ist derzeit – angesichts nur kurzer Zeitreihen – noch nicht gegeben. Wie Banken mit auffälligen ESG-Scores umgehen, ist unterschiedlich, für diese Fälle gibt es keinen Automatismus. In der Regel wird sich die Bank dann noch intensiver mit dem Kredit befassen. Der ESG-Score ist häufig der Einstieg in einen vertieften Dialog mit dem Unternehmenskunden, in dem beide Seiten über Herausforderungen und Lösungsansätze im Kontext der Nachhaltigkeit sprechen. 

Gemeinsam in die Transformation

Anders sieht es mit der Taxonomie aus. Mit der entsprechenden EU-Verordnung ergeben sich zwar neue Verpflichtungen für Unternehmen: Berichtspflichtige Unternehmen müssen qualitative Angaben darüber machen, in welchem Umfang ihre Wirtschaftsaktivitäten nachhaltig im Sinne der Taxonomie-Ziele sind. Als Steuerungsgröße für Banken eignet sich die Taxonomie, so wie sie gegenwärtig konzipiert ist, allerdings nicht. Denn nur ein kleinerer Teil der Wirtschaftsaktivitäten wird gegenwärtig überhaupt von ihr erfasst und ein noch sehr viel kleinerer Teil erfüllt die entsprechenden Kriterien.

Banken finanzieren aber nicht nur diesen „dunkelgrünen“ Bereich der Taxonomie, sondern die gesamte Breite der Wirtschaft. Die Transformation ist schließlich ein langer Prozess, und die Banken wollen ihre Kunden auf diesem Weg begleiten – gerade, wenn diese in den Startblöcken stehen, aber noch nicht taxonomiekonform produzieren. Vor der Taxonomie muss also kein Unternehmenskunde Angst haben: Als Steuerungsgröße wird sie von den Banken nicht genutzt. 

Klar ist: Die Banken wollen und müssen verstehen, wie Unternehmen sich auf ein geändertes Umfeld einstellen und welche Maßnahmen sie in Richtung Klimatransformation planen. Natürlich wissen sie nicht besser als ihre Kunden, welcher Weg nun konkret einzuschlagen ist, wollen aber ein Bewusstsein für dieses Thema schaffen, sofern dieses nicht ohnehin schon längst vorhanden ist. Vor allem aber: Banken wollen ihre Kunden bei der Transformation begleiten – als Kreditgeber, Berater, Sparringspartner. Oder anders gesagt: als Hausbank, die für die Herausforderungen von morgen gebraucht wird.

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Ansprechpartnerin

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Dr. Kerstin AltendorfPressesprecherin für Nachhaltigkeit im Finanzsystem, Volkswirtschaft und Kapitalmärkte