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2021: Transformation der Wirtschaft finanzieren!

04.12.2020Artikel
Dr. Hendrik Hartenstein
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Die Banken haben eine wichtige Rolle gespielt, den Unternehmen im Krisenjahr 2020 mit Liquidität zur Seite zu stehen. Vielleicht noch wichtiger wird nun es sein, dass sie ihnen im kommenden Jahr das notwendige Kapital für den Aufschwung bereitstellen. Dieser muss genutzt werden, um in puncto digitaler und nachhaltiger Transformation große Schritte voranzukommen, droht ansonsten doch die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft empfindlich zu leiden. Notwendig sind vor allem richtige Rahmenbedingungen, unter anderem in der Förder- und Steuerpolitik. 

Corona und die deutsche Wirtschaft

Ein Blick zurück: Der Anteil der Fremdfinanzierung – das heißt vor allem der Bankkredite – ist im deutschen Mittelstand seit vielen Jahren rückläufig, wohingegen die Eigenkapitalquote der Unternehmen seit zwei Jahrzehnten nahezu stetig gestiegen ist. Folglich sind die Unternehmen mit hohen Eigenkapitalquoten und zudem günstigen Fremdfinanzie­rungs­konditionen in die Corona-Krise gestartet. Der durch Lockdown und Wirtschaftseinbruch massiv gestiegene Liquiditätsbedarf konnte mit Hilfe von Bankkrediten und Förderprogrammen weitgehend gedeckt werden. Bei kapitalmarktaktiven Unternehmen waren auch Anleihen eine sehr wichtige Stütze. Insgesamt konnte die deutsche Wirtschaft daher die bisherigen Einbrüche gut abfedern.

Die Kredite dienten allerdings entweder nur der vorübergehenden Absicherung oder sie wurden genutzt, um ausgefallene Umsätze auszugleichen, in Investitionen ist das Geld meistens nicht geflossen. Der Verschuldungsgrad und damit der Kapitaldienst sind also gestiegen, ohne dass hiermit neue Erträge verbunden wären. Hinzu kommt: Durch den neuerlichen Teil-Lockdown werden die nächsten Monate für einen Teil der Unternehmen zu einer weiteren Belastungsprobe. Ihre Solvenz gerät zunehmend in den Fokus und unter Druck.

Allerdings ist ein Ende bzw. eine Kontrolle der Pandemie im weiteren Verlauf des kommenden Jahres in Sicht. Daher müssen nun die strukturellen Herausforderungen der deutschen und europäischen Wirtschaft wieder stärker in den Blick geraten, vor allem die Transformation in eine nachhaltige und digitale Wirtschaft, die global wettbewerbsfähig bleibt.

Finanzierung: mehrere Stellschrauben drehen

Insbesondere mittelständische Firmen verfügen nicht immer über ausreichend Eigenkapital, um die Finanzierung erforderlicher Investitionen stemmen zu können. Die staatlichen Rahmenbedingungen und Hilfsprogramme müssen daher zügig wieder darauf ausgerichtet werden, zukunftsfähige Projekte und Unternehmen zu mobilisieren und zu unterstützen. Mit der Vermeidung von Insolvenzen ist die Transformation nicht zu bewerkstelligen. Es sollte nicht so sein, dass nun aus Unsicherheit die (teilweise bilanziell geschwächten) Unternehmen die notwendigen Investitionen weiter zurückstellen. Dadurch würde wertvolle Zeit verloren gehen.

Zur Finanzierung dieser Herausforderung müssen mehrere Stellschrauben sinnvoll ausgerichtet werden: Zunächst sind die richtigen Rahmenbedingungen in Finanzmarktregulierung und -aufsicht erforderlich. Zudem muss die europäische Kapitalmarktunion entschieden vorangetrieben werden, damit nicht nur das erforderliche Fremdkapital, sondern auch das dringend benötigte Eigenkapital – grenz­überschreitend – mobilisiert werden kann. Im Folgenden möchte ich das Augenmerk aber auf die Förderpolitik und auf die steuerlichen Anreize legen.

Risikoteilung zwischen Bank und Förderbank

Was ist hier zu tun? Zumindest übergangsweise wäre es gut und sinnvoll, wenn der Baustein „Risikoteilung“ (durch anteilige Haftungsfreistellung oder Nachrangkapital) zwischen Bank und Förderbank stärker als Option genutzt würde, um mit einer sinnvollen Kombination von privatem und öffentlichem Kapital transformative Investitionen von Unternehmen zu fördern. Je größer das Transformationsrisiko für das Unternehmen (und damit für den Finanzierer), desto höher sollte die optionale Risikobeteiligung der Förderbank ausfallen. Wie auch „vor Corona“ üblich, sollte die optionale Haftungsfreistellung nicht mit weiteren Auflagen (wie aktuell im KfW-Sonderprogramm) verknüpft sein. Sinnvoll wäre hier ein neues KfW-Programm „Transformation Deutschland“, das auf diese Weise gezielt Investitionen in Schlüsseltechnologien und Nachhaltigkeit fördert, beispielsweise in grünen Wasserstoff oder autonomes Fahren. Das Programm sollte ohne Beschränkung der Umsatzgröße konzipiert sein, denn es sind gerade auch die größeren Mittelständler, die dringend einen tiefgreifenden Transformations­prozess bewältigen müssen.

Gleichzeitig empfiehlt es sich, die Programmvielfalt zugunsten einer größeren Flexibilität innerhalb der Programme zu reduzieren. Durch das weiterhin hohe Eigenrisiko der durchleitenden Bank ist sichergestellt, dass auch bei dieser Art von Finanzierung die marktwirtschaftlichen Anreize fortbestehen und Fehlallokationen vermieden werden. In diesem Kontext sollte auch der Ausbau des Venture-Capital-Angebots der Förder­institutionen angestrebt werden, es sollten mehr und auch großvolumigere Projekte finanziert werden können. Schließlich gilt es, aus den positiven wie negativen Erfahrungen der vergangenen Monate Schlüsse zu ziehen, um die Effizienz der Förderprozesse zu verbessern (insbesondere schlankere Prozesse, Beibehaltung und Ausbau der administrativen Vereinfachung, Doppelprüfung erst ab gewissen Größenklassen, Digitalisierung).

Steuerlichen Verlustrücktrag anheben

Um gezielt solche Unternehmen eigenkapitalseitig zu entlasten, die im Vorjahr Gewinne erzielt und daher Steuern gezahlt haben, ist ein – schon heute möglicher – steuerlicher Verlustrücktrag geeignet. Der höchstens zulässige Verlustrücktrag (max. 5 Millionen Euro) und der Rücktragszeitraum sind aber unzureichend ausgestaltet. Der Höchstbetrag sollte deshalb deutlich auf 50 Millionen Euro angehoben und der Rücktragszeitraum auf drei Jahre ausgeweitet, der Verlustrücktrag zudem auf die Gewerbesteuer ausgeweitet werden. Eine weitere Möglichkeit, um gezielt Investitionen zu fördern, ist die Verbesserung der steuerlichen Abschreibungsbedingungen für neu angeschaffte oder hergestellte spezifische Wirtschaftsgüter. Diese Option kann – wie Förderprogramme auch – an Maximal-Umsätze, Maximal-Volumina oder an bestimmte Investitionen geknüpft werden. Das Steuerrecht könnte so generell mehr Investitionsanreize im Hinblick auf die erforderliche Transformation vieler Geschäftsmodelle hin zu mehr Nachhaltigkeit setzen.