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Sustainable FinanceKlimaschutzNachhaltigkeit

Eckpunktepapier zur Rolle des Bankensektors bei der Erhaltung der Biodiversität

23.10.2023Positionspapier
Frederik Lange
Torsten Jäger
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Inhalt

1. Was der Verlust an Biodiversität für unser Leben und Wirtschaften bedeutet
2. Wie Banken zur Erhaltung der Biodiversität beitragen können
3. Wie naturbedingte Opportunitäten entstehen können
4. Der Stand der Regulatorik bezüglich Biodiversität
5. Handlungsfelder für Banken
6. Besondere Herausforderungen bei der Analyse und Bewertung von
Biodiversitätsaspekten

7. Tools und konkrete Hilfestellungen für die Umsetzung von Biodiversitätsanalysen und -bewertungen in der Finanzwirtschaft
8. Politische Botschaften


1. Was der Verlust an Biodiversität für unser Leben und Wirtschaften bedeutet

Der Verlust der biologischen Vielfalt stellt, neben dem Klimawandel, in den nächsten 10 Jahren ein wesentliches globales Risiko für die Menschheit dar. Dies zeigt der Global Risks Report 2023[1], veröffentlicht vom World Economic Forum. Im Vergleich zum hohen Stellenwert von Klimaschutzaspekten spielt der Schutz von Ökosystemen und Biodiversität in der Wirtschaft allerdings noch eine Nischenrolle. Dies dürfte sich jedoch in absehbarer Zeit ändern, wie zuletzt die UN-Biodiversitätskonferenz im Dezember 2022 in Montreal gezeigt hat, auf der ein neues globales Rahmenabkommen für den Schutz der Biodiversität vereinbart wurde. Dabei werden Unternehmen und Finanzinstitutionen direkt mit in die Zielvorgaben einbezogen, um die Auswirkungen ihrer Tätigkeit auf die biologische Vielfalt und entstehende Risiken in den Blick zu nehmen.

Biodiversität bezieht sich auf die Vielfalt des Lebens auf der Erde, einschließlich der Artenvielfalt, der genetischen Vielfalt und der Vielfalt der Ökosysteme. Diese Vielfalt ist stark bedroht. Das Artensterben und der Ökosystemverlust schreiten aktuell in einem nie gekannten Ausmaß voran, was zahlreiche Studien belegen. So ging zum Beispiel der Bestand an Wirbeltierarten zwischen 1970 und 2018 um 69 % zurück.[2] Zudem ging allein zwischen 1900 und 2000 rund 75 % der Pflanzenvielfalt verloren.[3] Schätzungen zufolge sind etwa eine Million Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht.[4]

Zu den wesentlichen Treibern der Biodiversitätskrise zählen der Klimawandel, die ausgeweitete Nutzung von terrestrischen, maritimen und Süßwasserflächen, die Umweltverschmutzung, die Nutzung und Überbeanspruchung natürlicher Ressourcen und das Ausbreiten invasiver Arten. Hinzu kommen indirekte Treiber wie der demografische Wandel, ökonomisch-technologische Entwicklungen sowie menschliche Verhaltensweisen im Allgemeinen (Ernährungsweisen, etc.).

Der fortschreitende Verlust an Biodiversität droht massive Auswirkungen auf unseren Planeten und die menschliche Lebensgrundlage zu haben. Biodiversität ist von entscheidender Bedeutung für das Funktionieren unseres Planeten, da Biodiversität eine Vielzahl von ökologischen Dienstleistungen („Ökosystemdienstleistungen“) bereitstellt. Dazu gehören unter anderem Insektenbestäubung, die Bereitstellung natürlicher Ressourcen (z. B. Nahrungsmittel wie Obst, Gemüse, Getreide), Verwendung von Pflanzen im Arzneimittelsektor, Reinigung des Wassers ;und der Luft, der Schutz vor Naturkatastrophen sowie die Regulierung des Klimas und der Wasserqualität. So sind 80 % der Nachhaltigkeitsziele (SDGs) nicht erreichbar, wenn die Biodiversität nicht erhalten und ausreichend geschützt wird.[5] Beispielsweise sind 70 % aller Krebsmedikamente pflanzlichen Ursprungs oder synthetische Nachahmungen biologischer Wirkstoffe. Mit jeder ausgestorbenen Art verliert unsere Gesellschaft eine potenzielle genetische Ressource, die z. B. als Wirkstoff für Medikamente dienen kann.[6]

Klimaschutz und Biodiversitätserhalt hängen eng miteinander zusammen. Eine intakte Biodiversität kann zur Verringerung/Speicherung von CO2-Emissionen beitragen und somit einen wichtigen Beitrag zur CO2-Absorption leisten. Gesunde Ökosysteme (z.B. die tropischen Wälder und Moore) sind essenziell, um den Treibhausgasanstieg zu begrenzen, weil sie neben anderen wertvollen Ökosystemleistungen auch als Kohlenstoffsenken dienen können. Gleichzeitig bedrohen aber unter anderem steigende Temperaturen immer mehr Ökosysteme an Land und Wasser. Bemühungen zum Schutz des Klimas und der biologischen Vielfalt begünstigen sich somit gegenseitig.

Die Natur ist unser wertvollstes Kapital – ohne sie wäre menschliches Leben und Wirtschaften auf unserem Planeten undenkbar. Studienergebnissen zufolge hängen alle Wirtschaftsleistungen weltweit von der Biodiversität ab, wobei knapp die Hälfte sogar eine moderate bis hohe Abhängigkeit aufweisen. Eine hohe Abhängigkeit wurde insbesondere in der Forstwirtschaft, Landwirtschaft, Fischerei und dem Aquakultursektor, dem Lebensmittel-, Getränke- und Tabaksektor, der Wärmeversorgung, dem Bauwesen, dem Stromsektor und der Wasserversorgung festgestellt.[7] Wenn wir keine Maßnahmen zum Biodiversitätsschutz ergreifen, drohen der Weltwirtschaft allein bis 2030 jährliche Verluste von 2,7 Billionen US-Dollar.[8]

2. Wie Banken zur Erhaltung der Biodiversität beitragen können

Banken und andere Finanzinstitute sind ebenfalls mit dem Thema Biodiversität befasst.

Zum einen spielen Banken und Finanzinstitute – wie andere Sektoren auch – eine wichtige Rolle bei der nachhaltigen Transformation, denn sie lenken durch ihre Investitions- und Finanzierungstätigkeit Kapitalströme in nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten. So können Finanzinstitute durch die Bereitstellung von Kapital für Projekte und Unternehmen, die auf den Schutz und die Wiederherstellung von Ökosystemen ausgerichtet sind (z. B. in Form naturbasierter Lösungen), sowie den Einbezug von Umweltkriterien in ihren Investitionsentscheidungen einen positiven Beitrag leisten. Denn wie auch beim Klima klafft in Bezug auf den Erhalt der Biodiversität eine gewaltige Finanzierungslücke, die auf 598-824 Milliarden US-Dollar pro Jahr bis 2030 beziffert wird.[9] Diese wird nicht allein mit öffentlichen Mitteln gefüllt werden können, sodass privates Kapital eine wichtige Rolle spielen muss. Banken können zudem als ein wichtiger Sparringpartner von Unternehmen agieren und den Wandel in der Realwirtschaft begleiten.

Im Hinblick auf die Investitionstätigkeit können Banken und Finanzinstitute aktiv zu einem Paradigmenwechsel bei den Anlegern beitragen, indem sie kontinuierlich die Bedeutung naturbezogener Risiken und Chancen für Investitionsentscheidungen betonen und diese beiden (Risiken und Chancen) systematisch in ihre Investitionsprozesse einbeziehen.

Zum anderen können Finanzinstitute auch direkt von Risiken in Bezug auf Biodiversität betroffen sein. Ähnlich wie bei Klimarisiken können Biodiversitätsrisiken negative Auswirkungen auf einzelne Unternehmen und auch ganze Volkswirtschaften haben und somit auch Finanzinstitute betreffen. Hier sind in erster Linie physische Risiken, transitorische Risiken und rechtliche Risiken zu nennen, welche sich auf bestehende Risikoarten von Banken wie Kreditrisiken, Marktpreisrisiken und operationellen Risiken (inkl. Reputationsrisiken) auswirken können.

  • Physische Risiken: Ein Großteil der globalen Wirtschaftsaktivitäten hängt von der Funktionsfähigkeit natürlicher Systeme ab, z.B. von der Stabilität des Klimas und der Gewinnung von Rohstoffen. Physische Risiken entstehen, wenn diese natürlichen Systeme durch die Auswirkungen klimatischer (d. h. extremer Wetterbedingungen) oder geologischer (d. h. seismischer) Ereignisse oder durch weitreichende Veränderungen des Gleichgewichts von Ökosystemen wie der Bodenqualität oder der Meeresökologie beeinträchtigt werden. Physische Risiken können ereignisorientiert oder längerfristig sein.
  • Transitorische Risiken: Regulatorische oder marktwirtschaftliche Bemühungen zur Bekämpfung von Umweltschäden können sich negativ auf Unternehmen auswirken und zu gestrandeten Vermögenswerten führen, die dann transitorische Risiken darstellen. Zu diesen Risiken gehören zum Beispiel technologische Veränderungen oder plötzliche Veränderungen der politischen Rahmenbedingungen, Veränderungen in der Verbraucher- oder Investorenstimmung und disruptive Innovationen von Geschäftsmodellen. Transitorische Risiken beziehen sich auf einen Anpassungsprozess hin zu einer naturfreundlichen Wirtschaft.
  • Rechtliche Risiken: Im Zusammenhang mit Naturschäden können auch Rechtsrisiken steigen, wenn Parteien Schadenersatz einfordern. Bußgelder für Ölverschmutzungen sind ein bekanntes Beispiel.

Für das Risikomanagement von Banken ist es daher unerlässlich, Auswirkungen (Impacts) auf und Abhängigkeiten (Dependencies) von Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen für wirtschaftliche Aktivitäten systematisch zu erfassen. Dafür ist aber die zuverlässige Offenlegung von naturbezogenen Informationen seitens der Realwirtschaft eine unerlässliche Voraussetzung. Banken und Finanzinstitute können Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen nur dann in ihr Risikomanagement einbeziehen, wenn die entsprechenden Unternehmen die Rohdaten zur Verfügung stellen.

3. Wie naturbedingte Opportunitäten entstehen können

Neben naturbedingten Risiken gibt es auch naturbedingte Opportunitäten für Unternehmen und Finanzinstitute, die innerhalb der Grenzen der Natur operieren oder sogar eine positive Materialität gegenüber der Natur aufweisen.

So kann ein Verständnis der naturbedingten Abhängigkeiten und Auswirkungen sowie der sich verändernden Faktoren auf der Nachfrageseite, wie Verbraucherpräferenzen und Regulierung, nicht nur das Risikomanagement von Unternehmen und Anlegern beeinflussen, sondern auch die Wachstumsstrategie und die Verfolgung wirtschaftlicher Opportunitäten.

Naturbezogene Opportunitäten können in den folgenden Fällen auftreten:

  • Wenn Organisationen naturbezogene Risiken vermeiden, reduzieren, abmildern oder managen, zum Beispiel im Zusammenhang mit dem Verlust von Natur und Ökosystemdienstleistungen, von denen die Organisation und die Gesellschaft abhängen;
  • durch die strategische Umgestaltung von Geschäftsmodellen, Produkten, Dienstleistungen, Märkten und Investitionen, die aktiv dazu beitragen, den Verlust der Natur rückgängig zu machen, u. a. durch Wiederherstellung, Regeneration der Natur und Umsetzung naturbasierter Lösungen.

Bemühungen zur Schaffung positiver Auswirkungen und/oder zur Risikominderung können die Widerstandsfähigkeit von Organisationen gegenüber naturbezogenen Trends und Veränderungen, einschließlich naturbezogenen Risiken zu verbessern.

Während sich aus der Wiederherstellung der Natur und der Minderung bestehender Schäden durch Wiederaufbau- oder Ausgleichsmaßnahmen geschäftliche Opportunitäten ergeben können, sollten geschäftliche Maßnahmen, die negative Auswirkungen auf die Natur vermeiden oder minimieren, Vorrang haben. Die Maßnahmen sollten idealerweise über die Risikominderung hinausgehen und zu einer naturfreundlichen Zukunft beitragen, indem sie die Bedrohungen und Belastungen beeinflussen, die der Verlust und die Degradation der Natur weltweit verursachen. Ein strategischer Wandel kann sich hierbei als wirkungsvoller erweisen als die isolierte Minderung oder Bewältigung von naturbezogenen Risiken.

Naturbezogene Opportunitäten können in zwei Kategorien eingeteilt werden: Unternehmensleistung und Nachhaltigkeitsleistung. Opportunitäten im Zusammenhang mit der Nachhaltigkeitsleistung führen häufig zu Opportunitäten im Zusammenhang mit der Unternehmensleistung. Beispielsweise kann die nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen den Zugang zu neuen Finanzierungsmechanismen ermöglichen (Kapitalfluss und Finanzierung), zu Kosteneinsparungen aufgrund von Ressourceneffizienz führen und die Einnahmen aufgrund eines besseren Rufs steigern (Reputationskapital). Eine Übersicht von naturbezogenen Opportunitäten ist in Tabelle 1 abgebildet.
 

Tabelle 1: Naturbezogene Opportunitäten für Unternehmen und Finanzinstitute[10]

KategorieNaturbezogene Opportunität
MärkteVeränderte Dynamik an den Märkten insgesamt, wie beispielsweise der Zugang zu neuen Märkten oder Standorten, die sich aus veränderten Bedingungen ergeben (z. B. aus der Nachfrage der Verbraucher oder der Stimmung der Verbraucher und Investoren).
Kapitalfluss und FinanzierungVerbesserte Finanzierungsbedingungen oder Finanzprodukte im Zusammenhang mit positiven Auswirkungen auf die Natur oder der Abschwächung negativer Auswirkungen.
Produkte und DienstleistungenNutzenversprechen im Zusammenhang mit der Schaffung oder Bereitstellung von Produkten und Dienstleistungen zum Schutz, zur Bewirtschaftung oder zur Wiederherstellung der Natur, einschließlich technologischer Innovationen.
RessourceneffizienzMaßnahmen, die eine Organisation innerhalb ihrer eigenen Betriebsabläufe oder Wertschöpfungskette ergreifen kann, um Auswirkungen und Abhängigkeiten von der Natur zu vermeiden oder zu verringern (z. B. durch den Einsatz von weniger natürlichen Ressourcen) und um gleichzeitig Zusatznutzen wie eine verbesserte betriebliche Effizienz oder geringere Kosten zu erzielen (z. B. Mikrobewässerung, die die Pflanzengesundheit maximiert, den Wasserverbrauch reduziert und die Kosten senkt).
ReputationskapitalVeränderungen in der Wahrnehmung der tatsächlichen oder wahrgenommenen Auswirkungen eines Unternehmens auf die Natur, einschließlich der sich daraus ergebenden Auswirkungen auf die Gesellschaft und das Engagement der Stakeholder.
Nachhaltige Nutzung der natürlichen RessourcenSubstitution natürlicher Ressourcen durch recycelte, regenerative, erneuerbare und/oder ethisch verantwortungsvolle organische Rohstoffe.
Schutz, Wiederherstellung und Regeneration von ÖkosystemenAktivitäten, die den Schutz, die Regeneration oder die Wiederherstellung von Lebensräumen und Ökosystemen unterstützen, einschließlich Gebieten innerhalb und außerhalb der unmittelbaren Kontrolle der Organisation.

 

4. Der Stand der Regulatorik bezüglich Biodiversität

 

Zukünftig werden auch regulatorische Anforderungen und Erwartungen von Stakeholdern eine stärkere Berücksichtigung von Biodiversitätsaspekten für Finanzinstitute unumgänglich machen.

Auf globaler Ebene einigten sich auf der 15. Weltnaturkonferenz (COP 15) in Montreal, Kanada im Dezember 2022 fast 200 Länder auf eine Reihe neuer Ziele und Vorgaben, um den Verlust der biologischen Vielfalt zu stoppen und umzukehren. Das neue Biodiversitätsabkommen – das Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework (GBF) – definiert vier übergreifende Ziele:

(1) das vom Menschen verursachte Aussterben bedrohter Arten einzudämmen und die Aussterberate aller Arten bis 2050 um das Zehnfache zu verringern;
(2) die biologische Vielfalt nachhaltig zu nutzen und zu bewirtschaften;
(3) die Vorteile aus der Nutzung von genetischen Ressourcen gerecht aufzuteilen;
(4) sicherzustellen, dass allen Vertragsparteien, insbesondere den am wenigsten entwickelten Ländern, angemessene Mittel zur Umsetzung zur Verfügung stehen.

Das Abkommen umfasst zudem 23 mittelfristige Ziele bis 2030. Insbesondere dem Ziel 30 % der Land- und Meeresflächen unter Schutz zu stellen – unter Wahrung der Rechte indigener Völker und lokaler Gemeinschaften – wird große Bedeutung beigemessen.

Einige der mittelfristigen Ziele sehen auch einen Beitrag durch den Finanzsektor vor. So sieht das Abkommen eine erhebliche Aufstockung der Finanzmittel vor. Insgesamt sollen 200 Mrd. USDollar pro Jahr aus öffentlichen und privaten Quellen mobilisiert werden. Zugleich beschließt die Staatengemeinschaft den Abbau von schädlichen Subventionen in Höhe von mindestens 500 Mrd. US-Dollar pro Jahr. Darüber hinaus sollen große und transnationale Unternehmen und Finanzinstitute durch politische Maßnahmen zur regelmäßigen Überwachung, Bewertung und transparenten Offenlegung ihrer Risiken, Abhängigkeiten und Auswirkungen auf die biologische Vielfalt verpflichtet werden. Dabei sollen Geschäftstätigkeiten, Liefer- und Wertschöpfungsketten sowie Portfolios mit in die Betrachtung einfließen. Die Staatengemeinschaft nimmt sich zudem selbst in die Pflicht sicherzustellen, dass die besten verfügbaren Daten, Informationen und Kenntnisse den Entscheidungsträgern, Fachleuten und der Öffentlichkeit zugänglich sind.

Es ist davon auszugehen, dass die im GBF beschlossenen Ziele und Maßnahmen einen wesentlichen Einfluss auf die europäische und nationale Biodiversitätspolitik in kommenden Jahren haben werden. Auf EU-Ebene ist das Thema Biodiversität schon jetzt in der Regulatorik wiederzufinden beziehungsweise angedacht:

  • Durch die EU-Biodiversitätsstrategie für 2030, welche die EU-Kommission im Mai 2020 vorgelegt hat, gibt es bereits ehrgeizige Ziele und Verpflichtungen der EU, um gesunde und widerstandsfähige Ökosysteme aufzubauen. Ein zentrales Ziel ist es, bis 2030 mindestens 30 % der Land- und 30 % der Meeresfläche in der EU unter Schutz zu stellen. Die Idee ist es, auf den bestehenden Natura-2000-Gebieten aufzubauen und diese durch nationale Schutzgebiete zu ergänzen.
  • In der EU-Taxonomie – dem Kernstück der Sustainable Finance-Agenda der EUKommission – zielt das Umweltziel 6 auf den Schutz und die Wiederherstellung der Biodiversität und Ökosysteme ab. Biodiversität wird aber auch bei den anderen fünf Klimaund Umweltzielen thematisiert, da eine erhebliche Beeinträchtigung vermieden werden soll („Do No Significant Harm“-Kriterien).
  • In den European Sustainability Reporting Standards (ESRS) der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) befassen sich die ESRS E4 mit Biodiversität und Ökosystemen. Es sind unter anderem die Festlegung biodiversitätsbezogener Ziele als Teil einer Strategie und eine Widerstandsfähigkeitsanalyse vorgesehen. Andere Standards beziehen sich auf wesentliche Treiber der Biodiversitätskrise, zum Beispiel Klima, Umweltverschmutzung und Wassernutzung.
  • In den erweiterten Vorgaben der Finanzmarktrichtlinie MiFID II wird das Thema Biodiversität im Rahmen der Möglichkeiten zur Abfrage von Nachhaltigkeitspräferenzen adressiert. Von Bedeutung ist insbesondere die Offenlegung und Adressierung nachteiliger Nachhaltigkeitsfaktoren (Principal Adverse Impacts (PAI)) im Rahmen der Offenlegungsverordnung (Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR)), die seit März 2021 in Kraft ist.
  • Auch in der Aufsicht ist Biodiversität schon jetzt ein Thema. So sind Biodiversitätsrisiken im BaFin Merkblatt zu Nachhaltigkeitsrisiken explizit genannt. Auch die thematische Überprüfung zu Umwelt- und Klimarisiken der EZB im Jahr 2022 weist deutlich darauf hin, dass Institute nicht nur Klimarisiken, sondern auch weitere Umweltrisiken in ihre Strategie, Governance und ihr Risikomanagement einbeziehen müssen.
  • Zudem zeigt der verstärkte Fokus auf Lieferketten, dass eine aktive Befassung mit dem Thema Biodiversität in Zukunft unausweichlich sein wird. So sieht die geplante Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) umfassende Sorgfaltspflichten bezüglich der Einhaltung von Menschenrechten sowie Umweltschutz- und Biodiversitätsaspekten vor. Ebenfalls hat die noch ausstehende Regulierung zu entwaldungsfreien Lieferketten (Deforestation Regulation) einen direkten Bezug auf Biodiversität, da künftig verhindert werden soll, dass Holz, Kaffee, Kakao, Palmöl, Rindfleisch und Soja sowie daraus gewonnene Produkte auf den EU-Binnenmarkt kommen, sofern ihre Herstellung Entwaldung verursacht hat.

Auf nationaler Ebene hat das nationale Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) ebenfalls Bezugspunkte zu Biodiversität wie zum Beispiel durch das Verbot der Herbeiführung einer schädlichen Bodenveränderung und Gewässerverunreinigung. Zudem wird derzeit an einer Überarbeitung und Aktualisierung der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt (NBS) gearbeitet, um diese an die Vereinbarungen des Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework anzupassen. Am 15. Juni 2023 hat das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Naturschutz (BfN) einen Ziele- und Maßnahmenkatalog zur NBS 2030 vorgestellt.[11] Dieser sieht spezifische Anforderungen an Unternehmen und Finanzinstitute vor. Beispielsweise sollen Finanzinstitute laut den Vorschlägen bis 2030 die Auswirkung auf Ökosysteme und Ökosystemleistungen in allen privaten und öffentlichen Finanzentscheidungen als Entscheidungskriterium transparent machen und berücksichtigen.

5. Handlungsfelder für Banken

In Bezug auf Biodiversität geht es für Finanzinstitute darum, wesentliche Fragen zu klären: Wie können Banken Biodiversität in ihre Prozesse integrieren und messbar machen? Wodurch ergeben sich direkte und indirekte Risiken? Auf welche Weise lassen sich diese Risiken managen? Aber auch, wie lassen sich Chancen nutzen, die durch neue Geschäftsfelder entstehen?

Speziell ergeben sich folgende Handlungsfelder für Banken in Bezug auf Biodiversität:

  • Verständnis schaffen, welche Normen und regulatorische Vorschriften bereits Biodiversitätsaspekte berücksichtigen und welche derzeit in Entwicklung sind.
  • Sicherstellung der Compliance mit bereits bestehenden Anforderungen und rechtzeitige Befassung mit neu entstehenden Vorschriften.
  • Die Integration von Umweltrisiken in das Risikomanagement einer Bank (einschl. Materialitäts-Assessment sowie Risiko- und Szenarioanalysen). 
  • Erstellen von Leitlinien zur Entwicklung einer eigenen Strategie für biologische Vielfalt und Naturkapital. Diese sollte als Grundlage dienen, um eine dezidierte Strategie mit konkreten Zielen zu dem Thema zu entwickeln.
  • Eingehende Befassung mit verfügbaren Rahmenwerken, Initiativen und Tools für den Umgang mit naturbezogenen Risiken.
  • Bestimmung des eigenen Fußabdrucks und dem des Portfolios sowie Beschäftigung mit Ausgleichsmaßnahmen, die zum Beispiel die Biodiversität in Hot Spots schützen oder auf dem Firmengelände umgesetzt werden können.
  • Abwägung entsprechende Zusagen („Pledges“) zu unterzeichnen (z.B. den Finance for Biodiversity Pledge), um das Engagement des Institutes zu untermauern und öffentlich zu dokumentieren.
  • Schulung von Mitarbeitern und ggf. Einbeziehung externer Expertise. Hierbei sollte insbesondere erörtert werden, wie das Thema Biodiversität den Bankensektor/das einzelne Institut betrifft.
  • Abstimmung interner Prozesse und IT-Infrastruktur. Beispielsweise sollten für die oben genannte Materialitätsanalyse Datenbanken verfügbar sein, anhand denen eine objektive und datenbasierte Materialität festgestellt werden kann. Zudem sollten geeignete Tools getestet werden und Feedback-Prozesse mit Entwicklern etabliert werden.
  • Ausweitung der Investitions- und Finanzierungsprozesse auf Aspekte der biologischen Vielfalt.

6. Besondere Herausforderungen bei der Analyse und Bewertung von
Biodiversitätsaspekten

Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, benötigen Banken insbesondere geeignete Daten und Metriken, welche die Auswirkungen und Abhängigkeiten ihrer Investments entsprechend abbilden.[12]

Problematisch ist hierbei, dass sich im Vergleich zur Klima-Thematik, wo es mit CO2-Äquivalenzen eine zentrale Messgröße gibt, Biodiversität nur schwer messen und in Zahlen fassen lässt.[13] Hinzu kommt, dass Auswirkungen auf und Abhängigkeiten von Biodiversität und Ökosysteme nicht immer nur am Unternehmensstandort auftreten, sondern entlang der gesamten Wertschöpfungs- oder Produktionskette entstehen können. Dies führt dazu, dass die Einflüsse von Unternehmen auf die Artenvielfalt bislang kaum systematisch erfasst werden. Biodiversitätsdaten sind in der Regel standortbezogen und häufig für Portfolioanalysen nicht verfügbar. In solchen Fällen müssen Proxies auf Länder- oder Sektorebene herangezogen werden, sollten diese vorliegen.

Eine weitere Herausforderung besteht darin, dass sich das internationale Biodiversitätsrahmenwerk und die entsprechenden Zielvorgaben noch in Entwicklung befinden. Es ist daher wenig verwunderlich, dass auch die Berücksichtigung von Biodiversitätsaspekten bei Finanzunternehmen noch einen Prozess darstellt.[14]

7. Tools und konkrete Hilfestellungen für die Umsetzung von Biodiversitätsanalysen und -bewertungen in der Finanzwirtschaft

Auch wenn beim Thema Biodiversität noch viel in Bewegung ist, gibt es schon heute eine Vielzahl von Initiativen und Tools, welche Finanzinstituten bei der Formulierung, Priorisierung und Umsetzung ihrer biodiversitätsbezogenen Ziele helfen können.

Initiativen

Wie auch im Bereich Klima, bilden sich rund um das Thema Biodiversität verschiedene Initiativen und Kooperationen heraus. Diese haben oft unterschiedliche Schwerpunkte wie beispielsweise die Formulierung von Metriken und Bewertungsansätzen, Handlungsrahmen, oder Offenlegungsstandards. Dazu zählen:

  • Task Force for Nature-related Financial Disclosure (TNFD): Die TNFD ist eine internationale Initiative, die auf einem von der Taskforce on Climate-Related Financial Disclosures (TCFD) entwickelten Modell aufbaut. Die Initiative zielt darauf ab, Finanzinstituten und Unternehmen ein vollständiges Bild ihrer Umweltrisiken zu vermitteln. Bessere Informationen sollen es diesen ermöglichen, naturbezogene Risiken und Chancen in ihre Entscheidungsprozesse einzubeziehen. So hat die TNFD am 18. September 2023 ihre finalen Empfehlungen zur naturbezogenen Finanzberichterstattung veröffentlicht.[15] Zudem hat die TNFD eine Reihe von Handreichungen vorgestellt, unter anderem eine Handreichung für Finanzinstitute.[16]
  • Science Based Targets Network (SBTN): Um Unternehmen dabei zu helfen, einen Fahrplan für integrierte Maßnahmen im Bereich Natur und Klima zu erstellen, ergänzt SBTN die wissenschaftsbasierten Klimaziele (Science Based Targets Initiative) und baut auf diesen auf, wobei die Schwerpunkte auf Süßwasser, Land, biologische Vielfalt und Ozean liegen.
  • Finance for Biodiversity Pledge: Der Pledge wurde von einer Gruppe von 26 Finanzinstituten initiiert, die sich verpflichten, die biologische Vielfalt durch ihre Finanzaktivitäten und Investitionen zu schützen und wiederherzustellen.
  • Partnership for Biodiversity Accounting Financials (PBAF): Der PBAF-Standard ermöglicht es Finanzinstituten, die Auswirkungen und Abhängigkeiten von Darlehen und Investitionen auf die biologische Vielfalt zu bewerten und offenzulegen.
  • UNEP Finance Initiative/Principles for Responsible Investment (PRI): Die sechs Grundsätze für verantwortungsbewusstes Investment bieten eine Reihe möglicher Maßnahmen zur Einbeziehung von ESG-Aspekten in die Anlagepraxis. Biodiversität ist eines von vielen vorrangigen ESG-Themen, die im Fokus stehen. Die UNEP FI plant zudem eine Koalition führender Banken zu gründen, um gemeinsam wissenschaftlich fundierte und solide Leitlinien für die Festlegung von Biodiversitätszielen zu entwickeln.
  • EU Business@Biodiversity (B@B) Platform: Die Plattform wurde von der Europäischen Kommission eingerichtet, um mit der Wirtschaft zusammenzuarbeiten und dabei zu helfen, den Wert der biologischen Vielfalt zu messen und in die unternehmerische Entscheidungsfindung zu integrieren.
  • Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services (IPBES): Die Plattform ist eine zwischenstaatliche Organisation, die eingerichtet wurde, um die Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Politik in Fragen der biologischen Vielfalt und der Ökosystemleistungen zu verbessern. Sie soll eine ähnliche Rolle wie der Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) spielen.
  • Unternehmen Biologische Vielfalt (UBi): Die 2013 seitens BMU, BfN und BMWi gemeinsam mit Wirtschaftsverbänden sowie Naturschutzorganisationen initiierte Aktions- und Dialogplattform "Unternehmen Biologische Vielfalt 2020 - UBi 2020" wurde gegründet, um die Umsetzung der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt (NBS) zu unterstützen. Dialog und Vernetzung zwischen Wirtschaft, NGOs und Politik sind Schwerpunkte des Projektes.
  • Network for Greening the Financial System (NGFS): Auch das NGFS beschäftigt sich verstärkt mit dem Thema Biodiversität. So hat das Netzwerk von Zentralbanken und Finanzmarktaufsichtsbehörden am 7. September 2023 einen Report[17] veröffentlich, der den Behörden dabei helfen soll, die relevanten Elemente naturbedingter Finanzrisiken zu berücksichtigen und diesbezügliche Richtlinien und Maßnahmen zu entwickeln. Das Dokument bietet nützliche Anhaltspunkte wie Aufseher die Risiken für das Finanzsystem aktuell einschätzen.
  • Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD): Die OECD hat am 28. September 2023 ein Rahmenwerk zur Bewertung von naturbezogenen Finanzrisiken für Aufsichtsbehörden und Zentralbanken veröffentlicht.[18] In diesem Papier wird ein methodischer Aufsichtsrahmen vorgestellt, der Zentralbanken und Finanzaufsichtsbehörden dabei helfen soll, biodiversitätsbezogene finanzielle Risiken, Auswirkungen und Abhängigkeiten im Finanzsektor zu bewerten, einschließlich der Übertragungskanäle für physische Risiken und Übergangsrisiken.

Tools

Die bisher entwickelten Tools zu Biodiversität lassen sich in unterschiedliche Zielkategorien einteilen. Der Fokus liegt dabei entweder auf dem Risiko, Impact, oder liefert umweltbezogene Informationen im Allgemeinen.

Risikofokussierte Tools
 

  • Exploring Natural Capital Opportunities, Risks and Exposure (ENCORE): ENCORE kann Finanzinstituten dabei helfen, die eigenen biodiversitätsbezogenen Risiken zu ermitteln. Das Tool liefert jedoch nicht nur Erkenntnisse zu Abhängigkeiten von der Biodiversität, sondern teilweise auch zu Auswirkungen von finanzierten wirtschaftlichen Aktivitäten auf die Biodiversität. Die EZB empfiehlt die Nutzung im Rahmen der thematischen Überprüfung zu Klima- und Umweltrisiken.
  • Integrated Valuation of Ecosystem Services and Tradeoffs (InVEST): InVEST bietet eine Reihe von kostenlosen, open-source Modellen, mit denen sich der Wert des Naturkapitals quantifizieren lässt. Nach eigenen Angaben ermöglicht InVEST es Entscheidungsträgern auch, Trade-Offs zu bewerten und Naturschutz sowie menschliche Entwicklung zu integrieren.
  • SPOTT: SPOTT ist eine kostenlose Online-Plattform, mit dem Ziel den Finanzsektor und Stakeholder in der Lieferkette beim Management von Umwelt-, Sozial- und GovernanceRisiken (ESG) zu unterstützen. SPOTT veröffentlicht dazu Transparenzbewertungen für Rohstoffproduzenten und -händler, durch welche die Plattform Anreize für die Umsetzung guter Unternehmenspraktiken schaffen möchte.
  • WWF Biodiversity Risk Filter: Der Risk Filter ist ein Screening-Tool auf Unternehmens- und Portfolioebene, welches Unternehmen und Investoren dabei helfen soll, Prioritäten zu setzen, um Biodiversitätsrisiken anzugehen und um die Widerstandsfähigkeit von Unternehmen zu erhöhen.
  • Integrated Biodiversity Assessment Tool (IBAT): IBAT bietet einen schnellen, einfachen und integrierten Zugang zu drei der weltweit wichtigsten Datensätze zur biologischen Vielfalt (die Rote Liste der bedrohten Arten der Internationalen Union zur Bewahrung der Natur (IUCN), die Weltdatenbank der Schlüsselgebiete der biologischen Vielfalt und die Weltdatenbank über geschützte Gebiete.
  • EXIOBASE: Das Ziel von EXIOBASE ist es, ein Tool für globale Umweltanalysen bereitzustellen, insbesondere für die EU-Länder und ihre wichtigsten Handelspartner. Sie basiert auf einer Angebots- und Verwendungstabelle sowie einer Input-Output-Tabelle.

Impactfokussierte Tools
 

  • Trase: Die Initiative zielt darauf ab, mehr Transparenz in internationalen Agrarlieferketten zu schaffen. Die frei zugänglichen Online-Tools von Trase ermöglichen es Unternehmen, Finanzinstituten, Regierungen und NGOs, praktische Schritte gegen die Entwaldung zu unternehmen.
  • Biodiversity Footprint Financial Institutions (BFFI): Das BFFI ist ein Instrument, das entwickelt wurde, um die Auswirkungen von Finanzinstitutionen auf die biologische Vielfalt zu messen. Im BFFI wird der Artenreichtum als Indikator für die Artenvielfalt verwendet und der Schaden an der Vielfalt kann als der Anteil der Arten beschrieben werden, der im Vergleich zu einem natürlichen oder ungestörten Gebiet verloren gegangen ist.
  • Corporate Biodiversity Footprint (CBF): Der CBF ist ein Instrument zur Messung des Biodiversitäts-Fußabdrucks. Der CBF wurde entwickelt, um die jährlichen Auswirkungen der Aktivitäten von Unternehmen, Finanzinstituten, Immobilien und öffentlichen Institutionen auf die globale und lokale biologische Vielfalt zu bewerten. Diese Bewertung basiert auf den Auswirkungen, die durch die von den Unternehmen gekauften oder verkauften Produkte in ihrer gesamten Wertschöpfungskette entstehen.
  • Global Biodiversity Score (GBS): Der GBS ist ein Instrument zur Bewertung des Biodiversitäts-Fußabdrucks von Unternehmen. Der Score ermittelt die mittlere Artenvielfalt (Mean Species Abundance) pro km², welche die Unversehrtheit von Ökosystemen in Prozent angibt. Stakeholder können daraus Key Performance Indicators (KPIs) ableiten.

Umweltdatenbezogene Tools
 

  • Integrated Biodiversity Assessment Tool (IBAT): IBAT ist ein „One-Stop-Shop“ für maßgebliche Informationen über die weltweite biologische Vielfalt. Das Ziel von IBAT ist es, Entscheidungsträgern den Zugang zu integrierten kritischen Informationen zu ermöglichen, um Risikobewertungsprozesse, nationale oder regionale Entwicklungsstrategien und die praktische Umsetzung von Umweltschutzmaßnahmen zu unterstützen.
  • Ocean Data Viewer: Der „Ocean Data Viewer“ stellt Daten bereit, die für die Erhaltung der marinen und küstennahen Biodiversität von Bedeutung sind. Das Instrument bietet einfachen Zugang zu einer Reihe von Datensätzen, die heruntergeladen oder online eingesehen werden können.

8. Politische Botschaften

Neben dem Klimawandel ist der Schutz der Biodiversität eine der zentralen Herausforderungen unserer Zeit. Das globale Biodiversitätsabkommen (GBF) ist somit ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, um auf internationaler Ebene Commitment zu forcieren.

Jetzt gilt es, in der praktischen Umsetzung auf nationaler und europäischer Ebene effektive, handhabbare und konsistente Maßnahmen zu treffen. Wie auch für „Net Zero“ sind für das Gelingen von „Nature Positive“[19] die richtigen Rahmenbedingungen unabdingbar, für welche die Politik sorgen muss. Hierbei gilt zu beachten, dass Regulierung direkt beim Verursacher ansetzen sollte („polluter pays principle“). Nur durch direkte Regulierungsmaßnahmen kann sichergestellt werden, dass die Ursachen des Problems effektiv behoben werden. Die Maßnahmen sollten dabei stets wissenschaftlich fundiert sein.

Biodiversität ist auch für den Finanzsektor ein wichtiges Thema. Wie auch bei der Bekämpfung des Klimawandels müssen und wollen Banken ein Teil der Lösung sein, um zum Erhalt der Biodiversität beizutragen. So kommt dem Finanzsektor und insbesondere den Banken bei der Mobilisierung der 200 Mrd. USD pro Jahr, die im Biodiversitätsabkommen für die Finanzierung der biologischen Vielfalt vorgesehen sind, eine wesentliche Rolle zu. Darüber hinaus können Banken als verstärkende Kraft, sowie als Sparringspartner Unternehmen bei der Transformation unterstützen.

Dem Risikomanagement – dem Kern des Bankgeschäfts – kommt dabei eine wesentliche Rolle zu: Banken sind stark daran interessiert, dass die Kunden auch in 5, 10 oder 20 Jahren noch tragfähige Geschäftsmodelle haben. Auch gilt es, eigene Risiken zu messen und zu managen. Datenbasierte Materialitätsanalysen sowie eine umfangreiche Risikoanalyse sind hierbei essenziell.

Um ihrer Rolle gerecht zu werden, sind Banken dabei auf die Daten ihrer Kunden angewiesen. Es gilt daher für die Überwachung, Bewertung und Offenlegung der Auswirkungen und Abhängigkeiten von Unternehmen auf die biologische Vielfalt ein effektives und praktikables Regelwerk zu schaffen, ohne Unternehmen dabei über Gebühr zu belasten. Die Herausforderungen sind hierbei groß, wie auch schon im Bereich Klima deutlich geworden ist. Wichtig ist nun eine Fokussierung auf Berichtspflichten mit Mehrwert sowie internationale Kompatibilität zu gewährleisten. Der Gesetzgeber sollte zudem Implementierungshilfen für Banken und Unternehmen veröffentlichen.

Fußnoten:
 

[1] WEF (2023), “Global Risks Report 2023”.

[2] WWF (2022), “Living Planet Report”.

[3] FAO (2020), “Crop biodiversity: use it or lose it”.

[4] IPBES (2019), “Global assessment report on biodiversity and ecosystem services”.

[5] BMZ (2023), “Agenda 2030 | 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung SDG 15: Leben an Land”.

[6] imug rating (2021), “Biodiversität Nischenthema mit hoher Relevanz für Sustainable Finance”.

[7] World Economic Forum (2020), “Nature Risk Rising: Why the Crisis Engulfing Nature Matters for Business and the Economy”.

[8] World Bank Group (2021), “The Economic Case for Nature”.

[9] Paulson Institute, The Nature Conservancy & Cornell Atkinson Center for Sustainability (2020), “Financing Nature: Closing the Global Biodiversity Financing Gap”.

[10] Taskforce on Nature-related Financial Disclosures (TNFD), “TNFD's definitions of opportunities”.

[11] BMUV (2023), “Ziele- & Maßnahmenkatalog zur NBS 2030“.

[12] Hierzu zählen vor allem Lokationsdaten entlang der Wertschöpfungskette und "dezentrale" Metriken zur Messung von Biodiversität (Wasserverbrauch, Flächenversiegelung etc.).

[13] Es gibt erste Ansätze, die versuchen über die Haupttreiber des Biodiversitätsverlusts zu gehen, also z. B. Änderung der Flächennutzung, Umweltverschmutzung und Klimawandel. Solche Ansätze sollten weitergedacht und entwickelt werden.

[14] PWC (2022), “Von Net Zero zu Nature Positive – warum sich der deutsche Finanzsektor mit Biodiversität beschäftigen sollte”.

[15] TNFD (2023). “Recommendations of the Taskforce on Nature-related Financial Disclosures”.

[16] TNFD (2023). “Additional guidance for financial institutions”.

[17] NGFS (2023). “Nature-related Financial Risks: a Conceptual Framework to guide Action by Central Banks and Supervisors”.

[18] OECD (2023). “A supervisory framework for assessing nature-related financial risks”.

[19] „Nature Positive“ ist der Begriff, der eine Welt beschreibt, in der die Natur – Arten und Ökosysteme – wiederhergestellt wird und sich regeneriert, anstatt abzunehmen.

Frederik Lange
Frederik LangeAssociate Director
Torsten Jäger
Torsten JägerThemengruppenleiter, Director
Dr. Kerstin Altendorf
Dr. Kerstin AltendorfPressesprecherin für Nachhaltigkeit im Finanzsystem, Volkswirtschaft und Kapitalmärkte