1. Politiker und Aufseher sprechen oft von komplexer Regulierung. Was genau ist damit gemeint?
Nach der Finanzkrise 2008 war es notwendig, die aufsichtsrechtliche Regulierung der Banken zu verändern. Damit sollte die Finanzstabilität gesichert werden. Seitdem hat sich das europäische Bankensystem als stabil und das Regulierungssystem als wirksam erwiesen, beispielsweise während der Turbulenzen rund um das US-amerikanische Bankensystem im Frühjahr 2023.
Das klingt erstmal gut. Aber: Gleichzeitig ist das Regelwerk im Laufe der Jahre extrem komplex geworden. Wie genau?
- Zu viele nationale und europäische Institutionen befassen sich mit der Regulierung und Beaufsichtigung von Banken. Das führt zu Widersprüchen und immer mehr Inkonsistenzen
- Gesetze, Verordnungen und technische Standards werden stetig erweitert. Das Regelwerk ist inzwischen unüberschaubar.
- Die Vorgaben sind übertrieben detailliert.
2. Was ist das Problem an komplexer Regulierung?
„Wenn aber der Schilderwald im Straßenverkehr immer dichter und unübersichtlicher wird, geht die Orientierung verloren“: So hat Mark Branson, der Chef der deutschen Bankenaufsicht BaFin, kürzlich den Zustand der aktuellen Regulierung beschrieben.
Bei der praktischen Umsetzung der zahlreichen Detailregeln stoßen alle Beteiligten an ihre Grenzen. Das ist für Banken, Aufseher – aber auch für Investoren – ein Problem. Denn die Regeln greifen nicht wie in einem Uhrwerk reibungslos ineinander. Es schleift, es hakt und setzt zum Teil sogar aus.
Die Mängel der aktuellen Regulierung tragen zur niedrigen Bewertung von europäischen Banken bei – damit ist die Regulierung ein kritischer Wettbewerbsfaktor. Europäische Banken können nur dann ein zuverlässiger Partner für die globale Wirtschaft sein, wenn sie sich im internationalen Wettbewerb behaupten können. Wettbewerbsfähigkeit ist kein Selbstzweck. Sie ist für die Wirtschaft wichtig, um langfristig Stabilität und Wachstum zu sichern.
3. Wie kann die Regulierung weniger komplex werden?
Europas Banken brauchen ein konsistentes, effizientes und wettbewerbsfähiges Regulierungsrahmenwerk. Dafür müssen Doppelerhebungen, Widersprüchlichkeiten, Redundanzen gestrichen werden. Das Ziel muss es sein, dass Regulierung nicht bis ins allerkleinste Detail geregelt wird.
Eine smartere Regulierung würde
- die Finanzstabilität sichern,
- Investitionen insbesondere für die grüne und digitale Transformation ankurbeln und
- die Wirtschaft stärken.
Übrigens: Die Europäische Kommission muss im Rahmen ihres Arbeitsprogramms ab 2024 die Regeln für das Finanzsystem überprüfen. Diese Chance sollte genutzt werden.