Viele Jahre lang hatten Start-ups in aller Regel kein Problem, Geld von Investoren einzusammeln. Doch seit das allgemeine Zinsniveau deutlich angestiegen ist, hat sich die Lage verändert – das Kapital ist knapp geworden. Besonders hart trifft dies Start-ups mit rein weiblichen Führungsteams: Sie erhalten in Europa gerade einmal 2 Prozent des von Investoren bereitgestellten Geldes.
Diese Zahl geht aus einer neuen Studie zur Gleichstellung der Geschlechter bei Gründung und Finanzierung von Start-ups hervor. Die Beratungsfirma BCG hat dazu mit der französischen Gleichstellungsinitiative Sista schon zum vierten Mal tausende Start-ups in Frankreich, Großbritannien, Deutschland, Spanien und Schweden untersucht. Ein weiteres Ergebnis der Studie: In den fünf Ländern wurden nur 10 Prozent der 2021 gegründeten Start-ups ausschließlich von Frauen gegründet und lediglich 12 Prozent durch geschlechtergemischte Teams. Im Durchschnitt der fünf europäischen Länder ist in weniger als jedem vierten neugegründeten Start-up eine Frau als Gründerin beteiligt.
Zahl der Gründerinnen in Deutschland stark rückläufig
Allerdings gibt es zum Teil erhebliche Unterschiede zwischen den Ländern: So ist Schweden klar Spitzenreiter, wenn es um die Anzahl der Gründerinnen geht. Mit 30 Prozent weiblicher Beteiligung liegt das Land weit über dem Durchschnitt, während Spanien mit 18 Prozent auf dem letzten Platz rangiert – gezählt werden hier Teams mit mindestens einer weiblichen Gründerin. Deutschland kommt auf durchschnittliche 21 Prozent und schneidet auch bei rein weiblichen Gründungsteams besser ab als Spanien und Frankreich. Besonders alarmierend allerdings: 2022 ist der Anteil weiblicher Gründerinnen hierzulande gegenüber dem Vorjahr um acht Prozentpunkte zurückgegangen. Und das liegt vor allem am deutlichen Rückgang rein weiblicher Gründungsteams: 2022 waren es in Deutschland nur 10 Prozent, im Vorjahr noch 17 Prozent. 11 Prozent waren gemischte Teams.
Bei den eingesammelten Geldern ist der Unterschied noch größer, nur 2 Prozent, siehe oben, landet in den untersuchten Ländern bei Start-ups, die ausschließlich von Frauen gegründet wurden, und weniger als ein Fünftel bei gemischten Teams. Dass das nicht nur an einem grundsätzlichen Mangel von Gründerinnen liegt, zeigt das Beispiel Schweden ganz besonders deutlich: Die Frauen-Start-ups, die hier insgesamt 30 Prozent ausmachen, bekamen insgesamt nur 12 Prozent der Investorengelder. Im Zeitverlauf vergrößert sich dieser Unterschied laut der Untersuchung sogar weiter. In geschlechtergemischten Gründungsteams liegen die Erfolgschancen für Frauen dabei deutlich höher als in reinen Frauen-Teams: Die Gründungsteams, die sowohl aus Männern als auch Frauen bestehen, sammelten 2022 dreimal mehr Geld ein als reine Frauenteams, obwohl es nur unwesentlich mehr gemischte Teams gab.
Reine Männerteams deutlich besser kapitalisiert
Am meisten Geld aber akquirieren die reinen Männerteams, erst recht über einen längeren Zeitraum betrachtet: So verfügen Start-ups von Männern nach mehr als neun Jahren im Schnitt über drei Mal so viele finanzielle Mittel wie die von gemischten Gründungsteams und sogar über 13mal so viele wie die von Frauen. Das gilt selbst in Branchen, in denen vorrangig Frauen gründen, zum Beispiel im Lifestylebereich oder im Gesundheitswesen.
Was könnten die Gründe hierfür sein? Expertinnen weisen darauf hin, dass in den verantwortlichen Positionen der großen Wagniskapitalgeber vor allem Männer arbeiten und der Mensch nun einmal dazu neige, Menschen zu vertrauen, die ihm ähneln. Zudem habe eine schwedische Studie gezeigt, dass Gründer beim Pitch vor potenziellen Geldgebern als mutig und risikofreudig wahrgenommen werden, wenn sie ihre Idee selbstbewusst bis überheblich als „Revolution“ oder „Disruption“ anpreisen. Machen Gründerinnen ähnliche Versprechungen, gelten sie demnach schnell als naiv. Viele Investoren fokussierten sich obendrein auf technische Neuerungen und verlören dabei den gesellschaftlichen Wandel aus dem Blick – zum Nachteil vieler Frauen, die genau in diesem Bereich an Lösungen arbeiten.
Stellt sich die Frage, wie man die Situation ändern könnte. Die Autoren der Studie empfehlen einen Blick über den Ärmelkanal. In Großbritannien gründen mehr Frauen als hierzulande und sammeln auch mehr Geld in Finanzierungsrunden ein. Dies hat auch mit speziellen Wagniskapitalfonds nur für Frauen zu tun, die es im Vereinigten Königreich schon länger gibt. Immerhin: Derartige Fonds stehen Gründerinnen mittlerweile auch hierzulande offen. So richtet sich der Auxxo Female Catalyst Fund ausschließlich an weiblich besetzte Start-ups.