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Bilanz der Unternehmensfinanzierung nach einem Jahr Corona-Pandemie

23.02.2021Artikel
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Ungewissheit der Unternehmen hält an, gestaltet sich aber unterschiedlich

Knapp zwölf Monate nach dem ersten Aufflammen des COVID-19 Virus in Deutschland ist der wirtschaftliche Aufschwung aufgrund der anhaltenden zweiten Pandemie-Welle und dem Auftreten von Virus-Mutationen weiter ausgebremst. Trotz des seit Jahresende verfügbaren Impfstoffs sowie der damit einhergehenden Impfungen hat das neue Jahr für viele Unternehmen mit großen Sorgenfalten begonnen. Gerade in den letzten Monaten hat der von der Politik angeordnete Lockdown insbesondere Soloselbstständige, kleine und mittelständische Betriebe (KMU) empfindlich getroffen. 

Mit den zuletzt nochmals deutlich ausgeweiteten Stabilisierungs- und Unterstützungsprogrammen sowohl in Form der außerordentlichen Wirtschaftshilfe des Bundes als auch den unterschiedlichen Darlehen aus den KfW-Corona-Hilfen, gibt es einen nach wie vor gut bestückten Instrumentenkasten, mit dem den betroffenen Unternehmen geholfen werden kann. Entsprechend scheinen viele Unternehmen, darunter auch nahezu ein Drittel der KMU, relativ solide durch das vergangene Jahr gelangt zu sein und blicken, ausgestattet mit ausreichender Liquidität, durchaus optimistisch in die nächsten Monate. Diese zweigeteilte Entwicklung („K-Kurve“), wonach es für einen großen Teil der Unternehmen weiter bergauf geht, während insbesondere kleine und mittelständische Betriebe bzw. unmittelbar von den Einschränkungen betroffene Branchen in Schwierigkeiten geraten können, dürfte sich in den kommenden Monaten fortsetzen.

Vor allem Unternehmen aus dem Dienstleistungssektor, allen voran der Einzelhandel und das Gastgewerbe, sind besonders schwer getroffen. Bis zu drei Viertel der Gastronomen und Hoteliers fürchten laut Umfrage des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes aktuell um ihre Existenz. Während Schätzungen des Statistischen Bundesamtes zufolge im vergangenen Jahr Umsatzeinbußen von knapp 40% zu verzeichnen waren, lagen die Einnahmen während der letzten drei Lockdown-Monate bis zu 80% unter denen des Vorjahres. Entsprechend berichten laut Umfragen des DIHK fast ein Drittel der Firmen aus dem Handels- und Dienstleistungsbereich von einem mitunter drastischen Rückgang des Eigenkapitals und knapp 20 % der Befragten kämpfen mit Liquiditätsengpässen. Selbst bei optimistischer Betrachtung rechnet der Mittelstand frühestens Ende des Jahres mit einer Rückkehr zum Vorkrisenniveau. Die besonders betroffenen Branchen erwarten derweil in den kommenden 12 Monaten negative Entwicklungen und sind deutlich pessimistischer als noch im vergangenen Herbst.

Hingegen sind Industrie sowie viele große Mittelständler überwiegend ohne einschneidende Beeinträchtigungen durch das erste Corona-Jahr gekommen und verfügen unverändert über eine hohe Liquidität. Gleichwohl existieren pandemiebedingt enorme Investitionsrückstände und könnten Kapazitäten gerade in Richtung Strukturwandel bzw. Nachhaltigkeit freigesetzt werden. Laut Europäischer Investitionsbank (EIB) beabsichtigt jedes zweite Unternehmen mit Investitionsplänen in Deutschland weniger als ursprünglich geplant zu investieren, insbesondere im verarbeitenden Gewerbe. Gleichzeitig schraubt die Industrie aber ihre Investitionspläne für das laufende Jahr deutlich nach oben und setzt den Fokus neben Kapazitätserweiterungen verstärkt auf Energieeffizienz und Umweltschutz. Allerdings könnten Faktoren wie strukturelle Rahmenbedingungen sowie Unklarheit über den weiteren Verlauf der Pandemie diese Entwicklung ausbremsen.

Darüber hinaus herrscht gegenwärtig weiter Ungewissheit über die tatsächliche Verfassung einzelner Unternehmen: Zwar gingen die Anträge auf Insolvenzverfahren laut Zahlen des Statistischen Bundesamtes im Zeitraum von Januar bis November 2020 um über 15 % zurück, doch geht die Bundesbank in ihren aktuellen Schätzungen für das Jahr 2021 von einem Anstieg der Insolvenzen von bis zu 35 % gegenüber 2020 aus. Die Insolvenzantragspflicht bleibt bis Ende April 2021 für jene Unternehmen ausgesetzt, die zwar zahlungsunfähig bzw. überschuldet sind, gleichwohl aber Anspruch auf die staatlichen Corona-Unterstützungsmaßnahmen haben. Entsprechend spiegelt sich die wirtschaftliche Not einzelner Unternehmen nicht in einem Anstieg der gemeldeten Insolvenzen wider. Vielmehr fehlen weiterhin wichtige bzw. zuverlässige Indikatoren, die üblicherweise drohende Zahlungsengpässe bei Unternehmen zu Tage fördern bzw. verzögern sich die sonst üblichen Selbstreinigungskräfte des Marktes.

Banken sind weiter stabil aufgestellt, stehen aber vor Herausforderungen

Vor diesem Hintergrund sind die Auswirkungen der Pandemie noch nicht in vollem Umfang im Bankensektor angekommen. Entsprechend sind zum jetzigen Zeitpunkt zumindest in deutschen Banken noch keine außergewöhnlichen Veränderungen bei den Volumen ausfallgefährdeter Kredite zu erkennen. Es kann derzeit aber davon ausgegangen werden, dass ein möglicher Anstieg von Unternehmensinsolvenzen sich über mehrere Jahre hinziehen dürfte und entsprechend von den Banken abgefedert werden kann. Gleichwohl sind die Banken auf eine mögliche Verschlechterung der Lage vorbereitet. Zum einen haben sie ihre Kapitalpuffer deutlich erhöht, zum anderen haben sie sich durch eine höhere Risikovorsorge für mögliche Ausfälle gewappnet.

Davon unbenommen wirken sich gleichzeitig verschiedene Rahmenbedingungen auf die Handlungsfähigkeit der Banken aus, welche einen negativen Einfluss auf deren Kreditvergabekapazität haben könnten: 

  • Die Negativzinspolitik der EZB beeinträchtigt weiter die Profitabilität europäischer Banken. Insbesondere für die deutschen Institute belaufen sich die Strafzinsen aufgrund enorm hoher Einlagen auf jährlich vier Milliarden Euro. 
  • Ferner sind die Beiträge zum einheitlichen Abwicklungsfonds (Single Resolution Funds/SRF) aufgrund des – EZB-bedingten – Einlagenwachstums deutlich gestiegen. Die Methodik zur Bestimmung der zu erreichenden Zielausstattung des SRF führt dazu, dass dem Bankensystem Kapital in mehrstelliger Milliardenhöhe entzogen wird. Die Erhöhung steht in keinem Zusammenhang mit der Risikolage der Banken. Das damit gebundene Kapital fehlt bei der Kreditversorgung der Realwirtschaft.
  • Zusätzlich wirkt sich die geplante Umsetzung von Basel IV negativ aus, da hier mit einer deutlichen Erhöhung der Eigenkapitalanforderungen zu rechnen ist.

Die Banken möchten ihren Kunden auch weiterhin bei der Bewältigung der Krise bzw. Finanzierung des Strukturwandels zur Seite stehen. Dazu ist es aber notwendig, frühzeitig und schnell mögliche Hindernisse für die Banken bei der Finanzierung der Wirtschaft beiseite zu räumen. 

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Dr. Hendrik Hartenstein

Themengruppenleiter, Director

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Dietmar Schwarz

Associate Director

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