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Außenhandelsfinanzierung: Strategische Ausrichtung nach Corona

26.11.2020Artikel
Dr. Hendrik Hartenstein
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Was wäre die deutsche Volkswirtschaft ohne ihre vielen großen und kleinen Exportchampions, die seit Jahrzehnten Erfolge auf dem Weltmarkt feiern? Was ohne ihre wettbewerbs­fähige Industrie, die sich zuverlässig gegen die internationale Konkurrenz behaupten und ihre Produkte weltweit verkaufen kann? Der Außenhandel, so viel steht fest, ist von wesentlicher Bedeutung für Wachstum und Wohl­stand Deutschlands; seine Erfolgsgeschichte hat uns zu einer der führenden Exportnationen weltweit gemacht. Rund ein Viertel der Arbeitsplätze und in der Industrie sogar fast jedes zweite Beschäftigungsverhältnis hängen vom Exportgeschäft ab.

Chance und Risiko zugleich

Allerdings kann die Exportstärke zugleich auch eine Achillesferse der deutschen Volkswirtschaft sein, macht sich diese doch in Teilen abhängig von globalen Entwicklungen und Nachfrage­schwankungen, die sie kaum beeinflussen kann. Bereits in den letzten Jahren, aber insbeson­dere in diesem Jahr ist deutlich geworden, wie anfällig das deutsche Wirtschaftsmodell gegen­über Krisen und Strukturbrüchen der Weltwirtschaft sein kann. So trägt der coronabedingte Ausfall des Auslandsgeschäfts wesentlich zum Einbruch des Wirtschaftswachstums Deutsch­lands in diesem Jahr bei.

Gleichwohl oder gerade deshalb schätzen die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute, dass der Export im kommen­den Jahr den größten Beitrag zum BIP-Wachstum leisten wird. Er wird der Motor sein, der unserer Wirtschaft Schwung verleiht und sie wieder auf einen Wachstums­pfad zurückführt. Damit kommen auch der Außenhandelsfinanzierung und den privaten Banken eine hohe Bedeutung zu. Denn rund 90 Prozent der deutschen Exporte werden von den Privat­banken finanziert. Die Institute stehen an der Seite der Exportunternehmen und begleiten sie über viele Jahre.

Wenn die Exportorientierung Deutschlands Risiko und Chance zugleich ist, dann bedarf es jetzt aller Anstrengungen, um die Außenwirtschaft und die Außenhandelsfinanzierung wettbewerbs­fähig und leistungsfähig weiterzuentwickeln. Der Bankenverband hat in einem aktuellen Positionspapier herausgearbeitet, vor welchen mannigfachen Herausforderungen die Außenhandels­finanzierung steht, die allesamt von der Corona-Pandemie noch einmal verschärft wurden. Bereits vor der Corona-Krise zählten Protektionismus, Handelsbeschränkungen und geopoli­tische Unsicherheiten zu den gravierendsten Risikofaktoren für die Außenhandelsfinanzierung. Infolge der Pandemie kommt jetzt noch die Ungewissheit über die ökonomische Erholung der Exportmärkte als kalkulatorisches Risiko hinzu. 

Wettbewerb wird schärfer und unfairer

Gleichzeitig sieht sich Deutschlands Exportwirtschaft damit konfrontiert, dass der globale Wett­bewerb nicht nur an Intensität zunimmt, sondern auch zunehmend mit unfairen Wettbewerbs­praktiken einhergeht. Um wieder aus der Rezession heraus zu kommen oder zurückgewonne­nes Wachstum zu stabilisieren, setzen andere Wirtschaftssysteme stärker auf Marktabschot­tung, staatliche Interventionen oder subventionierte Finanzierungen. Parallel dazu steigt der Wettbewerbsdruck aus Ost- und Südostasien. Mit dem jüngst vereinbarten Handelsabkommen RCEP (Regional Comprehensive Economic Partnership) baut insbesondere China seinen ökono­mischen Einfluss in diesem Wirtschaftsraum weiter aus. Das Abkommen umfasst 15 Staaten, über zwei Milliarden Konsumenten und 30 Prozent der Weltwirtschaftsleistung. Es hat das Potenzial, den Schwerpunkt von Wirtschafts- und Handelsaktivitäten auf den ostasiatischen Wirtschaftsraum zu verlagern und diesen ein Stück weit von den Wirtschaftsräumen Europas und Nordamerikas zu entkoppeln. 

Angesichts dieser Entwicklungen und Tendenzen ist eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Außenwirtschaft und der Außenhandelsfinanzierung drängender denn je. Deutschland muss den neuen Herausforderungen eine strategische Antwort über die Außenwirtschaftsförde­rung entgegensetzen. Die Exportfinanzierung muss in die Lage versetzt werden, Projekte im Interesse Deutschlands gesichert zu finanzieren. Ein wichtiger Schritt wäre, die Deckungsinstrumente für die Exportfinanzierung flexibler nutzbar zu machen. Vorschläge hier­zu, die insbesondere den Ungebundenen Finanzkredit (UFK) betreffen, werden im Positionspa­pier des Bankenverbandes vom 29. Juni 2020 zu „Maßnahmen in der Außenhandelsfinanzie­rung zur Eindämmung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie“ näher beschrieben.

Diese Maßnahme ist gerade auch mit Blick auf den scharfen Wettbewerb in Afrika notwendig. Unser Nachbarkontinent bietet große Absatzpotentiale, hier werden wettbewerbsrelevante Entscheidungen für die nächsten Jahre getroffen. Allerdings operieren in Afrika seit Längerem schon außereuropäische Marktmitbewerber, die versuchen, ihre Marktposition auszubauen. Dazu zählen supranationale Institutionen vor allem aus Asien, die sich in großen privatwirt­schaftlichen Projekten engagieren. Die deutsche Außenwirtschaftsförderung muss daher ver­besserte Voraussetzungen schaffen, damit Unternehmen den Exportmarkt Afrika erschließen können. Die Banken sind gewillt, die Unternehmen auf dem afrikanischen Markt zu begleiten. Dazu ist nicht nur die flexiblere Anwendung des Deckungs­instruments notwendig. Es wird darüber hinaus auch wichtig sein, die Instrumente der Entwicklungszu­sammenarbeit besser auf die der Außenhandelsfinanzierung abzustimmen.

Zukunftsfelder der Außenhandelsfinanzierung 

Von richtig gesetzten Rahmenbedingungen kann die deutsche Außenwirtschaft in vielerlei Hinsicht profitieren, nicht zuletzt wenn es darum geht, Wettbewerbsvorteile bei der Transfor­mation der Wirtschaft in Richtung Nachhaltigkeit und Klimaneutralität auszuspielen. Aus Sicht der Außenhandelsfinanzierung ergeben sich hieraus zwar einerseits neue kalkulato­rische Risiken. Andererseits aber bieten sich auch Chancen, nachhaltige Finanzierungsformen und neue Technologien voranzutreiben, mit deren Hilfe die Nachhaltigkeitsziele umgesetzt werden können. Voraussetzung sind verlässliche, konsistente Bedingungen für Förderpro­gramme und Deckungsinstrumente, die positive Anreize liefern und einseitige Belastungen vermeiden.

Ein für die Exportwirtschaft und ihre Finanzierung disruptiver Treiber werden digitale Techno­logien sein, die die Güterherstellung sowie Handelsprozesse grundlegend verändern. So rücken produktbegleitende digitale Dienstleistungen oder servicebasierte Geschäftsmodelle bei Produktherstellern zunehmend in den Vordergrund. An die Stelle von physischen Produkten treten immer häufiger auch rein digitale Lösungen, bei denen ganze Datensätze ins Ausland transferiert oder in einer Cloud zum weltweiten Download bereitgestellt werden. Diese digitale Transformation erfordert weiterentwickelte Instrumente der Exportfinanzierung, die mit den technologischen Entwicklungen Schritt halten. 

An der Zielsetzung, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Außenhandelsfinanzierung – in einem schwierigen und sich verändernden Umfeld – zu gewährleisten, muss auch die Ban­ken- und Finanzmarktregulierung gemessen werden. Eine umfassende und kluge Anpassung des europäischen Regulierungswerks ist angezeigt. Andernfalls belasten insbesondere steigen­de Kapitalanforderungen die Finanzierungskapazitäten für die deutsche Exportwirtschaft; ins­gesamt treiben zunehmende regulatorische Anforderungen die Kosten der Exportfinanzierung signifikant in die Höhe. Deshalb muss die Finanzmarktregulierung neben der Stabilität stets auch die Leistungs- und Handlungsfähigkeit der Banken im Blick behalten.

Mehr denn je stehen die Wettbewerbsfähigkeit der Exportwirtschaft und die Leistungsfähigkeit der Exportfinanzierung im Fokus. Die Perspektiven aller Beteiligten sind gefordert, um die rich­tigen Entscheidungen zu treffen, Entscheidungen, mit deren Hilfe die deutsche Außenwirtschaft die Herausforderungen der Zukunft meistern kann. Der Bankenverband möchte mit seinem Positionspapier einen Beitrag aus Sicht der Außenhandelsfinanzierung leisten, um gemeinsam mit Politik und kreditnehmender Wirtschaft Lösungen zu entwickeln.