Wasserzeichen
Gastbeitrag

Von der Kür zur Pflicht – ESG-Risiken etablieren sich im Risikomanagement

15.04.2024Artikel
Jessica Glaser
Dr. Nina Scherber
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„Sind die Segel [in puncto Klimaschutz] richtig gesetzt?“, so lautet das Thema eines Panels beim 23. Bankentag des Bankenverbandes. Der europäische Gesetzgeber sowie die europäische Bankaufsichtsbehörde eba bzw. die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) haben zumindest die Segel gerefft, um auf die kommenden Unbilden vorbereitet zu sein. Während allerdings beim Segeln angesichts drohenden Unwetters die Segel in der Regel verkleinert werden, wird der Werkzeugkasten im Aufsichtsrecht ausgeweitet. 

Dies zeigt sich im sogenannten Bankenpaket 2021, das nach jahrelangen Verhandlungen in diesem Jahr veröffentlicht wird und – dem Aktionsplan „Finanzierung nachhaltigen Wachstums“ aus 2018 der EU-Kommission entsprechend – erstmals Vorgaben zu Nachhaltigkeitsaspekten enthält. Zudem rücken das Arbeitsprogramm der eba und die verstärkte Ausrichtung der BaFin auf Nachhaltigkeitsaspekte in den Fokus den Banken. 

CRR – Definitionen, Melde- und Offenlegungspflichten

Die “neue” CRR (CRR II) enthält erstmals Definitionen der verschiedenen Arten von ESG-Risiken (ESG-Risiko, Umweltrisiko, physisches Risiko, Übergangsrisiko, soziales Risiko, Governance-Risiko). Danach liegt ein ESG-Risiko bereits dann vor, wenn sich aus den gegenwärtigen oder voraussichtlichen Auswirkungen von ESG-Faktoren auf die Gegenparteien oder die investierten Vermögenswerte des Instituts ein Risiko negativer finanzieller Auswirkungen auf das Institut ergibt. Klargestellt wird, dass ESG-Risiken in die traditionellen Kategorien finanzieller Risiken eingebettet sind und keine neue Risikokategorie bilden. Was insoweit unter einem ESG-Faktor zu verstehen ist, wird in Art. 4 CRR nicht formal definiert. Erläuterungen und Beispiele enthält jedoch Erwägungsgrund (ErwG) 54 der Einigungsfassung zur CRR, der u.a. Treibhausgasemissionen, Biodiversität, Menschenrechte oder Rechte, Pflichten und Vergütung von Führungskräften nennt. 

Die Meldepflichten gegenüber den Aufsichtsbehörden (u.a. Eigenmittelanforderungen, Leverage Ratio, LCR, Großkreditmeldungen, etc.) werden in der CRR II um eine Meldepflicht mit ESG-Bezug ergänzt. So sind künftig auch Risikopositionen mit Bezug zu ESG-Risiken („exposure to ESG-risks“) zu melden. Die Meldepflicht umfasst neben bestehenden und neuen Engagements in Unternehmen des Sektors der fossilen Brennstoffe auch den Fall, dass das Institut physischen Risiken und transitorischen Risiken ausgesetzt ist. Begründet wird die Erweiterung der Meldepflicht mit dem aus ESG-Faktoren resultierenden höheren Risiko für die Institute sowie für die finanzielle Stabilität (vgl. ErwG 56 der Einigungsfassung zur CRR). Die Meldepflicht wird jedoch erst nach Inkrafttreten eines konkretisierenden eba-Standards zur Anwendung kommen.

Insbesondere für kleine und mittlere Institute relevant ist zudem die Ausdehnung der 
Offenlegungspflicht von ESG-Risiken auf alle Institute
unter Vorgabe bestimmter Informationsinhalte. Bislang sind nur größere Institute mit börsennotierten Emissionen von der Offenlegungspflicht betroffen. Künftig müssen alle Institute u.a. den Gesamtbetrag der Forderungen an Unternehmen des Sektors der fossilen Brennstoffe offenlegen. Außerdem ist über die Einbeziehung der ermittelten ESG-Risiken in Geschäftsstrategie, Unternehmensführung und das Risikomanagement zu berichten. Die offenzulegenden Informationen sollen allerdings nicht über die ohnehin zu meldenden Daten hinausgehen. Auch hier bedarf es einer Konkretisierung durch die eba, die dabei das Verhältnismäßigkeitsprinzip im Hinblick auf kleine und nicht-komplexe Institute („SNCI“) zu berücksichtigen hat. 

Dass mit diesen Vorgaben nicht unbedingt das “Ende der Fahnenstange” erreicht ist, zeigt die Ausweitung eines eba Mandates zur Berichterstattung: Die eba soll nunmehr u.a. prüfen, ob die spezielle aufsichtliche Behandlung von Risiken im Zusammenhang mit Vermögenswerten oder Verbindlichkeiten, „die Auswirkungen von ökologischen oder sozialen Faktoren ausgesetzt sind“, angepasst werden muss. Stand Oktober 2023 sah die eba keine Notwendigkeit für risikogewichtete Anpassungsfaktoren für Umwelt und soziale Risiken. Ob dies in Zukunft so bleibt, wird sich erweisen müssen.

Änderungen der CRD durch die finale Einigungsfassung – ESG im Risikomanagement und im SREP

Auch die CRD, die noch in nationales Gesetz umzusetzen ist, enthält Vorgaben mit Blick auf ESG-Risiken. Bereits der Kommissionsvorschlag zur Änderung der CRD sah vor, dass Institute künftig die kurz-, mittel-, und langfristigen Horizonte von ESG-Risiken in ihre Strategie- und Risikomanagementprozesse aufzunehmen haben und das Leitungsorgan spezifische Pläne, quantifizierbare Ziele und Verfahren zur Bewältigung von ESG-Risiken zu entwickeln hat. Außerdem muss das Leitungsorgan die entwickelten Pläne explizit überwachen. 

Flankierend konsultiert die eba aktuell Leitlinien zum Management von ESG-Risiken (EBA/ GL/2024/02), die zum einen Details zur Umsetzung der in der CRD neu eingeführten Steuerung von ESG-Risiken enthalten. Zum anderen werden Mindeststandards zur Integration von ESG-Risiken beschrieben und Bewertungskriterien zur Ermittlung der Auswirkungen von ESG-Risiken genannt. 

Neu aufgenommen wurde ferner die Anforderung, dass die vorstehenden Planungen mit den sog. Übergangsplänen nach der CSRD kohärent sein müssen. In letzteren ist insbesondere zu beschreiben, wie die Unternehmenspläne mit dem Abkommen von Paris zur Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 °C sowie dem Ziel der Klimaneutralität bis 2050 im Einklang stehen. Kreditinstitute, die der CSRD-Berichtspflicht unterfallen, müssen deshalb künftig diese regulatorische Schnittstelle im Blick haben. 

In die Pflicht genommen wird auch der Aufsichtsrat: Der Risikoausschuss hat u.a. explizit zu prüfen, ob die durch das Vergütungssystem gebotenen Anreize auch den Auswirkungen von ESG-Risiken Rechnung tragen.

Weitere Änderungen und Ergänzungen mit ESG-Bezug ermöglichen den zuständigen Aufsichtsbehörden die entsprechende Überwachung und Bewertung der neu verankerten Pflichten mit ESG-Bezug. Ferner sind die Vorgaben zu den Stresstests sowie die Aufträge an die Europäischen Aufsichtsbehörden (ESAs) zur Ausarbeitung und Entwicklung von Leitlinien zu Stresstests und SREP entsprechend ergänzt und ausgeweitet worden.

Weitere Planungen der Bankaufsichtsbehörden

Darüber hinaus sieht das eba Work Programme neben den ohnehin in CRR, CRD u.a. vorgesehenen Mandaten unter der Priorität Nr. 2 (Förderung der finanziellen Stabilität in einer nachhaltigen Wirtschaft) die Entwicklung eines Klima-Stresstests vor. Darüber hinaus soll der Überwachungsrahmen für ESG-Risiken ausgedehnt werden, um die ESG-Risiken im Bankensektor und die Entwicklung des grünen Finanzmarktes effizient überwachen zu können. Zudem sollen verstärkt externe Daten mit Relevanz für ESG-Risiken genutzt werden. 
 
Schließlich sind ESG-Risiken unverändert unter den Prüfungsschwerpunkten aufgeführt, die eba den nationalen Aufsichtsbehörden vorgegeben hat. Die BaFin rundet diese Vorgaben ab und sieht das Thema Nachhaltigkeit als Trend für 2024. In der Folge werden ESG-Risiken ein zentrales Thema von Aufsichtsgesprächen und Gegenstand von Sonderprüfungen sein. Auch die Umsetzung von SFDR und CSRD soll untersucht werden. Zudem will die BaFin ein Konzept zur Umsetzung der Green-Bond-Verordnung erstellen. 

Sind also die Segel richtig gesetzt? – Wir meinen grundsätzlich ja. Eine andere Frage ist, wie (schnell) die Institute die an sie gestellten Anforderungen werden umsetzen können. Im eigenen Interesse bedarf es einer gezielten strategischen Steuerung und eines angemessenen Risikomanagements. 
 

Über die Autorinnen: Jessica Glaser, Associated Partner und Dr. Nina Scherber, Associated Partner
Dieser Text ist eine Veröffentlichung unseres Partners lindenpartners zum Bankentag 2024. Alle Informationen zum Bankentag 2024 finden Sie hier.