Klimaschutz und nachhaltiges Wirtschaften: Herausforderungen für unsere Gesellschaft
Die Rolle der privaten Banken in Deutschland
Notwendige politische Schritte
Klimaschutz und nachhaltiges Wirtschaften: Herausforderungen für unsere Gesellschaft
Die Bekämpfung des Klimawandels ist eine der drängendsten Aufgaben unserer Zeit. Verändert die Menschheit ihr gegenwärtiges Handeln nicht, steuert sie auf einen durchschnittlichen globalen Temperaturanstieg von geschätzt 3,2°C bis zum Jahr 2100 zu. [1] Ein Temperaturanstieg in dieser Höhe wäre mit dramatischen Folgen für Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft verbunden.
Langandauernde Dürreperioden in Mitteleuropa, an Häufigkeit und Stärke zunehmende Wirbelstürme in der Karibik, ausgedehnte Brände in der sibirischen Tundra – diese und andere Phänomene der jüngeren Zeit führen anschaulich vor Augen, wie sich der Klimawandel schon heute auf die Umwelt auswirkt. Und damit auch auf Wirtschaft und Gesellschaft: Ein steigender Meeresspiegel bedroht zum Beispiel die innovativen und aufstrebenden Küstenregionen. Durch die Klimaveränderungen zeichnen sich schon jetzt Verteilungskämpfe um wichtige Ressourcen wie Wasser ab; gesellschaftliche Spannungen dürften künftig zunehmen. Deshalb gilt: Wollen wir unser Leben so fortsetzen, wie wir es kennen, müssen wir das Pariser Klimaabkommen erfüllen, aber auch einen messbaren Beitrag zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (Sustainable Development Goals, SDGs) leisten.
Mit Blick auf diese SDGs dürfen wir beim Klimaschutz nicht stehenbleiben, sondern müssen weitere Kriterien aus dem Umweltschutz wie Biodiversität oder Müllvermeidung im Blick behalten. Auch die Aspekte des sozialen Ausgleichs, der Schutz der Menschenrechte und die nachhaltige Unternehmensführung gehören verstärkt in den Fokus.
Mit diesem Positionspapier wird die Rolle der privaten Banken bei Sustainable Finance, insbesondere jedoch beim Thema Klimaschutz beleuchtet. Es soll aufgezeigt werden, wo die Branche steht, welche großen Herausforderungen existieren und was sich die privaten Banken für die Zukunft vornehmen.
Unter seinen Mitgliedern hat der Bankenverband im Sommer dieses Jahres eine umfangreiche Umfrage durchgeführt. Im Kern ging es in dem Fragenkatalog darum, wie wichtig den einzelnen Banken das Thema Nachhaltigkeit ist, wo sie in der Umsetzung stehen, welche Risiken sie sehen und wie sie mit diesen Risiken umgehen. Wesentliche Ergebnisse aus dieser Umfrage sind in dieses Papier eingeflossen.
Die Rolle der privaten Banken in Deutschland
Unter dem Dach des Bankenverbandes versammeln sich 170 Institute: von der kleinen Spezial- bis hin zur globalen Universalbank. Darüber hinaus zählen weitere Unternehmen, darunter mehrere FinTechs, zu den Mitgliedern des Bankenverbandes und bereichern mit ihrem speziellen Wissen und ihren Erfahrungen die Diskussionen in der Gremienarbeit. Diese über Jahre gewachsene und etablierte Struktur bildet eine ideale Plattform, um ein so wichtiges und allumfassendes Thema wie Sustainable Finance[2] flächendeckend in den Geschäftsstrategien und -prozessen der Unternehmen zu verankern und als Standard im Bankensektor zu etablieren.
Ein Schwerpunkt bildet dabei der Klimaschutz. Die privaten Banken in Deutschland halten es für unabdingbar, die Wirtschaft bis zum Jahr 2050 hin zu einem treibhausgasneutralen Handeln zu transformieren. Ziel muss es sein, die Erderwärmung bis 2050 dauerhaft entsprechend des Pariser Klimaschutzabkommens auf unter 2°C zu begrenzen.
Dem Finanzsektor und damit den privaten Banken kommt hierbei eine besondere Rolle zu. Sie haben sprichwörtlich einen der wichtigen Hebel in der Hand. Denn sie finanzieren die wirtschaftliche Transformation und leisten somit einen unabdingbaren Beitrag zur Erreichung der globalen und nationalen Klimaziele. Dabei orientieren sie sich – abgesehen vom Pariser Klimaabkommen – insbesondere an den Sustainable Development Goals der UN-Agenda 2030 und an den Zielvorgaben der daran anknüpfenden UN Principles for Responsible Banking.
Damit die privaten Banken dieser Schlüsselrolle gerecht werden und die angestrebten Ziele erreichen, sollen die nachfolgenden Maßnahmen umgesetzt werden.
Die private Bankenlandschaft in Deutschland zeichnet sich durch eine große Vielfalt der Geschäftsmodelle, regionalen Schwerpunkte und Eigentümerstrukturen aus. Neben global operierenden Banken gibt es auch viele mittelständische, in ihrer Region verankerte Institute mit einer oftmals langen Unternehmenstradition, die sich in einer besonderen Verantwortung für ihre Geschäftsregion sehen. International ausgerichtete Häuser haben ein anderes Leistungsspektrum – aber von den Themen Nachhaltigkeit und Klimawandel sind auf die eine oder andere Weise alle Banken betroffen.
Von der privaten Kreditwirtschaft insgesamt sind in den vergangenen Jahren zahlreiche wichtige Impulse zum Klimaschutz ausgegangen. Mitgliedsbanken haben sich frühzeitig bei internationalen Initiativen eingebracht, zum Beispiel bei der Ausgestaltung der UN Principles for Responsible Banking, und nehmen so eine Vorreiterrolle ein. Von dieser Expertise und der internationalen Ausrichtung vieler Mitgliedsinstitute kann der Bankenverband profitieren und dadurch auf Erfahrungen aus anderen Ländern zurückgreifen. Das Anliegen des Bankenverbandes ist es, diese Aktivitäten mit Blick auf den Klimaschutz und die Umsetzung von Nachhaltigkeitskriterien noch stärker miteinander zu verzahnen und aufeinander abzustimmen.
Der Bankenverband hat in den vergangenen Jahren bereits wichtige Schritte in die Wege geleitet, um die Bedeutung des Themas Nachhaltigkeit bei seinen Mitgliedern zu verankern. Mit der Gründung von internen Fachgremien sowie von Arbeitsgruppen auf europäischer Ebene im Rahmen der European Banking Federation (EBF) und der International Banking Federation (IBFed) hat der Bankenverband sichergestellt, dass die wichtigsten Entwicklungen zur Nachhaltigkeit im Allgemeinen und zum Klimaschutz im Besonderen von den Banken nachvollzogen und berücksichtigt werden können.
Damit ist Nachhaltigkeit stärker in den Fokus aller Mitgliedsbanken gerückt. Hierzu beigetragen hat zweifellos auch die Umsetzung der CSR-Richtlinie in deutsches Recht. Dieses Gesetz verpflichtet Kreditinstitute ab einer Größe von 500 Mitarbeitern,
nichtfinanzielle Erklärungen abzugeben und unter anderem über Umweltbelange zu berichten. Dies hat in den Häusern das Bewusstsein für die Bedeutung des Themas weiter geschärft.
Der Bankenverband ist sich darüber im Klaren, dass dies nur erste Schritte sein können. Um das Bewusstsein für das Thema weiter zu erhöhen und letztlich alle Mitgliedsinstitute von der Relevanz des Themas zu überzeugen, wird Sustainable Finance zukünftig noch stärker als bisher auf die Agenda der wesentlichen Verbandsgremien gesetzt. Gleiches gilt für die Informationsplattformen, die sich an die mittelständischen Banken und Auslandsinstitute in den Reihen des Bankenverbandes richten.
Angesichts des breiten gesellschaftlichen Konsenses über die Notwendigkeit von schnellen Klimaschutzmaßnahmen und des damit einhergehenden Handlungsdrucks kann es sich die Finanzwirtschaft nicht leisten, auf weitere regulatorische Schritte zu warten. Daher appelliert der Bankenverband an seine Mitglieder, schon jetzt aktiv zu werden. Ohnehin sollte Regulierung auf diesem Gebiet nicht als Gefahr, sondern als Ansporn verstanden werden, mit guten Ideen zu den „First Movern“ zu gehören.
Sustainable Finance und damit die Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen ist zu weiten Teilen ein relativ neues Themenfeld mit einer Vielzahl offener, oft auch drängender Fragen an Politik, Regulierer, Nichtregierungsorganisationen und natürlich Kreditinstitute. Hier sollte die Devise lauten, trotz des bestehenden Wettbewerbs gemeinsam an einem Strang zu ziehen, um eine Operationalisierung der sich andeutenden Rahmenbedingungen zeitnah sicherstellen und institutsübergreifend ein gemeinsames Marktverständnis schaffen zu können. Die geplante Typologie für nachhaltige Finanzinstrumente, die gemeinsam von Deutscher Kreditwirtschaft, Bundesverband Investment und Asset Management (BVI) und Deutscher Derivate Verband (DDV) entwickelt wird, ist hier ein erster Schritt.
Darüber hinaus werden die privaten Banken verstärkt Lösungsansätze zu Teilaspekten der Klimaschutzfinanzierung an die Regulatoren übermitteln und den Dialog suchen. Es kommt darauf an, möglichst alle privaten Banken auf diesen Weg mitzunehmen sowie insbesondere die kleinen und mittelgroßen Häuser hierbei zu unterstützen.
Daher baut der Bankenverband sein Informationsangebot für die Mitgliedsinstitute aus: Neben bewährten Veranstaltungsformaten wie dem Kommunikationsforum Mittelständische Banken und dem Erfahrungsaustausch für mittelständische Institute sind neue Seminarangebote im Rahmen der Bankenakademie in Planung.
Darüber hinaus entwickelt der Bankenverband mit seinen Mitgliedern für den Bereich Klimaschutz/ Sustainable Finance verstärkt praktische Umsetzungshilfen und Auslegungshinweise. Das unterstützt aktiv die Entwicklung einer Good Practice.
Die Kunden haben ein großes Interesse am Thema Klimaschutz, das belegt eine Vielzahl von Umfragen. Trotz dieses großen Interesses ist die Unsicherheit groß, wie Kunden ihr Geld am besten in Klimaschutzprojekte anlegen können und wo mögliche Risiken liegen. Den privaten Banken ist es daher wichtig, die Kunden mit geeigneten Informationen rund um das Thema Klimaschutz vertraut zu machen: sei es bei der Aktienanlage, bei der Unternehmensfinanzierung oder beim privaten Immobilienerwerb.
Beraterinnen und Berater der Institute stehen ihren Kunden zur Verfügung, damit diese sich an langfristigen Trends im Klimaschutz orientieren können und zukünftig in der Lage sind, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Dies gilt insbesondere im Bereich der Unternehmensfinanzierung, wo angesichts sich wandelnder Kundennachfragen und der umfassenden Umwelt- und Klimaschutzgesetzgebung die Zukunftsfähigkeit von vielen Geschäftsmodellen auf dem Prüfstand stehen wird.
Damit die Banken diesem Beratungsansatz gerecht werden, plant der Bankenverband, das Schulungsangebot für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den privaten Banken auszubauen. Gemeinsam mit der Bankenakademie entwickelt der Verband hierfür spezielle Formate.
Ein wichtiges Anliegen ist auch die Transparenz und die Bereitstellung von Grundlagenwissen für die breite Öffentlichkeit. Der Bankenverband engagiert sich seit vielen Jahren bei der Vertiefung von Wirtschaftskenntnissen von Schülerinnen und Schülern. Im Rahmen dieses Engagements soll das Thema „Klimaschutz und Nachhaltigkeit“ noch stärker berücksichtigt werden.
Mit Blick auf die bereits abgeschlossenen beziehungsweise noch laufenden europäischen und nationalen Klimaschutz-Gesetzgebungsverfahren wird die Nachfrage insbesondere von passgenauen Produkten zur Finanzierung von Transformationsprozessen in Unternehmen weiter stark zunehmen. Schon heute bieten die privaten Banken eine breite Produktpalette an, die von Sustainability-linked Loans über Green Bonds und grünen Schuldscheinen bis hin zu nachhaltig gemanagten Fonds reicht.
Die privaten Banken entwickeln ihr bestehendes Angebot stetig weiter und konzipieren Produkte, die es den Kunden ermöglichen, die Transformationsprozesse nicht nur zu überstehen, sondern gestärkt aus diesen hervorzugehen.
Bei der Vergabe von Krediten spielten CO₂-Emissionen in der Vergangenheit keine große Rolle, entsprechend dünn ist die Datenlage gerade bei kleinen und mittleren Unternehmen. Aus diesem Grund arbeiten die privaten Banken inzwischen mit Hochdruck daran, den Klimaeffekt, der von den Geschäften ihrer Kunden ausgeht, besser zu verstehen.
In einem ersten Schritt müssen im Kredit- und Handelsgeschäft Portfolien nach Branchen segmentiert werden. Damit können sich die Häuser auf die Sektoren fokussieren, die den größten Beitrag zum CO2-Emissionsvolumen leisten (z. B. Energiewirtschaft, verarbeitendes Gewerbe, Verkehr und Mobilität, Gebäudewirtschaft). Einige private Banken sind schon heute in der Lage, mithilfe von Modellen den CO2-Fußabdruck ihrer Kunden zu bestimmen. Andere wiederum befinden sich noch in der Auswahlphase für geeignete Modelle. Unser Anspruch ist es, dass die Messung der CO2-Emissionen, die mit einer kreditfinanzierten Aktivität verbunden sind, Standard bei allen unseren Mitgliedsbanken ist. Dabei sollten die Prinzipien „Wesentlichkeit“ und „Proportionalität“ tragende Grundsätze sein.
Auf Basis dieser Ergebnisse können die Institute in einem zweiten Schritt Vorgaben für ihr (Neu-)Geschäft definieren, um so ihre Portfolien auf die Erreichung des 2°C-Ziels des Pariser Klimaschutzabkommens auszurichten. Diese sollten sich in der Geschäfts- und Risikostrategie eines Institutes grundsätzlich widerspiegeln.
Unterstützend setzen die Institute bereits heute diverse Maßnahmen um. Einige schließen die Finanzierung bestimmter Branchen komplett aus, andere setzen sich feste und gegebenenfalls zeitlich gestaffelte Obergrenzen für das Finanzierungsvolumen bestimmter Branchen. Hier gibt es keinen Königsweg: Finanzierungen für ein klimaschädliches Zementwerk bereitzustellen, um dessen Effizienz zu steigern, kann wirkungsvoller sein, als die Finanzierung zu verweigern.
Den privaten Banken ist es wichtig, mit ihren Kunden über das Thema Nachhaltigkeit zu sprechen. Bei einigen Häusern ist es mittlerweile Standard, das sogenannte ESG-Rating[3], sofern es beim Kunden vorhanden ist, zu erörtern.
Nachhaltigkeit muss ein fester Bestandteil des Kundengesprächs werden und Banken sollen in der Lage sein, konkrete Unterstützung und Beratung anbieten zu können. Das gilt für das Kreditgeschäft, aber auch für die Anlageberatung.
Die privaten Banken bieten eine Vielzahl von Anlageprodukten an, die auf Nachhaltigkeit ausgerichtet sind. Sie glauben fest daran, dass Kunden guten (Ge-)Wissens entscheiden wollen, wie sie investieren, das zeigt die stetig wachsende Nachfrage nach nachhaltigen Anlageprodukten. Deswegen wirbt der Bankenverband bei den Mitgliedsinstituten dafür, nachhaltige Anlageprodukte aktiv anzubieten und die Kunden im Anlagegeschäft für dieses Thema entsprechend zu sensibilisieren und sie zu beraten.
Der Anspruch, den Banken an ihre Kunden stellen, soll auch für sie selbst gelten: Viele Häuser orientieren sich schon heute an den Principles for Responsible Investment (PRI) beim Investment in Aktien und Anleihen.
Die privaten Banken haben beim Management von Risiken einen hohen Anspruch: Risiken müssen richtig gemessen, Wesentliches von Unwesentlichem unterschieden und damit aussagekräftige Entscheidungsgrundlagen für das Management vorbereitet werden. Das bedingt, dass alle Risiken, die für ein Institut relevant sind, angemessen berücksichtigt werden. Klimarisiken wirken dabei als Risikotreiber auf die wesentlichen Risikoarten (z. B. Kreditrisiken, Marktpreisrisiken und Operationelle Risiken).
Im Vergleich zu gut modellierbaren Risiken, wie zum Beispiel den Kreditrisiken, stellen Klimarisiken die Finanzindustrie vor eine besondere Herausforderung: Während in der Wissenschaft weitestgehend Konsens darüber besteht, welche schwerwiegenden Folgen die Erderwärmung auf das Ökosystem als Ganzes hat, sind die konkreten wirtschaftlichen Folgen für Unternehmen und Privatkunden derzeit nur sehr schwer zu prognostizieren. Zudem ist der Zeitraum, in dem die Risiken eintreten, nach den Maßstäben des Risikomanagements sehr lang.
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und die Europäische Zentralbank (EZB) haben mit ihren Leitfäden zur Behandlung von Klimarisiken bereits wertvolle Impulse gegeben und die richtigen Fragen aufgeworfen. Konkrete Lösungen bieten sie allerdings noch nicht an. Genau an diesen Lösungen arbeiten die privaten Banken aktuell und zukünftig.
Private Banken haben damit begonnen, den CO2-Fußabdruck ihrer Kundenportfolien zu bestimmen (s.o.). In einem nächsten Schritt geht es darum, abzuschätzen, wie sich der Klimawandel auf die einzelnen Branchen auswirkt. Hierfür gilt es, gute und plausible Szenarien zu entwickeln, die Aussagen zur Veränderung der Bonität eines Kunden und damit zu seinem Ausfallrisiko möglich machen. Es ist jedoch alles andere als trivial, einen möglichen Zusammenhang aus CO2-Emissionen und Ausfallwahrscheinlichkeit so zu beschreiben, dass brauchbare Ergebnisse für die Steuerung einer Bank generiert werden.
Der Bankenverband setzt sich im Dialog mit Regelsetzern und Aufsichtsbehörden dafür ein, dass das Risikomanagement weiterhin höchsten Standards entspricht, zugleich aber neue Entwicklungen im Bereich Klimarisiken angemessen abbildet. Gesucht sind praktikable Lösungen, jedoch keine Schnellschüsse.
Darüber hinaus stellt der Bankenverband eine Plattform für seine Mitgliedsinstitute bereit, um einen Austausch über die vielen methodischen Fragestellungen und eine sachgerechte Umsetzung der Erwartungen von EZB und BaFin zu ermöglichen.
Die Sustainable Development Goals der UN-Agenda 2030[4];stellen eine wichtige Richtschnur für die privaten Banken dar, um die Entwicklung einer nachhaltig agierenden Wirtschaft aktiv und effizient begleiten zu können. Zwar liegt das Augenmerk derzeit auf der Eindämmung des Klimawandels sowie den damit verbundenen Auswirkungen. Doch das Verständnis von Nachhaltigkeit ist nicht nur auf die Bewältigung der Folgen des Klimawandels und anderer ökologischer Probleme begrenzt.
Aspekte des sozialen Ausgleichs, der Schutz der Menschenrechte und eine nachhaltige Unternehmensführung nehmen einen immer größer werdenden Raum in der Arbeit der Banken ein. Die 17 SDGs mit ihren 169 Unterzielen helfen dabei, diesen Ansatz mit konkreten Kennzahlen zu unterlegen und für die Öffentlichkeit nachprüfbar zu machen.
Aus diesem Grund sollten sich die Mitgliedsinstitute des Bankenverbandes mit den SDGs und ihren Unterzielen auseinandersetzen und diese bei ihren Aktivitäten berücksichtigen. Es ist klar, dass dieser Prozess erst am Anfang steht. Aufgrund der vielfältigen Geschäftsmodelle, Größenklassen und regionalen Schwerpunkte der Mitgliedsunternehmen wird hier langfristig nur ein schrittweiser Ansatz erfolgreich sein, der die Unterschiede der einzelnen Häuser und ihre internen Kapazitäten berücksichtigt.
Ziel der privaten Banken ist es, auf Basis einer umfangreichen Analyse jene Aktivitäten im Kerngeschäft zu identifizieren, bei denen sie durch ihr Handeln die größten Fortschritte auf dem Weg zu einer treibhausgasneutralen Wirtschaft erzielen können.
Des Weiteren wird der Bankenverband darüber berichten, welche regulatorischen Schritte von Seiten der Gesetzgeber und Aufsichtsbehörden aus seiner Sicht notwendig sind, um die Effektivität bestehender oder die Einführung neuer Maßnahmen zu ermöglichen. Der Bericht soll den Beitrag der privaten Banken im Sustainable-Finance-Bereich verdeutlichen und eine Grundlage für die Dialoge mit den relevanten Stakeholdern bilden. Gleichzeitig wird dieser Bericht als Wissens- und Erfahrungstransfer zwischen den privaten Banken dienen und für die Weiterentwicklung der Sustainable-Finance-Aktivitäten des Bankenverbandes herangezogen.
Grundsätzlich gilt: Der Bericht wird zusätzlich zu den bereits bestehenden Berichtsformaten einzelner Häuser erstellt und veröffentlicht. Er soll keinen Ersatz für die Einzelberichte darstellen. Der erste Bericht wird für das Jahr 2021 veröffentlicht und dann jährlich fortgeschrieben.
Notwendige politische Schritte
Damit finanzielle Mittel in ausreichendem Maße in den Klimaschutz und in die Transformation der Unternehmen fließen können, müssen die politischen Rahmenbedingungen kontinuierlich verbessert werden. Insbesondere bedarf es nachfolgender Maßnahmen.
Unterstützung von ESG-Projekten
Die öffentliche Hand sollte ESG-Projekte stärker unterstützen, zum Beispiel durch eine staatliche Risikobeteiligung. So könnte der Staat Kredite mit Nachhaltigkeitsfokus zielgerichtet über staatliche Garantien voll oder teilweise freistellen und somit das Adressenausfallrisiko übernehmen. Ein so garantierter Kredit müsste im Solvenzregime nicht mit Eigenkapital unterlegt werden. Gleichzeitig würde sich durch eine Garantie der mögliche Verlust reduzieren, so dass auch ökonomisch betrachtet in der sogenannten Säule II weniger internes Kapital vorgehalten werden müsste.
Eigenkapitalanforderungen für Banken senken
Mit dem Ziel, den Finanzsektor insgesamt stabiler und krisenfester auszugestalten, wurden die Kapitalanforderungen für europäische Banken in den letzten Jahren sowohl in Qualität als auch Quantität deutlich erhöht. Das ist einerseits gut und richtig, weil es die Stabilität des Bankensystems erhöht. Anderseits steht das hierdurch gebundene Kapital nicht für die Kreditvergabe zur Verfügung. Die Finanzierung der Energiewende ist jedoch eine Mammutaufgabe, die einen enormen Finanzierungsbedarf nach sich zieht.
Aus Sicht der privaten Banken sollte der Gesetzgeber ein klares politisches Signal senden, dass die Finanzierung nachhaltiger Investitionen und eines nachhaltigen Konsums im Fokus steht. Daher sprechen sich die privaten Banken dafür aus, die Eigenkapitalanforderungen für solche Kredite pauschal zu senken. Nachhaltige Kredite sind nicht per se risikoarm. Deshalb sollte keine Verknüpfung mit dem zugrunde liegenden Risiko eines Kredites erfolgen. Niedrige Kapitalkosten würden aber die Wirtschaftlichkeit nachhaltiger Investitionen erhöhen und damit sowohl in die Bank hinein als auch nach außen für die Vergabe solche Kredite werben. Zudem könnten dadurch die massiven Folgen durch Basel IV zielgerichtet abgemildert werden.
CO2-Bepreisung
Das Klimaschutzpaket der Bundesregierung sieht vor, die Treibhausgasemissionen im Vergleich zum Basisjahr 1990 schrittweise zu mindern, bis zum Zieljahr 2030 um mindestens 55 Prozent. In diesem Zusammenhang schafft das Brennstoffemissions-handelsgesetz die Grundlagen für den Handel mit Emissionszertifikaten und sorgt damit für eine Bepreisung der Brennstoffemissionen, soweit sie nicht vom EU-Emissionshandel (EU-ETS) erfasst sind. Dieser grundsätzlich richtige Ansatz zur CO2-Reduktion muss jedoch mittelfristig auf die europäische Ebene gehoben und hier in ein vom EU-ETS getrenntes EU-weites europäisches Handelssystem für Verkehr und Wärme eingebunden werden. Ein angemessener CO2-Preis ist von zentraler Bedeutung: Er setzt einen wirksamen Lenkungsmechanismus in Kraft, durch den sowohl Unternehmen als auch Verbraucher ihre CO2-Emissionen anpassen werden.
Datenverfügbarkeit
Deutlicher denn je tritt zutage, dass die Kreditwirtschaft bei der Bewertung von Nachhaltigkeitsaspekten auf verlässliche und aussagekräftige Daten aus der Realwirtschaft – vor allem aus CO2-intensiven Branchen – angewiesen ist, um so den Beitrag von Krediten zur Reduktion von CO2-Emissionen, aber auch die Risiken dieser Kredite richtig einschätzen zu können. Hier ist eine Verbesserung der Transparenz über CO2-Emissionen dringend erforderlich.
Dabei gilt es sicherzustellen, dass kleinere Unternehmen nicht wegen der angeforderten Detailtiefe an den Vorgaben der Datenermittlung scheitern. Eine Abschichtung der Berichtsvorgaben je nach Unternehmensgröße und Emissionsintensität sollte gewährleistet werden. Es ist besser, mit einfachen, klar definierten und standardisierten Kennzahlen zu beginnen. Das erhöht die Akzeptanz, beschleunigt die Transformation und stärkt somit die Integration von Nachhaltigkeit in Entscheidungsprozesse.
Ein Beispiel mit hohem CO2-Einsparpotenzial ist der Energiebedarf beziehungsweise der Energieverbrauch im Immobiliensektor. Leider findet aber eine zielgerechte Erfassung und Zurverfügungstellung der notwendigen Daten bisher nicht statt. Dies hat unter anderem zur Folge, dass in der Immobilienfinanzierung nicht systematisch auf die obligatorisch zu erstellenden Energieausweise zugegriffen werden kann. Hier würde sich – wie in einigen EU-Ländern bereits vorhanden – eine online verfügbare zentrale Datenbank für Energieausweise anbieten. Insgesamt wäre es am effizientesten, Nachhaltigkeits-informationen, die für eine Vielzahl von Adressaten relevant sind, auf EU-Ebene zentral in einem Datenregister zur Verfügung zu stellen.
Zur Beurteilung der physischen Risiken werden aussagekräftige Landkarten mit den einzelnen Naturgefahren benötigt. Diese sind bei dem vom Bund finanzierten GIS-Immo Risk Naturgefahren vorhanden und sollten der Kreditwirtschaft und den Wirtschaftsunternehmen kostenfrei zur Verfügung gestellt werden.
Nachhaltigkeitsdefinition
Über die sogenannte Taxonomie sollen Investoren und Unternehmen in die Lage versetzt werden, fundierte Investitionsentscheidungen über ökologisch nachhaltige Aktivitäten zu treffen. Um als nachhaltig zu gelten, müssen Wirtschaftsaktivitäten dabei wesentlich mindestens zu einem von sechs Umweltzielen beitragen. Die Taxonomie wurde primär für Zwecke des Kapitalmarktes entwickelt. Eine Anwendung auf das Kreditgeschäft von Banken ist damit nicht ohne weiteres möglich.
Die Kreditwirtschaft braucht aber klare und verlässliche Vorgaben, was als nachhaltig einzustufen ist. Deshalb muss die Taxonomie schlank und praktikabel ausgestaltet sein. Es muss erkennbar sein, mit welchen Daten und Informationen die Nachhaltigkeitskriterien erfüllt werden können.
Von der Idee einer „braunen Taxonomie“, also einer Klassifizierung von nicht ökologisch nachhaltigen Aktivitäten, sollte abgesehen werden. Es ist schon ambitioniert genug, eine „grüne Taxonomie“ auszugestalten und anzuwenden. Eine „braune Taxonomie“ würde die Komplexität nochmals deutlich erhöhen und falsche Signale bei der Transformation senden.
Digitalisierung
Die Politik muss die Digitalisierung stärker vorantreiben. Innovationen im Bereich Nachhaltigkeit werden nur gelingen, wenn hierfür eine resiliente IT-Infrastruktur und ein praktikables regulatorisches Rahmenwerk zur Verfügung stehen. Die existierenden Förderprogramme im Bereich der digitalen Infrastruktur, die den flächendeckenden Ausbau von Glasfasernetzen in Deutschland unterstützen sollen, gilt es daher noch attraktiver zu gestalten, gegebenenfalls durch eine teilweise Haftungsfreistellung der beteiligten Finanzierungspartner.
[1] Climate Action Tracker, Dezember 2019.
[2] Sustainable Finance meint die Etablierung einer auf Nachhaltigkeit basierenden Finanzwirtschaft.
[3] ESG: Environmental, Social and Governance.
[4] Informationen hierzu auch unter www.17ziele.de.