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Jenseits von Libra: Mit dem digitalen Euro raus aus der Zuschauerrolle

30.10.2019Artikel
Tobias Tenner
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Der kontroversen Diskussion um Facebooks Pläne, eine digitale Währung namens Libra in Umlauf zu bringen, haben wir zwei elementare Erkenntnisse zu verdanken. Zum einen: Jedes Wirtschaftssystem braucht eine stabile Währung – sie ist Kernelement staatlicher, demokratisch legitimierter Souveränität. Es kann daher aus unserer Sicht nicht Aufgabe eines privaten, gewinnorientierten Unternehmens sein, eine Digitalwährung in Umlauf zu bringen. In Wirtschaftskrisen würden Korrekturinstrumente der Zentralbanken wie Wechselkurs- oder Zinsanpassungen ihre Wirksamkeit verlieren. Viele mit der Emission einer Währung verbundene Risiken – vom Wechselkurs-, Liquiditäts- bis hin zum Rückzahlungsrisiko – können nur von öffentlicher Seite adäquat geschultert werden. Dies gilt erst recht, wenn es darum geht, grenzübergreifende Gefahren wie Geldwäsche oder Terrorismus-Finanzierung wirkungsvoll zu bekämpfen.

Die Verantwortung muss bei Staaten und Notenbanken bleiben

Die Verantwortung für die Geld- und Währungsordnung muss daher bei souveränen Staaten und deren Notenbanken verbleiben; jedes Angebot von Geld, sei es von Banken oder von anderen privaten Unternehmen, muss sich entsprechend in die staatlich gesetzte Ordnung einfügen. Es steht gleichwohl die Frage im Raum, wie die globale Geld- und Währungsordnung im digitalen Zeitalter aussehen und wer sie künftig gestalten wird. Europa darf hier nicht in einer Zuschauerrolle verharren. Die europäische Politik, vor allem aber auch die Zentralbanken haben hier eine große Verantwortung und eine Schlüsselrolle, damit wir nicht den Anschluss verlieren an die USA oder China.

Die zweite Erkenntnis lautet: Es gibt in Wirtschaft und Gesellschaft einen Bedarf nach kryptobasiertem, digitalem Geld, das die nächste Evolutionsstufe der Digitalisierung ermöglicht. Von besonderem Interesse ist dabei programmierbares digitales Geld, das mit sogenannten Smart Contracts verbunden werden kann. Vorteil: Anders als mit Kryptowährungen wie „Bitcoin“ könnten damit Zahlungsvorgänge nach festgelegten und programmierten vertraglichen Rahmenbedingungen automatisiert werden. Digital könnte überprüft werden, ob Aufträge erfüllt sind, Zahlungen dann automatisch ausgelöst werden. Interaktionen zwischen Mensch-Maschine bzw. Maschine-Maschine im vernetzten „Internet der Dinge“ wären steuerbar.

Der digitale Euro hat das Potential für grundlegende Änderungen

Um zu den Chancen zu kommen: Wie kann diese Zukunft aussehen und welchen Voraussetzungen muss eine digitale programmierbare Währung genügen?

  • Ein wettbewerbsfähiges Zahlungssystem kann nicht aus unterschiedlichen Insellösungen bestehen, sondern muss auf einem einheitlichen Standard und einer einheitlichen Währung beruhen. In Europa kommt hierfür aus unserer Sicht nur ein programmierbarer digitaler Euro in Frage, für den – angelehnt an die bisherigen Strukturen der Europäischen Währungsunion – eine gemeinsame europaweite Zahlungsverkehrsplattform geschaffen werden sollte. 
  • Höchste Regulierungsstandards müssen eingehalten und die Kompatibilität mit bisherigem Giralgeld sichergestellt werden. Denn das Angebot von Digitalgeld auf Kryptobasis darf die Stabilität des bestehenden Geld- und Währungssystems nicht gefährden.
  • Damit Rechtssicherheit und Vertrauen entsteht, brauchen wir eine rechtsverbindliche Einordnung von programmierbarem Digitalgeld und ein tragfähiges Datenschutzkonzept. Darüber hinaus muss die Identität des Nutzers eines digitalen Euros – ob Mensch oder Maschine – eindeutig zuzuordnen sein.
  • Einleger genießen bei Kreditinstituten durch die Einlagensicherung ein hohes Schutzniveau ihrer Einlagen. Dieses Schutzniveau muss auch Maßstab für programmierbares Digitalgeld sein. 

Ein digital programmierbarer Euro hat das Potenzial unsere Wirtschaftsabläufe, aber auch die Art wie wir zahlen und wie wir Werte aufbewahren, noch einmal grundlegend zu verändern. Umso wichtiger ist es, einen gesellschaftlichen Konsens darüber zu erzielen, wie ein programmierbares Digitalgeld in die bestehenden Finanzsysteme integriert werden kann.

Europa sollte nicht in der Zuschauerrolle verharren

Die privaten Banken in Deutschland werden ihren Beitrag zu einem zukunftsfähigen innovativen Geldsystem leisten. Aufgabe von Gesetzgebern und Regulierungsbehörden ist es, digitale Innovationen rechtlich klar geregelt möglich zu machen – auch und insbesondere im Bankensektor. Das Wettbewerbsrecht etwa muss Verbindlichkeit und faire Spielregeln herstellen, damit sich alle Nutzer und Marktteilnehmer auf das Digitalgeld verlassen können.

Für Deutschlands wie Europas Wirtschaft wird es zentral sein, im weltweiten Wettbewerb um intelligente Zahlungsverfahren mitzuhalten. Nur so bleibt die nächste Stufe der Digitalisierung nicht allein China und den USA vorbehalten. Peking hat erst kürzlich seinen Willen unterstrichen, bald eine digitale Variante seiner Währung, des Renminbi, einzuführen. Und auch in den USA werden entsprechende Vorschläge intensiv diskutiert. Europa sollte sich hier nicht mit der Zuschauerrolle zufrieden geben.