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Metaverse: Eine neue Realität – auch für das Banking? - Teil 2

15.12.2022Artikel
Tobias Tenner
Zeynep Tolun
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Teil 2: Banking im Metaverse

Banking im Metaverse steckt derzeit noch in seinen Anfängen. Experten gehen jedoch davon aus, dass die Kombination von Decentralised Finance (DeFi) mit Bank- und Finanzdienstleistungen dazu führen kann, dass in der Zukunft spezielle, auf die besonderen Bedürfnisse des neuen Ökosystems zugeschnittene Produkte entstehen werden. Doch was bedeutet das konkret? Wie können Banken das Metaverse für sich erschließen?

Ein logischer Schritt wäre zunächst, dass Banken Filialen im Metaverse eröffnen, um sich mit Kunden aus der ganzen Welt in einer virtuellen Umgebung treffen zu können. Dies würde Kosten und Zeit für Banken wie für Kunden sparen. Und tatsächlich geschieht dies bereits: J.P. Morgan ist die erste Bank der Welt, die eine Niederlassung im Metaverse eröffnet hat – die größte Bank der USA startete im Februar 2022 mit einer Lounge auf der Plattform „Decentraland“. Die Dienstleistungen, die sie dort derzeit anbietet, sind klassisches Bankgeschäft, etwa Vermögensverwaltung oder Kreditvergabe. 

HSBC hat sich ebenfalls in das Metaverse vorgewagt und im März 2022 virtuelle Immobilien auf der Plattform „The Sandbox“ erworben, um neue Formen der Kundenbindung zu erschließen und Wachstumsmöglichkeiten zu schaffen. Die Deutsche Bank wiederum hat sich im Metaverse ein Grundstück gekauft und eine „3D-Besucherlounge“ eröffnet. In dieser Metaverse-Filiale können die Besucher in einem interaktiven Raum viele kleine Videos ansehen und sich zu verschiedenen Themen informieren.

Inkrementelle Innovationen stellen diese Aktivitäten jedoch noch nicht da, aber sind die ersten Schritte, um im Metaverse laufen zu lernen.

Metaverse-Geschäftsfelder für Banken

Doch der Kauf von virtuellen Immobilien und die Eröffnung einer virtuellen Filiale könnten lediglich die ersten Schritte sein. Eine Reihe weiterer Dienstleistungen sind vorstellbar, die die Banken im Metaverse erbringen können. 

Für digitale Güter wie NFTs und Kryptowerte etwa könnten Banken ihre Expertise in der Verwahrung von Vermögenswerten nutzen und unterschiedliche Beratungsservices anbieten, die den Kauf, Verkauf und die Finanzierung umfassen.  

Zur Verwahrung dieser digitalen Werte werden Wallets, also digitale Geldbörsen verwendet, deren Sicherheit absolute Priorität genießen sollte. Da Banken höchsten Ansprüchen im Kontext von Cybersicherheit genügen, könnten sie ein Versicherungsmodell entwickeln, das das Vertrauen der Verbraucher in die neue Technologie stärkt. Zusätzlich ist vorstellbar, dass Banken mit einer benutzerfreundlichen Wallet die Komplexität reduzieren, die mit dem Verwalten einer Vielzahl an verschiedenen digitalen Werten für die Benutzer einhergeht.

Und auch den Geldtransfer zwischen Kryptowerten und Fiatgeld könnten Banken in der Zukunft sicherstellen, wenngleich heute noch unklar ist, welche Rolle die unterschiedlichen Währungen im Metaverse spielen werden. 

Grundlegend für die wirtschaftliche Infrastruktur des Metaverse ist eine nahtlose Zahlungsverkehrsinfrastruktur, die effiziente und kostengünstige Transaktionen ermöglicht. Eine der Kerneigenschaften sollte die Interoperabilität innerhalb des Metaverse sein, also zwischen verschiedenen Plattformen. Nach jetzigem Stand geht man davon aus, dass Mikrozahlungen die wichtigste Zahlungsart im Metaverse sein werden. Hier könnten Banken Kundenwünschen nachkommen und effiziente Transaktionen anbieten. 

Zu guter Letzt ist es naheliegend, dass Banken auch bei Krediten ihre langjährige Erfahrung einbringen. Unter Rückgriff auf bereits bestehende Prozesse aus dem Risikomanagement könnten Banken im Metaverse etwa die Bonitätsprüfung auch für andere Kreditnehmer übernehmen.

Regulatorische und andere Baustellen 

Im Metaverse sind viele neue Geschäftsmodelle vorstellbar, doch wann und ob sie realisiert werden, ist derzeit noch ungewiss. Ihre Umsetzung ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch deshalb nicht möglich, weil etliche regulatorische Fragen noch unbeantwortet sind.  

Welche offenen Baustellen gibt es? Zunächst bedarf es einer allgemeingültigen, rechtlichen Definition des Metaverse. Es ist beispielsweise noch völlig unklar, wie die rechtliche Beziehung zwischen unterschiedlichen Parteien geregelt ist. Aufgrund der digitalen Natur des Metaverse erfolgt die Abwicklung von Geschäften grundsätzlich unabhängig vom Standort der Personen. Bei einer Veräußerung von Vermögenswerten oder einem Tauschgeschäft im Metaverse können daher verschiedene Rechtsordnungen anwendbar sein (z.B. in Bezug auf Steuern, AML-Vorschriften oder die Anwendung zivilrechtlicher Vorschriften). Sollte es bspw. zu Streitigkeiten zwischen Nutzern aus unterschiedlichen Regionen der Welt kommen, ist die Antwort auf die Frage, welcher zivilrechtlicher Rechtsrahmen zugrunde gelegt wird, von besonderer Bedeutung.

Ähnlich verhält es sich mit dem Datenschutz – welches Recht findet hier im Metaverse Anwendung? Die allgemeine Gültigkeit der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) ist europaweit garantiert, für den Austausch von Daten außerhalb der Europäischen Union (EU) müssen Datenschutzabkommen geschlossen werden. Hinzu kommt, dass die Vielfalt der Daten (Bewegungen, Handlungen, Fokus, Dauer, Gesichtsausdruck, Stimmlage und Gesundheit) möglicherweise nicht durch die DSGVO abgedeckt ist. Was das alles für das Metaverse bedeutet, ist noch unklar.

Gerade Banken, die die Rolle einer Vertrauensinstanz einnehmen, brauchen einen verlässlichen rechtlichen Rahmen, damit sie im Metaverse tätig sein können. Identifizierungsmaßnahmen müssten beispielsweise so ausgestaltet sein, dass die Identität des Kunden eindeutig festgestellt werden kann.

Doch nicht nur rechtliche Unklarheiten erschweren den Durchbruch des Metaverse. Aus ökologischer Sicht etwa ist – Stand heute – absehbar, dass die Technologie große Mengen an Energie verbrauchen wird. Für den Aufbau virtueller Welten, die Datenspeicherung von Kryptowerten und für Transaktionen im Metaverse werden hohe Rechen-, Server- und Übertragungskapazitäten benötigt. Sollte es hier keine klimaschonenden Lösungen geben, könnte dies die Entwicklung des Metaverse erheblich beeinträchtigen.

Und ein weiteres großes Problem wird das Metaverse möglicherweise ausbremsen: Die gesamte heutige Netzinfrastruktur, die es den Nutzern ermöglicht, nahtlos im Internet zu navigieren, scheint für den Aufbau eines nahtlosen Metaverse-Erlebnisses mit verknüpften Welten ungeeignet. Zudem bleibt es fraglich, ob die Virtual-Reality-Technologie für Anwendungsszenarien jenseits von Games und Entertainment wirklich geeignet ist. Und dennoch: Beschäftigen wird uns das Metaverse in seinen verschiedenen Formen sicherlich noch eine lange Zeit.