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Gastbeitrag

Forderungsverzicht gegen Besserungsschein

28.03.2024Artikel
Dr. Matthias Kampshoff
Dr. Benedikt Schulz
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Multiple Krisen und deren Folgeerscheinungen, wie Inflation, Zinsanstieg, Lieferengpässe und Kaufzurückhaltung, stellen die deutsche Wirtschaft vor immer größere Herausforderungen. Mit der Eintrübung der gesamtwirtschaftlichen Situation steigt auch die Zahl der insolvenzgefährdeten Unternehmen. Nicht ohne Grund nennt die BaFin die „Risiken aus dem Ausfall von Krediten an deutsche Unternehmen“ als eines der sieben Risiken im Fokus 2024. Um die Gesamtsumme der Ausfälle gering zu halten, werden auch die Banken als Großgläubiger der deutschen Unternehmen Sanierungsbeiträge leisten müssen. 

Je nach konkreter Ausgestaltung der Sanierungsbeiträge lässt sich so der Eintritt eines Insolvenzgrunds wieder beseitigen oder bestenfalls im Vorfeld vermeiden. Dabei steht aus Bankensicht der möglichst weitgehende Erhalt der Forderungen unter Beibehaltung der Sicherheiten im Vordergrund, so dass der Abschluss von Stundungen sowie Zins- und Tilgungsaussetzungen am häufigsten anzutreffende Sanierungsbeiträge der Banken sind. Dies ist aber nicht immer ausreichend, um die Sanierung des Unternehmens zu ermöglichen, insbesondere wenn neben der Liquidität auch Eigenkapital fehlt und eine Refinanzierbarkeit der fortgeführten Darlehen zum Ende der (ggf. verlängerten) Laufzeit nicht darstellbar ist. Als aus Unternehmenssicht sicherlich nachhaltiges Sanierungsinstrument kommt in solchen Fällen unter Umständen ein Teilverzicht von Seiten der Banken in Betracht (Haircut). Aus Bankensicht hat ein isolierter Verzicht auf einen Teil der Forderungen jedoch einen wesentlichen Nachteil. Gelingt die Sanierung wie geplant, partizipiert die Bank, indem sie lediglich Zins- und Tilgungszahlungen auf den nicht erlassenen Forderungsteil erhält, nur eingeschränkt an der wirtschaftlichen Gesundung des Unternehmens. Dieses Ungleichgewicht von Sanierungsbeitrag und Teilhabe am (potentiellen) Sanierungserfolg lässt sich durch das Sanierungsinstrument des (Teil-)Forderungsverzichts gegen Besserungsschein adressieren.

1. Charakteristika des (Teil-)Forderungsverzichts gegen Besserungsschein

Beim (Teil-)Forderungsverzicht gegen Besserungsschein handelt es sich rechtlich um einen Erlassvertrag zwischen der Bank bzw. dem Bankenkonsortium und dem Unternehmen, der einen Schuldenerlass im Sinne der Steuerfreistellung von Sanierungserträgen darstellt. Die wirtschaftliche Gesundung des Unternehmens wird als auflösende Bedingung des Forderungsverzichts, bei deren Eintritt die erlassene Forderung wiederauflebt, in den Vertrag aufgenommen (sog. „Besserungsabrede“). Ein besonderes Augenmerk liegt dabei in der Formulierung der Bedingung. Bezugnahmen auf Größen des Jahresabschlusses, gängige Finanzkennzahlen wie EBITDA oder die künftige Liquiditätslage als Kriterium für die wirtschaftliche Gesundung oder eine Beteiligung an einem künftigen Exit-Erlös sind übliche Gestaltungsvarianten. Ein (Teil-)Forderungsverzicht gegen Besserungsschein lässt sich dabei grundsätzlich sowohl in der außergerichtlichen Sanierung als auch im Restrukturierungs- bzw. Insolvenzplanverfahren umsetzen.

2. Kein drohender Nachrang bei richtiger vertraglicher Ausgestaltung

Bei der vertraglichen Ausgestaltung einer solchen Maßnahme ist es für die Bank wichtig, etwaige daraus resultierende Folgerisiken zu vermeiden. In der Praxis stellt sich bei der Vereinbarung eines Besserungsscheins die Frage, ob dieser in der Insolvenz gegebenenfalls zu einem gesetzlichen Nachrang der Bank im Vergleich zu den übrigen Gläubigern des Kreditnehmers führen kann. Hintergrund dieser Überlegung ist der gesetzliche Nachrang von Gesellschafterdarlehensgebern gemäß der Insolvenzordnung. Die Frage ist, ob die Partizipation der Bank am künftigen geschäftlichen Erfolg des Kreditnehmers die Bank in eine derart mit einem Gesellschafter vergleichbare Position rückt, dass ein Nachrang der Bank sachgerecht erscheint.

Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass das Nachrang-Risiko der Bank bei richtiger Ausgestaltung der vertraglichen Grundlagen im Zusammenhang mit dem (fortgesetzten) Kreditengagement und insbesondere dem Besserungsschein vermieden werden kann. Tatsächlich dürfte sich das Risiko nur stellen, wenn die vertraglichen Rechte der Bank in Bezug auf die Einflussnahme auf den Kreditnehmer und seine Organe derart extensiv ausgestaltet sind, dass die Bank mit gesellschaftergleichen Rechten ausgestattet und somit als faktischer Gesellschafter einzustufen ist. Ein am Gewinn oder Veräußerungserlös orientierter Besserungsschein allein kann keine gesellschaftergleiche Stellung begründen, da diese Erlösbeteiligung keine gestaltenden Gesellschafterrechte beinhaltet. Auch in Verbindung mit üblichen Covenants und Zustimmungskatalogen in den Kreditverträgen ergibt sich genauso wenig eine gesellschaftergleiche Stellung, wie durch die in Restrukturierungssituationen üblichen Informations- und Zustimmungsrechte der Banken, die im Vergleich zu Bestimmungen in noch performenden Kreditengagements in der Regel erheblich erhöht und verdichtet sind. Auch die Vereinbarung einer Treuhandstruktur ändert an diesem Ergebnis grundsätzlich nichts. In der klassischen doppelnützigen Sanierungstreuhand ist üblicherweise vorgesehen, dass ein Treuhänder die Geschäftsanteile am Kreditnehmer zugunsten der Banken verwaltet und sie beim Eintritt festgelegter (wirtschaftlicher) Umstände im Rahmen eines M&A-Prozesses veräußert. Auch hier gilt, dass die üblichen Regelungen der Treuhand mangels Einflussrechten der Banken eine gesellschaftergleiche Stellung nicht in dem Maße begründen, dass die Annahme eines Nachrangs gerechtfertigt wäre.

Allerdings ist bei der Gestaltung der Rechte der Banken stets darauf zu achten, dass die Rechte im Einzelfall nicht doch ein Maß erreichen, das die Bank vor dem Hintergrund des insolvenzrechtlichen Nachrangs in eine dem Gesellschafter vergleichbare Stellung versetzt. Diese „rote Linie“ könnte etwa überschritten sein, wenn Banken über die Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern oder Aufsichtsorganen des Kreditnehmers entscheiden oder erheblich in die Entscheidungsprozesse seines operativen Geschäftsbetriebs eingreifen können. Daher ist bei der Ausgestaltung der (Zustimmungs-)Rechte der Banken stets darauf zu achten, dass der originäre Gesellschafterbereich nicht tangiert wird. 

Bei richtiger Ausgestaltung ist ein Besserungsschein also eine Möglichkeit für die Bank, aus einer Restrukturierungssituation noch eine Chance auf künftige Realisierung der Kreditforderungen zu erhalten. Im Einzelfall wäre es sogar denkbar, dass das künftige Potential aus dem Besserungsschein im Gegenzug zur Mitwirkung der Bank an der Restrukturierung die ursprüngliche Kredit- und Zinssumme übersteigt. Dies dürfte jedoch eher für außergerichtliche Verfahren infrage kommen, da eine solche Besserstellung der Bank die Annahmefähigkeit etwa eines Insolvenzplans aus Sicht der übrigen Gläubiger regelmäßig einschränken dürfte. 

Über die Autoren: Dr. Matthias Kampshoff, Partner, Rechtsanwalt: mkampshoff@mwe.com; +49 211 30211 365
Dr. Benedikt Schulz, Partner, Rechtsanwalt: bschulz@mwe.com; +49 211 30211 360
Dieser Text ist eine Veröffentlichung unseres Partners McDermott Will & Emery Rechtsanwälte Steuerberater LLP zum Bankentag 2024. Alle Informationen zum Bankentag 2024 finden Sie hier.