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Energiepartnerschaft mit Norwegen

28.02.2023Artikel
Dr. Henrik Meyer
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Anfang des Jahres haben Deutschland und Norwegen in Oslo eine strategische Energiepartnerschaft vereinbart. Ein zentrales Projekt dieser Partnerschaft soll der Bau einer Wasserstoffpipeline sein, über die das norwegische Energieunternehmen Equinor sauberen Wasserstoff nach Deutschland liefern will, das dann von RWE abgenommen wird – bis 2030 soll die Pipeline fertiggestellt sein. Zunächst solle sogenannter blauer Wasserstoff in großen Mengen importiert werden, bei dessen Gewinnung Erdgas zum Einsatz kommt; das dabei anfallende Kohlendioxid wird im CCS-Verfahren (CCS steht für „Carbon Capture and Storage“) unterirdisch gespeichert. Später soll der blaue durch „grünen Wasserstoff“ ersetzt werden, der mit Hilfe erneuerbarer Energien gewonnen wird.

Wasserstoff spielt eine zentrale Rolle beim Umbau der Wirtschaft in Richtung Klimaneutralität. Er lässt sich als Energieträger speichern, transportieren und zur Energieumwandlung nutzen. Besonders in der Industrie, etwa in der Stahlindustrie, ist er ein wichtiges Produkt. Die Partnerschaft zwischen Deutschland und Norwegen sieht auch das Investment in wasserstofftaugliche Gaskraftwerke vor. Die Anlagen mit einer Kapazität von rund drei Gigawatt sollen bis 2030 errichtet und bis Mitte der 2030er-Jahre komplett mit Wasserstoff betrieben werden.

CCS bald auch in Deutschland?

Konkret zusammenarbeiten wollen Deutschland und Norwegen auch bei der CCS-Technologie, also der Abscheidung und unterirdischen Speicherung des Klimagases CO2 – Norwegen gilt hier als ein Vorreiter. Während seines Besuchs in Norwegen besichtigte Bundeswirtschaftsminister Habeck das Norcem-Zementwerk in Brevik, das zum sogenannten „Longship“-Projekt gehört und von der norwegischen Regierung gefördert wird. Ziel ist es, bis 2024 eine ganze CCS-Kette zu schaffen und marktreif zu machen: Abscheidung von CO2, Transport des verflüssigten Kohlendioxids und Abspeicherung im Meeresboden vor der Küste Norwegens. 

In Deutschland ist die CCS-Technologie bisher nicht erlaubt, doch die Offenheit gegenüber diesem Verfahren nimmt zu. Kurz vor der Norwegen-Reise wurde unter Federführung des Bundeswirtschaftsministeriums ein Evaluierungsbericht zum deutschen Kohlendioxid-Speicherungsgesetz vorgelegt, in dem die CCS-Technologie durch Experten positiv bewertet wird. Die Bundesregierung will in diesem Jahr mit Blick auf Umsetzungsmöglichkeiten in Deutschland und Europa eine sogenannte „Carbon Management Strategie“ erarbeiten. Man habe mit Blick auf die Klimaziele keine Zeit mehr für die Suche nach anderen Alternativen, so Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, der mit den Worten zitiert wird: „Lieber das CO2 in die Erde als in die Atmosphäre“. Umweltschützer sehen dies zum Teil anders. Greenpeace etwa nennt CCS einen Irrweg, da es teuer, riskant und wenig effizient sei. So sei die langfristige Sicherheit potenzieller CO2-Endlager nicht erwiesen, und es bestehe die Gefahr von verheerenden Leckagen. 

Tatsächlich steckt die Technologie noch in ihren Anfängen, auch sind die Kosten sehr hoch. Befürworter von CCS setzen zum einen auf den industriellen Hochlauf und zum anderen auf den europäischen Emissionshandel: Wenn die vorgeschriebenen Zertifikate für den CO2-Ausstoß in der Industrie schrittweise immer teurer werden, wie es vorgesehen ist, würde sich die CO2-Verpressung ab einem bestimmten Zertifikatepreis rechnen, so die Erwartung. 

Energieland Norwegen

Für Norwegen könnte hier ein neues Geschäftsmodell entstehen. Bislang basiert der Reichtum des Landes vor allem auf der Förderung von Erdöl und Erdgas vor der eigenen Küste. Nach dem praktisch völligen Stopp russischer Erdgas-Lieferungen ist Norwegen zum wichtigsten Versorger Deutschlands aufgestiegen – mehr als ein Drittel des deutschen Bedarfs kommen aus dem skandinavischen Land. Nun bietet sich die Gelegenheit, eine grüne Wasserstoffindustrie aufzubauen. Schon jetzt bezieht Norwegen fast all seinen Strom aus Wasserkraft, und entlang der Küsten gäbe es einige Potenziale für Windenergie – für Ökostrom also, aus dem sich zukünftig auch grüner Wasserstoff gewinnen ließe.