Wie schaffen wir den Aufbruch aus der Corona-Pandemie in eine digitale und nachhaltige Wirtschaft und mit einem starken Europa?
Der 22. Deutsche Bankentag wurde mit einer Rede von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eröffnet. Die aus Berlin übertragene virtuelle Veranstaltung haben in der Spitze mehr als tausend Teilnehmerinnen und Teilnehmer an ihren Bildschirmen verfolgt. Neben dem Bundespräsidenten sprachen und diskutierten auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Finanzminister und Vize-Kanzler Olaf Scholz, BDI-Präsident Siegfried Russwurm sowie Ola Källenius, Vorstandsvorsitzender von Daimler. Außer namhaften Führungspersönlichkeiten aus der Bankenwelt nahmen mit der spanischen Wirtschaftsministerin Nadia Calvino, dem Ministerpräsidenten und CDU-Vorsitzenden, Armin Laschet, dem Fraktionsvorsitzenden der Grünen im Bundestag, Toni Hofreiter, sowie dem Vorsitzenden der FDP, Christian Lindner, auch eine Reihe weiterer politischer Spitzenvertreter an den Panel-Runden teil. Diese wurden – wie die gesamte Veranstaltung – von der Journalistin Tanit Koch moderiert.
„Der Finanzsektor insgesamt hat sich seit Ausbruch der Pandemie als stabil erwiesen. Ich sehe nicht, dass sich daran irgendetwas ändern wird. Es zahlt sich aus, dass die Institute ihr Eigenkapital in den vergangenen Jahren deutlich erhöht haben“, sagte der noch amtierende Bankenpräsident Hans-Walter Peters, Verwaltungsrats¬vorsitzender der Privatbank Berenberg. Peters übergibt sein Amt zum 1. Juli an Christian Sewing, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank. Mit Blick auf die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie sicherte Sewing die Unterstützung der Banken zu. „Uns Banken kommt eine zentrale Rolle zu. Wir sind der Transmissionsriemen zwischen Finanzmärkten und Unternehmen, wir kanalisieren Investitionen.“
Impuls des designierten Bankenpräsidenten Christian Sewing
Für einen wirtschaftlichen Aufbruch in Deutschland und Europa braucht es laut Sewing vier Hebel: Erstens sollten Europas Regierungen öffentliche Investitionen stärken. „Wir sollten der Versuchung kurzfristiger Effekte nicht erliegen, sondern einen erheblichen Teil der europäischen Rettungspakete langfristig investieren“, sagte Sewing. Zweitens brauche Europa eine breitere Basis für die Finanzierung von Investitionen, einschließlich mehr Wagniskapital für junge Unternehmen. Dafür sei die europäische Kapitalmarktunion unverzichtbar, damit es nicht 27 unterschiedliche Spielregeln für ein und dasselbe Produkt gebe. Ohne einen funktionierenden Kapitalmarkt in Europa bleibe die digitale und nachhaltige Transformation "Stückwerk". Drittens sei ein Schulterschluss von privater und öffentlicher Finanzierung notwendig. Das betreffe Investitionen in Schlüsselindustrien, die entscheidend für den künftigen Erfolg der Wirtschaft sein werden – etwa bei Infrastruktur, Mobilität oder grünen Technologien. „Hier sollten staatliche Förderprogramme noch stärker darauf ausgerichtet sein, private Investitionen zu mobilisieren“, betonte Sewing. Viertens schließlich müsse sich Europa „vom Kontinent der Selbstzweifel zu einem Kontinent der Selbstbehauptung entwickeln“. Deutschland und Europa würden die Krise augenblicklich zu langsam hinter sich lassen. Es müssten nun strukturelle Reformen angepackt und eine Investitionsoffensive in Digitalisierung, wichtige Zukunftstechnologien wie Künstliche Intelligenz und eine nachhaltige Wirtschaft angestoßen werden.
Die Banken stünden bereit, diesen Kurs zu unterstützen und der europäischen Volkswirtschaft sowie der Gesellschaft als Ganzes zu dienen. Dafür bedürfe es eines funktionierenden Bankensystems, das den Kunden im Heimatmarkt zur Seite steht und gleichzeitig Exporteure in die Welt begleiten kann. „Das heißt: Wir brauchen solide regionale Banken, aber auch internationale Großbanken in Deutschland, um diese Rolle auszufüllen.“
Bundespräsident Steinmeier: Zurückgewonnenes Vertrauen bewahren
Aus Schloss Bellevue zugeschaltet sprach Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier über die Bedeutung der Banken und des Finanzsystems während der Pandemie und darüber, warum Vertrauen so wichtig ist: „Vertrauen“, sagte er, „ist eine Grundvoraussetzung, es ist die wichtigste Währung. Das merken wir besonders in Krisenzeiten – in der Politik ebenso wie in der Finanzwirtschaft.“ Die globale Finanzkrise 2008 habe noch viele Jahre wirtschaftliche Erschütterungen nach sich gezogen. Trotzdem wurden diese Herausforderungen gemeinsam gemeistert. So konnte Vertrauen in den vergangenen zehn Jahren im Finanzsektor wiederaufgebaut werden, betonte der Bundespräsident: „Dieses Vertrauen sollte gehütet und gepflegt werden, denn es ist das Fundament für die Stabilität unserer Währung und unseres Finanzsystems.“ Die Fälle Wirecard und Greensill seien hingegen eine Gefahr für dieses zurückgewonnene Vertrauen.
Eigene digitale Währung gegen die Macht von Tech-Giganten
Mit Blick auf die nachhaltige Entwicklung sprach der Bundespräsident den Banken eine wichtige Rolle im Kampf gegen den Klimawandel zu. Denn allein mit öffentlichen Mitteln sei der gewaltige Investitionsbedarf nicht zu decken. Auch das Thema digitale Währung war Steinmeier wichtig: Dafür brauche es wiederum Vertrauen der Kunden und Entdeckergeist bei den Banken. Der digitale Euro könnte vermeiden, dass der europäische Zahlungsverkehr „von Tech-Giganten beherrscht wird, die zum Beispiel Kunstwährungen anbieten und nicht in den europäischen Regulierungsrahmen fallen. Und er könnte verhindern, dass Konsumenten marktbeherrschenden Anbietern ausgesetzt sind“. Der Bundespräsident beendete seine Rede mit den Worten: „Nicht Banknoten, nicht Bitcoins - nein, Vertrauen ist die eigentliche Währung.“
EU-Präsidentin Von der Leyen: Die deutschen Banken sind robust
Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, dankte in ihrer Rede den Banken für ihren Einsatz im Kampf gegen die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise: „Sie haben in den vergangenen Monaten verlässlich an der Seite unserer Unternehmen gestanden, Sie haben in der Krise Rückzahlungen gestreckt und mit Liquidität geholfen.“
Die Pandemie habe zur schwersten Wirtschaftskrise in der Geschichte der Bundesrepublik und der Europäischen Union geführt, so die Präsidentin der EU-Kommission. Erst 2022 könne voraussichtlich wieder das Bruttoinlandsprodukt von 2019 erreicht werden. „In der Krise haben sich die deutschen Banken aber als ziemlich robust erwiesen“, sagte sie, wozu auch die nach der Finanzkrise eingeführten Eigenkapitalregeln beigetragen hätten. An der Absicht, die noch strengeren Vorgaben zu Basel III umzusetzen, habe die Verschiebung ihrer Einführung um ein Jahr nichts geändert. Spätestens im Herbst, so von der Leyen, komme ein Gesetzesvorschlag. Allerdings würde darin die Lage nach mehr als einem Jahr Krise berücksichtigt werden. Insbesondere sei sicherzustellen, dass die Kreditvergabe an mittelständische Unternehmen attraktiv bleibe, die Bürokratieanforderungen gerade die kleineren Banken nicht übermäßig belasteten und im internationalen Vergleich faire Bedingungen herrschten.
1,8 Billionen Euro für Europas Zukunft
„Banken und die Finanzbranche insgesamt sind ein wichtiger Motor auf unserem Weg in eine digitale und eine grünere Zukunft“, sagt die Kommissionspräsidentin. 1,8 Billionen Euro sollen in die Zukunft Europas investiert werden. Das Ziel sei es, Europa digitaler, nachhaltiger und widerstandsfähiger zu machen. Vor allem ein digitales Finanzwesen stehe im Fokus. Ohne Onlinebanking sei unsere Welt heute gar nicht mehr vorstellbar. „Europas digitale Souveränität beginnt bei der Sicherheit jedes einzelnen Kontos und sie reicht bis zum digitalen Euro“, betonte von der Leyen. Daran werde gemeinsam mit der Europäischen Zentralbank gearbeitet, um die Zukunft des Euro nicht allein „datenhungrigen Technologieunternehmen“ zu überlassen.
Von der Leyen bekundete ihre Absicht, mit einem Finanzsektor, der bei der Digitalisierung eine Vorreiterrolle einnehme und den grünen Umbau der Wirtschaft mit Kreativität und Krediten unterstütze, eng zusammenzuarbeiten: „All das bringt unsere Banken nach Jahren der Kritik zurück ins Zentrum unserer Gesellschaft. Wir investieren gemeinsam in langfristige Werte und wir hinterlassen unseren Kindern eine bessere Welt."
Aufbruch in eine nachhaltige Wirtschaft
Das erste Panel stand unter dem Titel „Aufbruch in eine nachhaltige Wirtschaft“. Die Diskutanten, Grünen-Fraktionschef Toni Hofreiter, BDI-Präsident Siegfried Russwurm und Spitzenbankerin Carola Gräfin von Schmettow zeigten sich übereinstimmend von der Notwendigkeit einer Nachhaltigkeitswende überzeugt.
„Wir müssen aufzeigen“, sagte Hofreiter, „dass es gelingen kann, die Industrie hier stark zu halten und gleichzeitig CO2-frei zu werden.“ Es seien noch hohe Hürden zu überwinden. Dass erst 15 Prozent der Energie aus erneuerbaren Quellen stamme, zeige wie groß der Ausbaubedarf sei – auch international: „Einem CO2-Molekül ist es ziemlich egal, ob es in Deutschland, Europa oder China freigesetzt wird.“ Mit Blick auf die Unternehmen betonte Hofreiter, wie wichtig es für diese sei, Investitionssicherheit zu schaffen. „Wir sind auch sofort dabei, den Regulierungsbereich zu entrümpeln und dafür auf kürzere und effizientere Regulierung zu setzen“, meinte er mit Blick auf eine mögliche Regierungsbeteiligung nach den kommenden Bundestagswahlen im Herbst.
Auch für Russwurm geht am nachhaltigen Wirtschaften kein Weg vorbei: „Wir haben keine zweite Erde als Backup. Das geht nur mit der Industrie zusammen.“ Gleichzeitig warnte er aber auch davor, mit dem Detailierungsgrad von Berichtsvorschriften und der Taxonomie-Verordnung zu überziehen: „Unternehmerisches Handeln ist immer Entscheiden in Unsicherheiten. Eine zu detaillierte Dokumentation bringt lediglich eine Scheinsicherheit.“ Und einfach nur die Anforderungslatte höher zu hängen, könne auch keine Lösung sein. „Wir müssen uns ehrlich machen“, meinte er, „und klären, was in welchen Zeiträumen und auf welche Weise möglich ist.“
Carola Gräfin von Schmettow forderte klare globale Regelungen für Banken in Sachen Nachhaltigkeits-Finanzierung: „Damit wir entscheiden können, was zu finanzieren ist. Wir müssen die Transition finanzieren und das nicht nur für die großen, sondern auch für die kleineren und mittleren Unternehmen.“ An die Politik appellierte sie: „Wir brauchen keine deutschen Sonderlocken, sondern eine europäische Einheit und ordnungspolitisch klare Parameter für diesen Weg zu einer nachhaltigen Finanzierung.“
Europas Souveränität stärken
„Wir sitzen alle im gleichen Boot.“ Damit gab die spanische Wirtschaftsministerin die inhaltliche Richtung der zweiten Panelrunde zum Thema „Aufbruch zu einem souveränen Europa“ vor, in dem Bundesfinanzminister Olaf Scholz und Christian Sewing mit ihr diskutierten. Sie zeigte sich zufrieden damit, dass die Europäer mit dem Wiederaufbau-Fonds eine gemeinsame Reaktion auf die wirtschaftlichen Herausforderungen der Pandemie gefunden hätten, und lobte dabei insbesondere die deutsche Führungsrolle in Europa. „Europa kann dadurch früher als andere wieder Wachstum initiieren“, so Calvino. Solidarität sei eine kluge Antwort auf die Umstände gewesen.
„Wir geben in der Tat gemeinsam eine fiskalische Antwort, das ist auch im Vergleich zur Reaktion auf die Finanzkrise 2008/2009 eine Innovation“, stimmte Scholz ihr zu. „Wir haben eine gemeinsame Kreditaufnahme der EU, die gemeinsame Verabredung die Schulden zurückzuzahlen und die Verabredung, eigene Einnahmen zu schaffen, mit denen das finanziert werden kann.“ Auch mit Blick auf die digitale Souveränität Europas sei es letztlich wichtig, gemeinsam zu handeln und einen europäischen Markt zu schaffen, in den investiert werde.
„Wir brauchen weiterhin strenge Eigenkapitalregeln, das hat uns die Finanzkrise gelehrt“, meinte Scholz weiter. „Die Frage ist aber: Wie können wir dabei sicherstellen, dass nicht durch die Überstülpung von Regeln, Schwierigkeiten für die Finanzierung des Mittelstands entstehen.“ Wichtig, so der Minister, sei ein Mentalitätswandel in der Unternehmensfinanzierung: Künstliche Intelligenz biete großartige Möglichkeiten, genauso wie Quanten-Computing. Zudem müssten neue Regeln entstehen, die die Oligopol-Struktur bei den großen Plattformunternehmen veränderten.
Christian Sewing ging noch einen Schritt weiter und wünschte sich noch „mehr Europa": „Wenn ich über einen integrierten Heimatmarkt spreche, dann bedeutet das, dass wir auch bei einer Kapitalmarktunion enger zusammenarbeiten sollten“. Und darüber hinaus müsse über das Kartellrecht nachgedacht werden. „Viele Reformen müssen in Europa noch angestoßen werden, damit mehr Mergers passieren“, sagte er. Es werde zu Konsolidierungen kommen müssen, um Skaleneffekte zu generieren.
Aufbruch zu neuem Wachstum und Beschäftigung
„Aufbruch zu neuem Wachstum und Beschäftigung“ lautete der Titel des dritten Panels mit dem NRW-Ministerpräsidenten und CDU-Bundesvorsitzenden Armin Laschet, Daimler-CEO Ola Källenius und dem CEO der Commerzbank, Manfred Knof.
Armin Laschet konnte zwar noch keinen Hinweis darauf geben, wie die Entscheidung zur K-Frage in der Union ausgehen würde; das wurde erst in der Nacht auf heute mit der Abstimmung im CDU-Bundesvorstand für ihn entschieden. Doch zur Wirtschaftspolitik machte er klar: „Steuererhöhungen sind jetzt das falsche Signal.“ Hingegen stünden Bürokratieabbau, der Kampf gegen den Klimawandel und die Digitalisierung der Verwaltung auf der politischen Agenda. Im Wettbewerb mit Tech-Giganten schneide Deutschland und auch Europa zwar eher schlecht ab. Aber es gebe viele Stärken Deutschlands auf anderen Feldern. Zum Beispiel im Bereich der Pharma- und Gesundheitsforschung: „Wenn es in der Krise geht, auch in sechs Monaten sachgerecht zu entscheiden, warum geht das nicht auch danach?“, sagte er im Zusammenhang mit der schnellen Entwicklung von Impfstoffen in Deutschland. Die Nation könne wieder „die Apotheke der Welt“ werden und sich so im Gesundheitsbereich eine starke Stellung im europäischen Binnenmarkt erarbeiten.
Manfred Knof schilderte die Erwartungen vieler seiner Kunden: „Die Politik hat in der ersten Phase des Lockdowns rasch gehandelt. Aber jetzt wünschen sich Privatkunden und Mittelständler eine Perspektive, ein Licht am Ende des Tunnels. Die Unternehmen brauchen von der Politik eine Perspektive für Investitionen.“ Mit Blick auf sein Haus betonte Knof die Fortschritte, die während der Krise erzielt worden sind: „Wir haben jetzt ein hybrides Geschäftsmodell mit digitalen, Telefon- und persönlichen Kontakten in den Filialen.“
Ola Källenius, Vorsitzender des Vorstands von Daimler und von Mercedes Benz, lobte das Zusammenspiel von Wirtschaft und Politik im zurückliegenden Jahr: „Wir haben die Zeit genutzt, die Transformation zur Dekarbonisierung voranzutreiben. Wir haben beispielsweise beim Thema Ladeinfrastruktur viel bewegt. Jetzt gehe es darum, das umzusetzen.“ Källenius verteidigte Deutschland auch vor Kritik im Standortwettbewerb: Es sei eines der innovativsten Länder der Welt. Planungen würden mitunter zwar länger dauern, „aber bei der Umsetzung könnten wir genauso schnell sein wie andere“.
Aufbruch in ein neues globales Finanz- und Handelssystem
Das vierte Panel behandelte das Thema: „Aufbruch mit einer starken Wirtschaft in ein neues globales Finanz- und Handelssystem“. Als Diskutanten dabei: FDP-Bundes-vorsitzender Christian Lindner, der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Botschafter Wolfgang Ischinger, und Dorothee Blessing, Co-Head Investment Banking EMEA bei J. P. Morgan Securities.
Wolfgang Ischinger bemängelte, dass die Europäische Union es bisher nicht verstanden habe, in der Außenpolitik ihr politisches Veränderungs- und Beeinflussungspotenzial effektiv einzusetzen. Es sei erforderlich, dass sie künftig „mit einer Stimme“ spreche. Nur so könnte es beispielsweise zu einer europäischen China-Politik aus einem Guss kommen. „In der Handelspolitik ist die EU eine Macht“, sagte Ischinger, „nicht aber in der Außen- und Sicherheitspolitik.“ Die Europäer müssten auch verstehen lernen: „Eine der großen technologischen Herausforderungen ist, dass Daten Macht sind.“ Der grenzüberschrei¬tende Datenverkehr sei in der letzten Dekade um das Hundertzwölffache gestiegen. „Dafür gibt es bislang kein internationales Regelwerk“, so Ischinger. „Das ist die große transatlantische Aufgabe, die vor uns steht.“
Christian Lindner riet im Zusammenhang mit China und dessen Konflikt mit den USA nachdrücklich davon ab, eine nur deutsche China-Politik zu betreiben oder eine, die Deutschland zwischen China und die USA führen könnte. Äquidistanz sei in diesem Verhältnis unbedingt zu vermeiden. „Die EU muss vielmehr dringend den Austausch mit den USA intensivieren.“ Bei der weiteren Integration des europäischen Marktes werden sich erhebliche Wachstumschancen auftun, machte Lindner deutlich. Dafür brauche es auch eine starke Innovationsfähigkeit, ergänzte Dorothee Blessing: „Beim Thema Wachstumsfinanzierung ist ein Markt für Venture Capital unerlässlich. Wir sind als Europa stark, wenn wir gemeinsam vorangehen", betonte sie.
Was kommt nach Corona? Wie kann der Reformruck genutzt werden? Oder geht die Dynamik verloren? Christian Lindner dazu: „Es liegt in unserer Hand, dafür zu sorgen, dass wir die richtigen Schlüsse aus der Pandemie ziehen. Es war offenkundig eine Lebenslüge, dass wir ein gut organisiertes Gemeinwesen haben.“ Die Pandemie habe uns auch über unsere wahre wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit belehrt. Die ökonomische Dynamik sei jetzt schon in den USA und China wieder viel höher als in Deutschland und Europa. Wettbewerbsfähigkeit müsse – auch im Finanzsektor – Ziel europäischer Regulatorik sein.
Abschlussgespräch mit Ana Botín
„Wir müssen global gemeinsame Antworten finden", forderte Ana Botín, Group Executive Chair der Santander Group und Präsidentin der European Banking Federation (EBF), im Abschlussinterview mit Moderatorin Tanit Koch. Als wichtige Lehre aus der aktuellen Corona-Pandemie hält sie mehr internationale Zusammenarbeit für nötig.
Dabei unterstrich Botín die wichtige Rolle der Banken in und nach der Corona-Krise: „Wir brauchen starke Banken für eine starke wirtschaftliche Erholung." Mit der Pandemie sei eine ungeheure Beschleunigung der Digitalisierung verbunden. „Sie bedeutet für die Finanzbranche ein Paradigmenwechsel wie der Abschied von fossilen Brennstoffen in der Automobilindustrie", sagte die EBF-Präsidentin. „Wir müssen deshalb unsere gesamte Technologie verändern." Botín erwartet, dass „Finanzdienstleistungen in zehn Jahren in den gesamten Alltag integriert sein werden".
Ebenso müssten Banken die „Grüne Transformation" meistern. „Dabei sind vor allem aber die Regierungen gefragt, die weltweit klare und einheitliche Vorgaben machen müssen.“
Angesichts eines klaren Wettbewerbsvorteils der US-Banken im Vergleich zu den europäischen Geldhäusern forderte Botín einen einheitlichen Bankenmarkt in Europa. Nur so könnten die Vorteile der Economy of Scale genutzt werden. Zudem sprach sich die EBF-Präsidentin für deutliche Veränderungen bei der Regulierung der Finanzbranche aus. Wer gleiche Produkte und Dienstleistungen wie Banken anbiete, müsse auch der gleichen Regulierung unterliegen, sagte sie. Damit zielte Botín auf die noch wenig regulierten Finanzangebote großer Technologiefirmen wie Google, Amazon, Facebook oder Apple ab.
Botín zeigte sich für die Zukunft der Banken optimistisch: „Wenn es Europa gelingt, in zehn Jahren gut dazustehen, werden auch die Banken gut dastehen“, gab sie sich zum Abschluss des 22. Deutschen Bankentages überzeugt.