Die Europäische Kommission hat ihre China-Strategie weiter vorangetrieben und dabei kritische Technologien ins Visier genommen, die sie strategischen Rivalen wie China möglichst vorenthalten möchte. Dieser Schritt zielt darauf ab, die wirtschaftliche Sicherheit der EU zu schützen sowie ihre Abhängigkeit von China zu verringern. Dabei wurden zehn Technologien als sensibel identifiziert; in vier von ihnen – moderne Halbleitertechnik, Künstliche Intelligenz, Quantentechnologie und Biotechnologie – soll bis Ende des Jahres eine Risikobewertung vorgenommen werden.
Drei Kriterien
Die Auswahl dieser kritischen Technologien erfolgte anhand von drei Kriterien: der Möglichkeit des militärischen Missbrauchs, der Verletzung von Menschenrechten und ihrer potenziell disruptiven Wirkung auf einzelne Sektoren oder die gesamte europäische Wirtschaft. Die Europäische Kommission betont zwar, dass die Liste der kritischen Technologien ohne spezielle Zielrichtung gegenüber China erstellt wurde. Geopolitische Überlegungen würden allerdings eine Rolle spielen, hieß es, und insgesamt lässt sich dieser Schritt ohne weiteres als Teil der sogenannten De-Risking-Strategie der EU betrachten, die darauf abzielt, die Abhängigkeit von China zu verringern.
Welche Schritte die EU ergreift, wenn sie nach der Risikoanalyse zum Schluss kommt, dass Handlungsbedarf besteht, soll im Frühjahr entschieden werden; allerdings dürfte es nicht leicht sein, dabei Einigkeit unter den Mitgliedstaaten herzustellen, die ökonomisch unterschiedlich stark mit China verflochten sind. Die im Juni dieses Jahres vorgestellte Sicherheitsstrategie der EU sieht neben Subventionen und der Zusammenarbeit mit Drittstaaten auch „Schutzmaßnahmen“ vor. Hier kämen Ausfuhrkontrollen infrage, aber auch die von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vorgeschlagenen neuen Kontrollen für Investitionen von Unternehmen in Drittstaaten.
EU-Handelskommissar in China
Die Beziehungen zwischen der EU und China sind komplex, wie auch die Reise von EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis nach China zeigte, der Ende September die Volksrepublik besuchte. Zwar verlief der Besuch weniger konfrontativ als die Reise der US-Handelsministerin Gina Raimondo einen Monat zuvor. Dombrovskis stellte aber klar, dass die EU bereit sei, härter gegenüber China aufzutreten, „wenn unsere Offenheit missbraucht wird oder wenn unsere nationale Sicherheit auf dem Spiel steht“. Es gebe einige Fälle, in denen das Land Handel und Investitionen als „Waffe“ eingesetzt habe. Zugleich warnte Dombrovskis die Volksrepublik, dass ihre Haltung im Ukrainekrieg Folgen für ihr Ansehen bei Unternehmen habe.
Großes Handelsvolumen
Dombrovskis sagte, China habe ein stärker politisch aufgeladenes Geschäftsumfeld geschaffen, indem es neue Regeln zum Schutz der nationalen Sicherheit erlassen habe. Das habe zu weniger Transparenz, ungleichem Zugang zu öffentlichen Ausschreibungen und Diskriminierung geführt. Auch beklagte er, dass der chinesische Markt angesichts eines Handelsdefizits der EU von 396 Milliarden Euro nicht genauso offen für die Europäer sei wie umgekehrt. Die EU begrüße den Wettbewerb, dieser müsse aber fair sein. Zwischen der EU und China werden jährlich Güter im Wert von über 800 Milliarden Euro gehandelt. Die Volksrepublik ist für die Europäische Union drittgrößter Partner beim Warenexport und größter Partner beim Warenimport.
De-Risking von beiden Seiten
Gleichzeitig bemühte sich der EU-Kommissar, Peking in Bezug auf das De-Risking zu beschwichtigen. Die Risikoreduktion gilt in Europa als Lehre aus der Energie-Abhängigkeit von Russland, wird in Peking aber als Anti-China-Strategie wahrgenommen. Es gehe nicht darum, sich von China abzuwenden, sagte Dombrovskis. De-Risking sei kein anderes Wort für Entkoppelung.
In vielen Punkten machen sich China und Europa die gleichen Vorwürfe. In Brüssel heißt es etwa, China beschreite den Weg des De-Riskings selbst schon seit Jahren. Der „Made-in-China-2025“-Plan, der auf stärkere Selbstversorgung mit wichtigen Materialien setzt, sowie die Strategie der zwei Kreisläufe zielten darauf ab, die Bedeutung des internationalen Handels für Chinas Wirtschaft zu reduzieren und den inneren Kreislauf, also die heimische Wirtschaft, zu stärken.