Blick in die Glaskugel bleibt verschwommen
Die aktuellen Konjunkturindikatoren zeugen in Deutschland gegenwärtig von einer positiven Grunddynamik und einem grundsätzlich optimistischen Ausblick. Hintergrund hierfür sind insbesondere die niedrigen Infektionszahlen der letzten Monate sowie die gestiegene Impfquote. Auch die gesamtwirtschaftliche Nachfrage und der private Konsum sind seit Beginn der sukzessiven Lockerungen deutlich angestiegen. Sie zeigen nach monatelanger Abstinenz eine nun höhere Ausgabenbereitschaft und -freude. Gleichwohl trübt sich der Ausblick insbesondere für das vierte Quartal 2021 inzwischen wieder ein. Grund hierfür sind einerseits die bundesweit zwar langsam aber stetig steigenden Infektionszahlen, andererseits die nun schon länger grassierenden Liefer- und Produktionsengpässe, die sich auf mehrere Sparten ausweiten. Während die Dienstleistungsbereiche derzeit von den Lockerungen der Pandemie-Eindämmungsmaßnahmen profitieren, aber von neuen möglichen Einschränkungen erneut direkt betroffen wären, leidet die Industriekonjunktur empfindlich unter den globalen Engpässen.
Inflation wird im nächsten Jahr wieder sinken
Der Anstieg der Nachfrage und die Zunahme der Lieferengpässe, ergänzt durch Faktoren wie CO2-Bepreisung und die im vergangenen Jahr vorübergehend reduzierte Mehrwertsteuer, haben die Inflationsrate in Deutschland zuletzt in lange nicht mehr gesehene Höhen befördert. Der gegenwärtige Wert von 3,8 % (Juli 2021) – dem siebten Monatsanstieg in Folge – scheint möglicherweise noch nicht das Ende der Fahnenstange zu sein. Ein Grund für tiefe Sorgenfalten besteht derzeit aber nicht. Die meisten Ökonomen bewerten die hohen Inflationsraten in diesem Jahr vielmehr als vorübergehend. Bereits für das Jahr 2022 prognostizieren sie für den Euroraum eine Inflation von deutlich unter 2 %. Erst in letzter Zeit werden diese Prognosen vereinzelt angehoben. Zum einen, weil im Zuge notwendiger klimapolitischer Maßnahmen mit weiter steigenden Energiepreisen zu rechnen ist, zum anderen, weil offenbar dauerhafte Anpassungen bei den Produktions- und Lieferketten erfolgen, die zu höheren Kosten führen werden. Entscheidend für die mittelfristige Inflationsentwicklung wird die Lohnpolitik sein. Und hier ist aus heutiger Sicht kein aus dem Ruder laufender Inflationsdruck zu befürchten.
Nimmt man alles zusammen, dann wachsen sogar die Chancen, dass sich die Preisentwicklung 2022 und 2023 nahe bei dem jüngst von der Europäischen Zentralbank (EZB) präzisierten Mittelfristziel von 2 % einpendeln. Das wäre sowohl für den weiteren Konjunkturverlauf in Deutschland und im Euroraum als auch für die Stabilität der Finanzmärkte hilfreich. Die EZB müsste dann allerdings parallel hierzu beginnen, eine glaubhafte Perspektive für den allmählichen Ausstieg aus der extrem expansiven Geldpolitik aufzuzeigen.
Unternehmensstimmung ungebrochen gut
Mittelstand wie Industrie profitieren von den positiven Wachstumsperspektiven und blicken dank der sich füllenden Auftragsbücher sowie vielversprechenden neuen Ausrichtungen (Stichwort Nachhaltigkeit und Digitalisierung) zuversichtlich nach vorne. Unterstützend wirkt sich dabei die kontinuierlich niedrige Zahl der Unternehmensinsolvenzen aus. Selbst wenn diese im Jahresverlauf steigen sollte, scheint ein Anstieg an Firmenpleiten oder gar eine Insolvenzwelle aktuell unwahrscheinlich. Gleichwohl muss das Augenmerk in den nächsten Monaten auf zwei Aspekte gerichtet werden: Erstens, entscheidet der weitere Pandemieverlauf über die tatsächliche Entwicklung einzelner Sektoren. Mit neuerlichen Einschränkungen oder anhaltenden Friktionen in den Wertschöpfungsketten könnte im Zuge einer vierten Pandemie-Welle mancher Hoffnungsfunke verglühen. Zweitens, müssen die Bemühungen zur Transformation der Wirtschaft deutlich intensiviert werden und sämtliche Akteure – Unternehmen, Banken, Finanzmarkt, öffentliche Hand – gemeinsam an Lösungsansätzen im Rahmen der bereits bestehenden bzw. geplanten Regelungen arbeiten. Dies Aufgabe obliegt nicht zuletzt der kommenden Bundesregierung, die entsprechende Impulse rasch nach der Regierungsbildung aufgreifen sollte.
Angebot und Zugang von Krediten weiter entspannt – Nachfrage schwächelt
Die Diskrepanz zwischen einerseits stabilen Kreditzugangskriterien bzw. günstigen Zinsangeboten und andererseits einer gebremsten Kreditnachfrage hat sich in den letzten Monaten verfestigt. Laut aktuellen Zahlen der Bundesbank ist das ausstehende Kreditvolumen von Unternehmen und Selbstständigen banksektorenübergreifend zum ersten Mal seit sieben Jahren gegenüber dem Vorjahr rückläufig. Dass insbesondere Mittelstand und Industrie gegenwärtig noch ausreichend finanziert sind, zeigt sich insbesondere bei privaten Banken, wo die Nachfrage im zweiten Quartal im Vergleich zum Vorjahr um 6 % zurückging. Dies lässt sich in erster Linie mit dem sprungartigen Anstieg der Kreditnachfrage während der ersten Infektionswelle im ersten Halbjahr 2020 erklären, die den unmittelbaren Liquiditätsbedarf stillen konnte. So beruhigend die offenbar aktuell noch ausreichende Liquidität der Unternehmen auch ist: Erst mit dem Anziehen der Kreditnachfrage wäre ein wichtiger Beleg für das Überwinden der Krise und der Bereitschaft für breite Investitionen erbracht. Aktuell müssen sich diesbezüglich aber alle Marktteilnehmer noch in Geduld üben!
Eine ausführliche Analyse zu den wichtigsten Parametern der Konjunkturentwicklung finden Sie im jüngsten Bericht des Bankenverbands „Unternehmensfinanzierung AKTUELL“.